Skandal um Stephan Kramer, Verfassungsschutzpräsident in Thüringen. Kramer ist auch im Stiftungsrat der Kahane Stiftung. Mit der hattest du auch zu tun. Inwiefern?
Zu diesem Zeitpunkt – ich glaube es war 2015, als ich beim ZDF noch einen unverfänglichen Wochenrückblick mit konservativer Färbung produziert habe – war mir aufgefallen, dass an Kindergärten Broschüren rausgegeben wurden, woran man rechtsradikale Elternhäuser erkennt.
Da wurde Kindergärtnerinnen empfohlen, darauf zu achten, ob Kinder Zöpfe haben und wie sie angezogen sind. Und ob sie besonders intelligent, besonders still oder besonders sozial sind. Denn das ließe darauf schließen, dass sie einem rechtsradikalen Elternhaus entstammen, so ungefähr.
Und dann soll man diese Eltern stellen und ausgrenzen. Das fand ich vom satirischen Standpunkt her sehr interessant. Es ging ja auch darum, woran man Rechte erkennt, nämlich auch daran, dass sie Meinungsfreiheit fordern. Das war eine Handreichung zur Ausgrenzung von konservativen Eltern mit ganz normalen Anzeichen. Also Zöpfe und ordentliche Kleidchen für Mädchen zum Beispiel wurden für die Kindergärtnerin als Warnzeichen in einer Hochglanzbroschüren mit dem imaginären Giftschrank-Totenkopf versehen.
Diese Broschüre kam von der Amadeu Stiftung. Das fand ich als Satiriker natürlich sehr schön. Und ich hatte mir gesagt: Hier muss ich aufhorchen. Denn nach allem, was dort stand, bin ich anscheinend rechts. Ich verlange beispielsweise Meinungsfreiheit.
Ich hatte für meine Sendung Leute befragt, die natürlich alle entsetzt waren. Und ich fragte einen jungen Mann ob er denn Lust habe zu spitzeln. Ob er gerne Leute verfolgen mag. Der hatte so lange Haare und einen Ohrring. Und er antwortete: Ja, könnte ich mir vorstellen. Dann habe ich ihm empfohlen, bei der Amadeu Stiftung anzuheuern, weil sie zu dem Zeitpunkt Leute suchten.
Das hast du 2015 im ZDF in der Sendung „Hallo Deutschland“ gesagt?
Es wurde noch zensiert vom ZDF. Denn ich hatte die Kahane-Stiftung eine neue „Spitzelorganisation der Bundesregierung“ genannt. Das wurde gestrichen, das könnte ich nicht sagen, das wäre zu gefährlich. Es sei keine Spitzelorganisation der Bundesregierung.
Dann nahm alles seinen Lauf: Als nächstes brach eine Medienkampagne über mich herein, ich glaube, initiiert von der „Zeit“. Und da ist die ganze Presse eingestiegen mit der Empörung, dass diese wunderbare Kahane Stiftung von einem rechtslastigen Satiriker verunglimpft wurde. Was sich das ZDF da leiste und sich die Amadeu Antonio Stiftung alles bieten lassen müsse, wurde gefragt. Und dann sind sie gegen mich vorgegangen. Das war für mich sehr stressig. Da habe ich viel Ärger bekommen.
Interessant, dass du die „Zeit“ erwähnst. Die „Zeit“ hat eine enge Zusammenarbeit mit der Amadeu Antonio Stiftung, ein gewichtiges Projekt sogar …
Die „Zeit“ schrieb einen harten Artikel, sodass Don Alphonso sich bemüßigt fühlte, mich zu verteidigen. Also es gab von Ralf Meyer (Don Alphonso) und von einem anderen populären Journalisten Verteidigungsartikel für mich, weil sie gesagt haben: Das kann ja wohl alles nicht wahr sein. Der junge Mann macht zwei Scherze und wird dann gejagt von der „Zeit“.
Aber auch das wurde bestraft: Der Wikipedia-Auftritt von Amadeu Antonio Stiftung hat Don Alphonso und auch Achim Winter explizit negativ gebrandmarkt. Wahrscheinlich schreiben die „Zeit“-Autoren nach Feierabend auch Wikipedia-Artikel. Jedenfalls tummeln sich dort sehr viele Journalisten …
Im Artikel über die Amadeu Stiftung?
