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Die Antwort auf eine Anfrage zur Kindeswohlgefährdung an den Berliner Senat die Alexander-Wallasch.de exklusiv vorliegt, hat jetzt ergeben, dass die Fallzahlen von rund 13.000 Kindern im Jahr 2017 auf über 20.000 im Jahr 2023 angestiegen ist.
Den Stein ins Rollen brachte Carsten Ubbelohde – er ist gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner AfD – mit einer Anfrage an den Senat. Nach Einschätzung von Ubbelohde hat die massive Zunahme der Kindeswohlgefährdung vielfältige Gründe:
„Die Wurzeln dieses Problems liegen in einer kaputten Gesellschaft, geprägt von beruflichem und finanziellem Druck, überhöhten Erwartungen in sein Umfeld und einem Gefühl der Orientierungslosigkeit.“
Zudem sei, so Ubbelohde weiter, die gesellschaftliche Spaltung „zwischen linksgrünen Ideologen und normalen Bürgern“ ein Nährboden für Aggressionen. Sie entlade sich an den Schwächsten: den Kindern und Alten. Die absoluten Zahlen seien alarmierend.
Ein Ausgangspunkt der Frage an den Senat war, dass Ärztinnen und Ärzte bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung seit Anfang 2024 eine Meldung dieser Gefährdung auch mit der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen können. Dazu gehören die Meldung eines Verdachts an das zuständige Jugendamt sowie eine mögliche anschließende Fallbesprechung in Gegenwart des Arztes.
Schon das klingt bedenklich, dann nämlich, wenn man im Umkehrschluss auf die Idee käme, dass ohne diese Möglichkeit der Abrechnung Meldungen von Kindeswohlgefährdung von Ärzten nicht vorgenommen werden. Aber was für ein Bild zeichnet das von unserer Gesellschaft? Was selbstverständlich nicht dagegen spricht, dass Ärzte solche Meldungen von Fällen von Kindeswohlgefährdung grundsätzlich abrechnen können.
Aber noch schockierender – immerhin geht es hier um vielfach akut gefährdete Kinder – dürfte die Tatsache sein, dass auch über ein Jahr nach Beschluss der Abrechenbarkeit solcher Meldungen noch keine Möglichkeit besteht, diese auch real abzurechnen. Die zuständige Senatsverwaltung antwortet unter anderem:
„Eine Kooperationsvereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF) befindet sich derzeit noch in Bearbeitung“, soll aber dann einen „Meldebogen“ beinhalten. Weil der Bogen aber noch nicht fertig ist, fände aktuell auch noch keine Abrechnungen statt.
Man lässt sich also Zeit und betont zugleich im Antwortschreiben der Senatsverwaltung, der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung sei „in § 8a Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (SGB VIII) geregelt“ und werde durch im Kinderschutz erfahrene sozialpädagogische Mitarbeiter in den bezirklichen Jugendämtern verbindlich ausgestaltet. Was immer das real bedeutet.
Zudem wird auf Meldeportale verwiesen, deren Eingänge verpflichtend zu bearbeiten seien: „Eine erste Risikoeinschätzung erfolgt unmittelbar nach Eingang der Meldung, um zu prüfen, ob ein sofortiges Handeln notwendig ist.“
Auf Anfrage von Carsten Ubbelohde wird eine Tabelle mitgeliefert samt statistischer Auflistung der Fälle von Kindeswohlgefährdung der letzten fünf Jahre und die Anzahl der Hinweisgebenden aus dem medizinischen Bereich.
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Der Anteil der Hinweisgeber aus dem medizinischen Bereich bewegt sich danach seit 2017 zwischen fünf und acht Prozent. Gemessen daran, dass Kinderärzte einen direkten Blick auf den körperlichen Zustand ihrer Patienten haben eine direkte Beurteilung vornehmen könnten, erscheint dieser Wert tatsächlich gering.
2017 gab es in Berlin etwas mehr als 13.000 Verfahren wegen Kindswohlgefährdung von denen bei knapp 7000 eine solche Gefährdung auch festgestellt wurde. 2021, 2022 und 2023 waren es jeweils etwas mehr als 20.000 Verfahren von denen jeweils etwa 10.000 als Kindswohlgefährdung erkannt und entsprechend reagiert wurde.
Man muss sich einmal zehntausend Kinder auf einem Platz versammelt vorstellen um zu begreifen um welche Dimensionen es hier geht.
Ein spürbarer Anstieg fand hier ab 2019 statt, die Zahl blieb dann ab 2021 konstant hoch. Um hier die genaueren Ursachen eines Anstiegs zu erforschen, muss aber noch genauer bestimmt werden, woher der Anstieg eigentlich kommt. Wann wurden die Meldeportale installiert und gab es eventuelle Neubewertungen, was genau unter „Kindswohlgefährdung“ verstanden wird?
Die Fragesteller aus der AfD-Fraktion wollten deshalb auch wissen, ob es in Berlin standardisierte Schulung für Ärzte zur Erkennung und Meldung von Kindeswohlgefährdung gibt. Antwort:
„Standardisierte Schulungen für Ärztinnen und Ärzte zur Erkennung und Meldung von Kindeswohlgefährdung werden in Berlin nicht angeboten.“Es gäbe wohl, antwortet die Senatsverwaltung, „einen einstündigen Vortrag zu Kindeswohlgefährdung in suchtbelasteten Familien“. Und außerdem sei unter anderem für November 2025 „im Rahmen einer Kooperation in der Ärztekammer Berlin mit der Charitè eine zweitägige Veranstaltung mit dem Titel „Medizinischer Kinderschutz“ geplant.“
Diese und weitere Antworten müssen zu denken geben. Denn wenn es heute schon zwanzigtausend gemeldete Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung gibt, wie viele Kinder leiden tatsächlich in Berlin und Deutschland unter einer akuten Bedrohungslage? Gehen die Behörden viel zu lässig damit um?
Auffällig ist auch, dass die Fragenden das Thema Migration außen vorgelassen haben. Hier wäre eine zweite Fragerunde durchaus sinnvoll dahingehend, wie viele der betroffenen 20.000 Kinder in den Verfahren Zuwanderer sind oder Migrationshintergrund haben.
Warum ist das von besonderer Bedeutung? Weil die Beurteilung, was genau dem Kindeswohl dient, in Syrien und Afghanistan mutmaßlich einer anderen Auffassung unterliegt als in Deutschland und Europa.
Eine Studie des UN-Kinderhilfswerks UNICEF kam schon vor Jahren zum Ergebnis, dass körperliche Gewalt gegen Kinder in Schulen und Familien in Syrien trotz des gesetzlichen Verbots nach wie vor weit verbreitet sei. Besonders in ländlichen Regionen seien syrische Kinder überdurchschnittlich oft Opfer von Gewalt durch Erwachsene.
Ebenso sollte es Teil einer Nachfrage sein, herauszufinden, wie die Zahlen der Kindeswohlgefährdung vor 2015 aussahen. Denn erst der Vergleich der Fallzahlen zwischen den Jahren 2010-2014 mit jenen von 2015-2025 kann aufzeigen, ob hier explizit auch ein zugewandertes Problem vorliegt, welches andere und eventuell viel umfassendere Reaktionen der Sicherheitsbehörden und Jugendämter verlangt.
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Author:
Alexander Wallasch