• 15. Juli 2025

Brosius-Gersdorfs Brief ist ein Rohrkrepierer: lückenhaft, schwach argumentiert und mit peinlichem Schweigen zu Corona

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Juli 15, 2025
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Die SPD-Kandidatin für das Amt einer Bundesverfassungsrichterin steht in der Kritik und hat sich nun in einem Brief an die Presse gewandt. Allerdings hat Frauke Brosius-Gersdorf ihre Rechtfertigung nicht allgemein zugänglich gemacht, sondern nur einer Auswahl etablierter Medien zur Verfügung gestellt, von denen sie annehmen konnte, dass diese ihrer Haltung gegenüber gewogen sind.

Wer so eine Vorauswahl trifft, disqualifiziert sich allerdings bereits für jedwede Medienkritik in der Sache. Der regierungsnahe Sender „n-tv“ mit seinem regierungsnahen Politchef Nikolaus Blome veröffentlichte den Brief in Gänze, sodass er über diesen Umweg nun auch den unabhängigen Medien zur Verfügung steht.

Frauke Brosius-Gersdorf bemängelt die Kritik an ihrer Person, diese sei „unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent“ und nicht sachorientiert, sondern vom Ziel geleitet, die Wahl zu verhindern.

Nun kann dem Ziel, die Wahl von Brosius-Gersdorf zu verhindern, auch eine sachliche Kritik zugrunde liegen, das sind zunächst einmal sprachliche Spielereien, die man von einer zukünftigen Bundesverfassungsrichterin so nicht lesen möchte, wo das Amt in besonderem Maße auch sprachliche Präzision erfordert.

Die Juristin beschwert sich über die Einordnung ihrer Person als „ultralinks“ oder „linksradikal“. Das sei diffamierend und realitätsfern. Hier reiht sich Brosius-Gersdorf ein in den nicht enden wollenden Chor der als ultrarechts, rechtsradikal, rechtsextremistisch, rechtspopulistisch, faschistisch und als „Nazis“ diffamierten Politiker und Medienvertreter. Besonders klug ist es sicher nicht, hier einfach die Vorzeichen zu vertauschen.

Frauke Brosius-Gersdorf kritisiert zunächst, dass negative Zitate einer Landesjustizministerin über ihre Person aufgetaucht seien, die anonym bleiben will. Dazu schreibt sie in besagtem Brief:

„In Zeiten, in denen Politikerinnen und Politiker für sich zu Recht stärkeren Schutz vor verbalen Angriffen fordern und ein ‚digitales Vermummungsverbot‘ diskutieren, befremden anonyme Äußerungen aus den Reihen politisch verantwortlicher Funktionsträger des Staates. Selbst anonym an medialer Kritik bis hin zu Schmähungen anderer mitzuwirken und gleichzeitig für sich selbst Schmähungsschutz zu fordern, steht im Widerspruch.“

Auf die Idee, dass die anonyme Zitatgeberin sich hier schützt, um selbst nicht Opfer von Schmähkritik zu werden, kommt Brosius-Gersdorf nicht. Daran anknüpfen würde sich nämlich eine Debatte um den Umgang der herrschenden politischen Klasse untereinander.

Sie selbst sehe sich inhaltlich nicht am linken Rand verortet, sondern in der „demokratischen Mitte“ betont Brosius-Gersdorf. Und weiter:

„Einseitige Zuschreibungen (‚ultralinks‘ und ‚linksradikal‘) entbehren der Tatsachenbasis. Sie beruhen auf einer punktuellen und unvollständigen Auswahl einzelner Themen und Thesen, zu denen einzelne Sätze aus dem Zusammenhang gerissen werden, um ein Zerrbild zu zeichnen.“

Hier gesteht Frau Brosius-Gersdorf immerhin selbst ein, dass man bei „einzelnen ihrer Themen und Thesen“ durchaus den Eindruck gewinnen könne, dass sie politisch links-außen zu Hause sei. Was sie hier fordert, ist eine genauere Auseinandersetzung mit ihren wissenschaftlichen Beiträgen. Die Beschäftigung mit Beiträgen versus Diffamierungen ist natürlich immer von Vorteil, wer wüsste das besser, als Protagonisten aus Politik und Medien, die dem konservativen und rechten Feld zugeordnet werden. Bei AfD-Politikern jedenfalls dürfte es ein großes „Hallo“ auslösen – nur eben um 180 Grad gedreht.

Im Detail spricht Frauke Brosius-Gersdorf von einer „Verunglimpfung“, was die Behauptung angeht, sie spräche dem ungeborenen Leben die Menschenwürdegarantie ab und sei „für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt“.