Genau. Da steht auch Don Alphonso. Und da steht unter anderem über Dich, Du hättest es gewagt zu erwähnen, dass Frau Kahane eine Stasi-IM-Mitarbeiterin war. Und weil das offensichtlich alleine nicht ausreicht für eine Diffamierung, hat man dir noch antimuslimische Kommentare auf Twitter zugeschrieben. Um Gotteswillen Achim, was ist denn da passiert?
Keine Ahnung! Das ZDF hat auch ein bisschen recherchiert. Und hat mir vorgelegt, ich hätte drei Jahre zurück einen Tweet retweetet von einem Mann, der sich in seinem Profil den Tod von Angela Merkel wünschte.
Also man muss sich das vorstellen, Man retweetet einen witzigen Spruch, und dann schaut man sich natürlich niemals das Profil des Twitterers an. Aber das ZDF hat mir besagtes Profil extra ausgedruckt und gemeint, ich hätte einen Angela-Merkel-Gegner retweetet. Ich habe witzige Sprüche retweetet unter Klarnamen und jetzt wurde recherchiert, was ich schon alles geschrieben, geteilt oder gelikt hatte auf Twitter. Und diese antimuslimischen Dingsda waren wahrscheinlich migrationskritische Anmerkungen.
Andreas Zick war damals auch eine bekannte Figur in der linksradikalen Aktivistenszene – jedenfalls eine Art Spindoktor der Radikalen. Ich glaube, der war auch im Vorstand oder Stiftungsrat der Amadeu Stiftung. Zick ist Professor an der Uni Bielefeld. Und er ist einer der Erfinder dieses Totschlagarguments „gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit“. Er trat immer wieder mit Mitte-Diffamierungsstudien in Erscheinung, die selbst noch von Linken wie Sigmar Gabriel harsch kritisiert wurden, weil es einfach to much und deutlich drüber war. Besagter Zick hatte sich damals beim ZDF beschwert und um Löschung Deines Beitrags gebeten, aber das ZDF hat sich dahinter gestellt und nicht gelöscht?
Das ZDF hat war natürlich berechtigterweise perplex, dass so eine harmlose Geschichte so einen Wind macht. Der Chefredakteur war völlig überrascht. Er wusste gar nicht, was ich mache in dieser „unwichtigen“ Boulevardsendung „Hallo Deutschland“ im Nachmittagsprogramm. Das ZDF wollte sich aber von der Amadeu Stiftung nicht vorführen und verbieten lassen, was ihre Leute da im Programm erzählen. Das ZDF hat sich dann hinter mich gestellt …
Und das hat wie lange gehalten? Denn du bist ja nicht mehr beim ZDF …
Das hat nicht mehr lange gehalten. Es gab im ZDF natürlich Feinde, die das genauso sehen wie die Amadeu Stiftung, also Freunde der Stiftung. Soweit ich weiß, gibt es auch Leute im ZDF, die der Amadeu Stiftung nahestehen. Und die müssen auf Geheiß ihrer Freunde aktiv Recherche gegen mich betrieben haben. Ich habe diese Rubrik dann noch ein Jahr gemacht und bin dann krank geworden. Mutmaßlich auch deshalb. Als ich im Krankenhaus war, war diese Rubrik nicht mehr zu sehen und sie wurde nicht wieder aufgenommen.
Ein Hauptzweck der Amadeu Stiftung ist die Bekämpfung von Antisemitismus. Jetzt haben sie nach dem 7. Oktober 2023 ein Problem, denn der neue Antisemitismus ist so schwer der Rubrik Rechtsextrem zuzuordnen. Und die Broschüren sind dann auch entsprechend dünn …
Genau. Wenn der Herr Zick mit den Mitte-Studien jeden halbwegs Nichtlinken als Rechtsextremen markiert, dann muss man sich nicht wundern, was passiert.
In Ermangelung von wirklich relevanten antisemitischen Rechtsextremisten hat man – als das Geschäftsmodell wegzubrechen drohte – dafür gesorgt, dass die so genannte Mitte der Gesellschaft als latent antisemitisch gilt …
Ich kann da nur Herrn Friedman zitieren, der irgendwo gesagt haben soll, dass die Muslime die neuen Juden seien. Das heißt also, es wird hier alles schön in einen Topf gerührt. Muslime, Einwanderer und Juden sind quasi die Gruppe, die gegen die deutsche Mitte verteidigt werden muss.
