Am 3. November 2024 veröffentlichte Tichys Einblick ein Interview mit dem Politikwissenschaftler, Autor und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad und leitete den das Gespräch mit folgenden Worten ein:
„Der islamkritische Publizist Hamed Abdel-Samad wird für seine Schriften mit dem Tod bedroht. Seit 11 Jahren kann er nur unter ständigem Schutz leben. Abdel-Samad warnt: Woke Ideologen zerstören die Freiheiten, die den Westen reich, erfolgreich und glücklich gemacht haben. Ein Interview unter Polizeischutz.“
Ein Vierteljahr später sorgen mehrere Kommentare des Autors für eine intensive – teilweise eskalierende – Auseinandersetzung. Hamed Abdel-Samad hatte es gewagt, Israels Krieg im Gaza zu kritisieren. Was hat Abdel-Samad geschrieben, dass viele Nutzer der sozialen Medien so empört, bis dahin, dass man ihm die „Freundschaft“ aufkündigt?
Wir dokumentieren, was Hamed Abdel-Samad via Facebook gestern veröffentlicht hat:
Hamed Abdel-Samad:
Es gibt nur ein Wort, das beschreibt, was derzeit in Gaza passiert: Völkermord. Seit Monaten werden die Menschen dort gnadenlos bombardiert, wie die Fliegen hin und her gejagt. Sie haben keine Zeit, ihre Toten zu begraben, keine Zeit zu weinen. Sie frieren und haben nichts zu essen, sie suchen einen sicheren Ort, den sie nie finden. 90 Prozent ihrer Häuser sind zerstört oder unbewohnbar. Wasserleitungen, Krankenhäuser, Schulen und andere Infrastrukturen sind flächendeckend zerstört. Wenn das Terrorismusbekämpfung ist, dann weiß ich nicht, was Anstiftung zum Terrorismus ist.
Deutsche Politiker und Journalisten, die das schreckliche Massaker vom 7. Oktober zu Recht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet haben, wagen es heute nicht mehr, dieses Wort in den Mund zu nehmen, aber ich tue es jetzt, auch wenn ich weiß, dass es keine Wirkung haben wird: Stoppt den Völkermord!
Ich tue es, weil ich die Dinge immer beim Namen nenne. Ich habe den islamistischen Terror immer scharf kritisiert und werde das auch in Zukunft tun. Aber ich kann mich nicht im Spiegel sehen, wenn ich zu dem Unrecht schweige, das den Zivilisten in Gaza angetan wird.
Wer die Eroberungsphantasien der Islamisten kritisiert, muss auch die alttestamentarischen Expansionsphantasien von Netanjahu und seiner rechtsradikalen Regierung kritisieren!
Wenn wir weiter zulassen, dass die Sprache und die Logik der Gewalt in der Welt die Oberhand gewinnen, wenn wir hinnehmen, dass täglich Zivilisten, Frauen und Kinder getötet werden, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Antwort auf der anderen Seite noch mehr Gewalt ist.
Ich schreibe diese Worte in dem Wissen, dass Facebook sie abwürgen, sie als Hassrede einstufen oder sogar löschen würde. Das macht nichts. Ich bin daran gewöhnt, dass die Mächtigen der Welt Recht und Unrecht nach Belieben verwechseln.
Ich schreibe diese Worte aus Berlin und bin bereit, alle Konsequenzen zu tragen!
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Meine jüdischen Freunde, die mich immer gefeiert haben, wenn ich den Islam kritisiert habe, werfen mir jetzt vor, ein Islamist zu sein, wenn ich Israel kritisiere. Sie werfen mir vor, die Seiten gewechselt zu haben. Dabei habe ich immer nur auf einer Seite gestanden: auf der Seite der Menschlichkeit, während viele, die mich jetzt kritisieren, nur Empathie für ihre eigene Sippe haben.
Ich kritisierte und kritisiere immer noch die menschenfeindliche Seite des Islam, nicht weil ich etwas gegen Muslime habe, sondern weil ich mir eine humanere Version dieser Religion wünsche. Genauso kritisiere ich das Vorgehen Israels in Gaza nicht, weil ich etwas gegen Juden habe, sondern weil ich mir wirklich Frieden im Nahen Osten wünsche. Aber diesen Frieden wird es nicht geben, wenn man den ganzen Gazastreifen in Schutt und Asche legt und den Menschen dort die Lebensgrundlage entzieht.
Die vielen Anfeindungen und Morddrohungen gegen mich von islamistischer Seite haben nie dazu geführt, dass meine Kritik am Islamismus leiser geworden wäre. Im Gegenteil: Je heftiger sie mich angegriffen oder einzuschüchtern versucht haben, desto lauter und deutlicher wurde meine Kritik. Auch moralische Erpressungen und Diffamierungen werden meine Kritik an Israel nicht verstummen lassen.
Ich habe mich immer auf die Seite der Juden gestellt, wenn sie angegriffen wurden, ich habe mich immer auf die Seite der Yeziden, Christen, Aleviten und Alwaiten gestellt, wenn sie im Nahen Osten angegriffen wurden, ich habe mich immer auf die Seite der Muslime gestellt, wenn sie von Rechtsradikalen angegriffen wurden, und ich habe mich immer mit den Opfern des islamistischen Terrors solidarisiert. Und kaum jemand hat dafür einen höheren Preis bezahlt als ich.
Ich habe mich längst von religiösen und nationalen Identitäten gelöst und sehe mich nur noch als Mensch. Und ich unterteile meine Mitmenschen nicht nach Religion oder Hautfarbe. Ich solidarisiere mich nicht mit Opfern, die die gleiche Hautfarbe oder Weltanschauung haben wie ich, sondern mit jedem Menschen, dem Unrecht angetan wird. Also bitte hört auf, mit dieser lächerlichen Moralkeule zu wedeln, denn das funktioniert bei mir nicht!
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Author:
Alexander Wallasch