Das sei falsch, betont Brosius-Gersdorf:

„Dem menschlichen Leben steht ab Nidation das Grundrecht auf Leben zu. Dafür bin ich stets eingetreten. Die Aussage, ich wäre für eine Legalisierung und eine (hiervon zu unterscheidende) Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt, ist unzutreffend.“

Richtig sei – und darauf hatte auch Alexander-Wallasch.de mehrfach hingewiesen – , dass sie selbst nur „auf das verfassungsrechtliche Dilemma hingewiesen habe, das besteht, wenn man dem ungeborenen Leben ab Nidation die Menschenwürdegarantie zuerkennt wie dem Menschen nach Geburt.“

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Ihr Bestreben und ihre Aufgabe als Wissenschaftlerin sehe sie darin, „auf diese Problematik und auf Inkonsistenzen im bestehenden Recht hinzuweisen sowie Lösungsmöglichkeiten für eine widerspruchsfreie Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aufzuzeigen.“

Eine Antwort sei dann folgende gewesen:

„Die Lösung kann verfassungsrechtlich nur sein, dass entweder die Menschenwürde doch abwägungsfähig ist oder für das ungeborene Leben nicht gilt. Diesen notwendigen verfassungsdogmatischen Erörterungsbedarf habe ich aufgezeigt, ohne damit die Position zu vertreten, dass das ungeborene Leben schutzlos sei.“

Das von ihr aufgezeigte verfassungsdogmatische Dilemma werde verkürzt wiedergegeben und genutzt, um ihr unzutreffend zu unterstellen, sie würde nicht für das Grundrecht auf Leben ab dem Zeitpunkt der Nidation eintreten.

Auch in der Kopftuchdebatte verteidigt sich Brosius-Gersdorf damit, dass sie einen Widerspruch in der Rechtsprechung gesehen habe. Ihr Fazit in ihrer Erklärung:

„Der Staat identifiziert sich nicht mit der Grundrechtsausübung seiner Bediensteten. Daraus folgt aber nicht, dass ein Kopftuchverbot stets verfassungswidrig wäre.“

Auch hier, so die Juristin, werde ihre Position unzutreffend wiedergegeben.

Brosius-Gersdorf äußert sich noch zu einem dritten Punkt. Sie verteidigt sich, dass sie die Wahlgleichheit nicht aushebeln wolle. Dieser Vorwurf allerdings hat es kaum in die öffentliche Debatte um ihre Person geschafft.

Was an diesem Schreiben am interessant ist, sind allein die Auslassungen. So findet sich überhaupt keine Erklärung von Frauke Brosius-Gersdorf zu ihrer Rechtsauffassung während des Corona-Regimes und zu Impfungen.

Dankenswerterweise hatte sich gestern Prof. Martin Schwab ausgiebig mit der Kollegin befasst. Und er tat das nicht anonym, sondern öffentlich über die sozialen Medien. Und Schwab kann die Juristin wohl kaum vorwerfen, er habe sich nicht fachlich genug mit ihrem Fall beschäftigt.

Für Prof. Schwab ist Brosius-Gersdorf in der Corona-Zeit als absolute Hardlinerin hervorgetreten. Das hat er nicht vergessen. Prof. Schwab schreibt über Brosius-Gersdorf und zwei Unterstützer der Kandidatur:

„Von der Duldung einer solchen Injektion wollten Prof. Dr. Stefan Huster, Prof. Dr. Alexander Thiele und Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf die Daseinsberechtigung eines Menschen auf deutschem Boden abhängig machen. Entweder Teilnahme an einem Impfexperiment – oder raus aus dem Land. Schlimmer kann man die Menschenwürde nicht mit Füßen treten.“

Und Schwab schrieb gestern noch einen bemerkenswerten Satz, der die Nominierung per se kritisiert, aber durchaus auch die fachliche Leistung der Kollegin auf anderem Feld berücksichtigt:

„Der parlamentarische Umgang mit der Causa Brosius-Gersdorf ist allerdings in der Tat wenig geglückt: Man hätte diese Kandidatin besser gar nicht erst nominieren dürfen. Denn tatsächlich nimmt ihre Reputation jetzt Schaden.“

Der an bestimmte regierungsnahe Medien versandte und via „n-tv“ veröffentlichte Brief von Frau Brosius-Gersdorf ist wenig hilfreich, die tatsächliche Rolle der Juristin besser zu verstehen. Tatsächlich hat das Papier viele Lücken, argumentiert besonders schlecht und wirkt insgesamt wie eine Schul- oder Auftragsarbeit.

Die Chance, hier alle oder viele Fragen zu beantworten, hat Frauke Brosius-Gersdorf ausgeschlagen und sich stattdessen mit einem dünnen Papier zu Wort gemeldet, das keine Seite zufriedenstellen oder die Debatte gar befrieden könnte. Nicht einmal ein entsprechendes Anliegen kann man dem Brief noch unterstellen.

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Author:
Alexander Wallasch

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