• 21. November 2024

Beleidigungs[er]finder – Habeck und „seine“ Hass-Profiteure

ByMichael Klein

Nov 21, 2024

Alles ist heute Hass.
Jeder Depp ist der Ansicht, er könne anderen HASS unterstellen.
Indes, Hass ist etwas, das man nicht messen kann, einfach deshalb, weil Hass eine „Leidenschaft“ ist, vielleicht am treffendsten bei Thomas Hobbes beschrieben:

„Was die Menschen begehren, lieben, und wovon sie Abneigung empfinden, hassen sie. So sind also Verlangen und Liebe dasselbe, außer dass Verlangen immer die Abwesenheit des Objektes bedeutet, Liebe dagegen gewöhnlich die Anwesenheit. Ebenso bezeichnen wir mit ‚Abneigung‘ die Abwesenheit und mit Haß die Anwesenheit des Objektes.
… nach Dingen, die wir überhaupt nicht kennen oder an deren Existenz wir nicht glauben, können wir kein Verlangen haben, das weiter geht, als sie zu versuchen und zu erproben. Aber Abneigung empfinden wir nicht nur gegen Dinge, von denen wir wissen, dass sie uns schaden, sondern auch gegen solche, von denen wir nicht wissen, ob sie uns schaden werden oder nicht.“

Beides, Hass und Liebe sind für Hobbes Menschen eigene Leidenschaften, Ergebnisse ihre Menschseins. Wer nicht in der Lage ist Hass oder Liebe zu empfinden, ist zwangsläufig für Hobbes eine Missgeburt. Hass, wie so viele natürliche Empfindungen von Menschen, hat eine „Psychologisierung“ erfahren, lange bevor er zum Gegenstand von Leuten geworden ist, die dieses ureigene menschliche Gefühl a-normalisieren wollen, um es einer Monetarisierung zugänglich zu machen. So findet sich im Lexikon der Psychologie von Arnold, Eysenck und Meili die folgende kurze Definition von Hass:

„Haß ist das Gegenteil von Liebe. Haß entsteht als Reaktion auf emotional sehr verletzende (z.B. Abbruch einer Liebesbeziehung, Haßliebe) oder existenzbedrohende Erlebnisse, Angestrebt wird stets Vernichtung des Haßobjekts“

Eher martialisch das Ganze und ein hervorragendes Beispiel für die Pathologisierung menschlicher Leidenschaften, die als Vorstufe zur Monetarisierung unumgänglich ist. Monetarisierung setzt zunächst einmal das Überschwemmen des öffentlichen Diskurses mit der Bezeichnung Hass voraus. Indes, wäre das, was die entsprechenden Profiteure, die an „Hass“ verdienen wollen, tatsächlich Hass, sie müssten sich, mit Verweis auf den letzten Satz aus Arnold, Eisenck und Meili, warm anziehen. Aber: Einmal mehr kann man feststellen, dass diejenigen, die von Hass fabulieren, keine Ahnung haben, wovon sie sprechen, was die Frage aufwirft, was für eine Spezies sie selbst darstellen, wenn ihnen die Kenntnis ureigener menschlicher Leidenschaften fehlt? In jedem Fall sind diese Leute keine ernsthaften Menschen, sonst wären sie nicht so schnell mit dem Wort „Hass“ bei der Hand, aus Respekt vor dem, was tatsächlich als „Hass“ bezeichnet werden kann.

Aber: Es geht um die Monetarisierung des Psychopathologisierten:

„So schalten wir Hass im Netz ab!

Und zwar konsequent! Wir suchen für dich nach potentiellen Beleidigungen, Drohungen und anderen Straftaten. Wenn du uns dein Mandat erteilst, hast du erstmal eines: Ruhe. Wir haben Kommentare, die sich an dich richten, im Blick. Potentielle Beleidigungen, Drohungen und andere Straftaten leiten wir an eine Kanzlei weiter. Die Kanzlei nimmt eine rechtliche Überprüfung der Kommentare vor und erstellt einen Sammelstrafantrag mit den Kommentaren, die sie als Online-Straftat gegen dich bewertet. Du kannst dann mit nur wenigen Unterschriften gegen diese Straftaten vorgehen. Wir wollen dir dabei helfen, dich gegen Online-Straftaten zur Wehr zu setzen – und unterstützen dich deshalb, indem wir deine Prozesskosten finanzieren. Wie unsere Zusammenarbeit genau abläuft und warum wir so effizient sind, erklären wir Dir gerne – hier auf der Seite oder beim persönlichen Gespräch!“