Wichtig noch zu erwähnen, wie das alles finanziert wird. Da gibt es das hunderte von Millionen schwere Projekt „Demokratie leben!“ aus dem Familienministerium, ins Leben gerufen während der Kanzlerschaft Merkel. Die Kahane Stiftung ist einer der großen Profiteure, die dort Millionen von Euro absahnt – ein großer Teil für Personalkosten – und die mittlerweile so viel Geld bekommen, dass sie wiederum selbst zu einer Verteilstelle für andere Projekte geworden sind, die dann nicht mehr vom Familienministerium genehmigt werden müssen, so meint man, die politische Verantwortung umgehen zu können. Die Verknüpfung: Regierung, Kahane Stiftung, Vorfeld. Eine gelenkte Zivilgesellschaft, die da gebaut wird. Was für eine Zivilgesellschaft haben wir eigentlich im Moment?
Das frage ich mich auch. Was will die Kahane Stiftung? Welche Form der Gesellschaft will der Herr Zick? Was wollen die Unternehmer, die in einer Art Persilschein-Begeisterung sagen: Das kann alles nicht schaden?
Die Politik geht in eine bestimmte Richtung, nämlich in so eine Art öko-sozialistische, menschliche Zivilgesellschaft, die auch gefördert zu werden verdient, weil es ja so gut ist. Und dann möchten sich diese Unternehmer anscheinend einschleimen bei der Politik und spenden vorauseilend Gelder an Institutionen, die sich dann linksradikal verselbstständigen.
Wenn man sich durchliest, mit wem die Stiftung mittlerweile zusammenarbeitet, dann ist das ein kompliziertes Organigramm wie man es aus Krimis kennt, wo die Mafiastrukturen mit roten Fäden von Foto zu Foto an der Wand nachgestellt werden. Wenn man da ein Bild an die Wand malen würde und kleine Fädchen ziehen. Und wer da alles mittut von Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Aktion Sühnezeichen bis zum Frauenbüro und der Bundeszentrale für politische Bildung. Das ist, was man sich als Zivilgesellschaft wünscht. In dieser Darstellung sind Du und ich als kritische Journalisten offensichtlich nicht mehr Teil der Zivilgesellschaft, obwohl wir doch mit dem, was wir tun, prädestiniert wären, so eine moderne Zivilgesellschaft zu repräsentieren …
Mir macht es ganz große Angst. Ich sehe das wie ein Schwamm oder wie ein Krake. Die halbe Bevölkerung findet ihr Auskommen im Kampf gegen Rechts. Wir sind konfrontiert mit ganz vielen Leuten, die hauptberuflich Rechtsradikale erfinden, um ihr Auskommen zu haben.
Das beängstigt mich sehr. Mich erinnert das sehr an die Stasi in der DDR. Nach dem Motto: Die Bevölkerung beobachtet die anderen und verdient damit ihr Geld und drangsaliert die. Dummerweise sind wir beide ja kein Teil dieses Schwammes. Ich habe da ein bisschen Angst in der Zukunft, was da mit uns, unserer Freiheit und unserem Wohlbefinden passieren wird.
Da gab es doch dieses Buch bzw. den Film „Die Welle“, wo Schüler in einem verdeckten Experiment zu Faschisten wurden. Zum Schluss hatten die so eine Art Hitlerregime dort am Start. Daran muss ich bisweilen mit Blick auf die aktuelle Zivilgesellschaft denken. Das entwickelt sich gerade in eine ähnliche Richtung: Vorgeben, das Gute zu wollen, und darüber zu Faschisten werden …
Tatsächlich: Es formt sich ein autoritäres Gesellschaftssystem zur Verhinderung eines autoritären Gesellschaftssystems.
Wichtig: Kontrafunk Was ist aktuell am Start? Wie läuft das Projekt? Was kannst Du dazu noch erzählen, was für die Leser, für die Zuschauer wichtig ist?
Was mich angeht: Ich bin sehr erfolgreich mit meinem Videobeitrag für Kontrafunk „Winters Woche“. Das läuft auch auf YouTube, das expandiert permanent. Und da halten wir natürlich auch gegen solche Inhalte, die die Amadeo Stiftung gerne hätte. Aber noch besser: Kontrafunk ist zu einem Fulltime-Radio geworden. Kontrafunk ist die Stimme der Vernunft. Es wäre unvernünftig, hier nicht auf Empfang zu schalten. Ich sage es bewusst werblich: Schalten Sie ein! Zuhause, bei der Arbeit und immer auch unterwegs.
Danke für das Gespräch!
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Author:
Alexander Wallasch