Dieses wilde Durcheinander, geschrieben, um von „Hass“, der Zuschreibung, nicht dem, was tatsächlich Hass ist, zu profitieren, findet sich bei So Done! einem Unternehmen, dessen Betreiber sich dem Beleidigungs[er]finden verschrieben haben, die ihre Dienste, potentielle Beleidigungen für diejenigen, die sie vielleicht gar nicht bemerken oder wahrnehmen, als Beleidigung erkennen, aufzufinden, um daraus ein lukratives Geschäft zu machen, ein lukratives Geschäft, das darauf basiert, dass „Hass“ mit „Beleidigung“, mit „potentieller Beleidigung“ mit „Drohung“ und „anderen Straftaten“ vermengt wird, ganz im Sinne der Pathologisierung eines menschlichen Gefühls das diese Leute offenkundig noch nie hatten.

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Die Frage, die sich an diese Feststellung anschließt, sparen wir uns. Widmen wir uns lieber der Begründung dafür, Zwietracht zwischen Menschen säen zu wollen, einfach dadurch, dass man verbale Auseinandersetzungen kriminalisiert, aus der Ebene des zwischenmenschlichen Konflikts auf die Ebene des Strafrechts holt, um unter Missbrauch des Rechtssystems die eigene Bereicherung zu betreiben.

Übrigens, Hobbes schreibt im Anschluss an seine Erörterung von Hass und Liebe:

„Dinge, die wir weder begehren noch hassen, verachten wir, wobei Verachtung nichts anderes ist als eine Unbeweglichkeit oder Festigkeit“

Das beschreibt unsere Haltung gegenüber Hass-Profiteuren sehr gut.
Indes, wir waren bei der Frage, wie man das unsittliche Angebot hinter fremden Menschen herzuschnüffeln, deren Äußerungen zu sammeln, ihnen strafrechtliche Bedenklichkeit zuzuschreiben, sich als Einpeitscher, vielleicht auch Aufhetzer, wer weiß, in zwischenmenschliche Konflikte einzumischen, um denjenigen, die von sich aus nicht tätig würden, ein unsittliches Geschäft vorzuschlagen, von dem beide profitieren können, legitimiert. Das macht man so:

„Warum wir das tun

Wir sind Verfechter unseres Rechtsstaates. Der Rechtsstaat ist für uns eine riesige und bedeutsame Errungenschaft, die uns erlaubt, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft friedlich miteinander leben können. Leider nehmen wir wahr, dass der Rechtsstaat bisher im digitalen Raum kaum durchgesetzt wird. Das liegt daran, dass Opfer von Online-Hass bisher keine Möglichkeit haben, effektiv gegen die Täter vorzugehen. Das ändern wir. Weil wir es satt haben, dass Menschen willkürlich andere Menschen mit Beleidigungen und Drohungen überziehen und damit einfach durchkommen. Weil wir sehen, wie die Masse an Online-Hass unseren Diskurs und unsere Gesellschaft verroht. Weil wir uns zwischen dich und den Hass stellen wollen.“

Einmal mehr wird Hass mit Beleidigung und Drohung vermengt, bzw. als beides ausgegeben, von Leuten, die nicht nur keine Ahnung haben, was Hass ist, die zudem keine Ahnung haben, was ein Rechtsstaat ist. Ein Rechtsstaat ist über seine Institutionen, nicht über INHALTE definiert. Wäre er über Inhalte definiert, diejenigen, die in den 1930er Jahren ihre Mitbürger in großer Zahl an die Gestapo denunziert haben, sie könnten für sich ins Feld führen, die „riesige und bedeutsame Errungenschaft, die es uns erlaubt, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft friedlich miteinander leben können“, durch die Denunziation von Mitbürgern, die Witze über Adolf Hitler erzählen und damit Hass säen oder Juden verstecken und damit den Hass, der die deutsche Gesellschaft unterminiert, ermöglichen, durchzusetzen. Offenkundig würden sich die guten Menschen, die den Online-Hass verfolgen und Gewinn aus der Kriminalisierung menschlicher Äußerungen schlagen wollen, gegen diese Analogie verwahren. Indes, wenn sie das tun, dann können sie das nur auf Basis einer formalen Sichtweise des Rechtsstaats und eine formale Sichtweise schließt ihre Tätigkeit als eigeninteressierter Arbeitsbeschaffer für Staatsanwälte, als Aufhetzer potentiell Beleidigter aus. Ergo müssen Sie sich den Vergleich gefallen lassen.

Es wäre daher ehrlicher, wenn die guten Menschen, die sich zwischen „dich und den Hass stellen wollen“ – Heuchelei, die im Englischen als sanctimonious crap bezeichnet wird, offenlegen würden, dass ihr Geschäftsmodell ein dem Abmahnmodell von Anwälten, die im normalen Klientenverkehr wohl aufgrund von Qualifikationsmängel gescheitert sind, nachempfundenes Modell ist, mit dem sie versuchen wollen, die politisch geschürte Hysterie um Hass zu monetarisieren:

Habeck verstößt ganz nebenbei gegen die Neutralitätspflicht, die er als Minister hat … Vielleicht findet sich ein Anwalt, der die Abmahner abmahnt.

Denn: Egal, wie sie es auch immer umschreiben, im Kern bleibt es ein Modell, mit dem abkassiert werden soll, ein Modell, das daraus besteht, Kommentare zu durchschnüffeln, sie einem Anwalt zukommen zu lassen, wenn man aus ihnen potentiell Geld machen kann, weil sie als Beleidigung oder Drohung strafbar sein könnten, wozu es indes einer Verhandlung vor einem Strafgericht bedarf, mit der man diejenigen, die potentiell vielleicht beleidigt haben, bedrohen kann, um per Unterlassungserklärung, die wiederum von der mitprofitierenden Kanzlei ausgestellt wird, zweifellos als Serienbrief, und mit Kostennote verschickt wird, Marke: Wenn sie die Unterlassungserklärung nicht unterschreiben und uns nicht die von uns willkürlich festgesetzten Kosten in Höhe von sagen wir 600 Euro überweisen, dann erstatten wir eine Anzeige wegen „Beleidigung“, Kasse zu machen.

Und wie gemeinhin unter Banditen üblich, so machen auch die Saubermänner, die sich zwischen „dich und Hass stellen wollen“ fifty-fifty mit denen, die ihnen ihr mieses Geschäft ermöglichen.

Wie schön:

„Wenn der Kommentar strafrechtlich relevant ist, schicken wir dir digital das Angebot zu, für dich tätig zu werden und dein Prozesskostenfinanzierer zu sein. Du kannst das Angebot mit einer digitalen Unterschrift annehmen und sowohl uns als auch unsere Partnerkanzlei SO DONE legal beauftragen, für dich tätig zu werden.


Unsere Partnerkanzlei SO DONE legal wird aktiv und kümmert sich darum, dass dein Strafantrag bei den zuständigen Behörden landet und dein Recht sowohl im Strafverfahren als auch im Zivilverfahren zur Sprache kommt. Die Kanzlei beantragt Einsicht in die Ermittlungsakten, sobald dies möglich ist – und fordert ermittelte Täter [!sic] dann dazu auf, deine Ansprüche auf Löschung des Kommentars, Unterlassung der Äußerung in der Zukunft sowie Geldentschädigung zu erfüllen. Weigern sich die Täter, dann geht SO DONE legal im Zweifel auch für dich vor Gericht. Dort hat die Kanzlei in von uns finanzierten Verfahren aktuell eine Erfolgsquote von über 95%.


Wenn der Täter eine Geldentschädigung zahlen muss, erhältst du von dieser 50%. Die anderen 50% nutzen wir, um unser Unternehmen zu finanzieren und weitere Prozesse zu führen. Du bist in jedem Fall nur im Erfolgsfall beteiligt – Sollte es nicht zu einer Geldentschädigung, wohl aber zu Kosten kommen, übernehmen wir das für dich. Du kannst also garantiert nur gewinnen.“

Der Double-Whammy bei besonders fieser Veranlagung besteht natürlich darin, eine Strafanzeige vor der Unterlassungsklage zu erstatten, diese anstehende Strafverhandlung in diesem miesen Spiel  als Druckmittel einzusetzen, um auf dessen Grundlage die Unterlassungserklärung – die vollkommen unnötig ist und nur benutzt wird, um die Opfer dieser Gutmenschen zu melken – vom Opfer unterschrieben und natürlich die Kostennote beglichen zu bekommen.

Was ist das nur für eine Gesellschaft, in der Leute mit so etwas Geld verdienen und sich dabei noch wie die Retter des Internets fühlen?
Verachtung im Sinne von Hobbes ist die korrekte Beschreibung für die Haltung, die man diesen Leuten gegenüber einnehmen muss, so lange sie es sich nicht anmaßen, den eigenen Weg zu kreuzen und dabei Kosten verursachen wollen, denn damit käme das Ganze ins Fahrwasser von Abneigung … und vermutlich Hass, also dem, was diese Leute angeblich nicht kennen …

Quelle: Wer wir sind – So Done

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Author: Michael Klein
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