Braunschweiger erinnern sich vielleicht noch an einen Vorfall im Norden der Stadt, Nähe Flughafen, als Hunderte Polizisten und Feuerwehrleute den nahen Wald durchkämmten, Pferdestaffeln ausgeschickt wurden und Hubschrauber kreisten, weil ein aufgeregter Imbissbesitzer gemeldet hatte, am Himmel sei ein Flugzeug in Brand geraten und in den nahen Forst abgestürzt. Später entpuppte sich der Vorfall als Papierballon, der mit einem spiritusgetränkten, brennenden Wattebausch Höhe gewonnen hatte, der ihm dann in windiger Höhe zum Verhängnis wurde.
Behalten Sie das bitte im Hinterkopf bei der folgenden Analyse eines Vorfalls am – oder präziser: über – dem Münchner Flughafen. Die Medienberichte überschlagen sich, der Tenor ähnelt sich: Es ist soweit, der Russe ist da!
Und nicht etwa irgendwo im Osten Deutschlands, wo er eine lange Zeit zu Hause war, sondern mitten im westdeutschen Kernland, in der bayerischen Hauptstadt, wo gerade das Oktoberfest gefeiert wird.
Der Münchner Flughafen fasste am heutigen Morgen in einer Pressemitteilung zusammen, was gestern geschah. Am späten Abend des 2. Oktober hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) aufgrund von mehreren Drohnensichtungen den Flugbetrieb am Flughafen München ab 22:18 Uhr eingeschränkt und später eingestellt. 17 Abendflüge mussten abgesagt werden. Knapp 3.000 Passagiere waren davon betroffen. Weitere Flüge wurden umgeleitet.
Der Flughafen informiert:
„Bei einer Drohnensichtung hat die Sicherheit der Reisenden oberste Priorität. Meldeketten zwischen Flugsicherung, Flughafen und Polizeibehörden sind seit Jahren etabliert. Wichtig ist zu betonen, dass die Detektion und Abwehr von Drohnen hoheitliche Aufgaben sind und in der Verantwortung von Bundes- und Landespolizei liegen.“
Etwa der „Spiegel“ titelte heute im Morgengrauen: „Münchner Flughafen wegen Drohnensichtungen zwischenzeitlich gesperrt“. Berichtet wird von einer Drohnensichtung über dem Flughafen. Der Fingerzeig Richtung Moskau erfolgt im weiteren Verlauf des Artikels, andere ebenfalls regierungsnahe Zeitungen reagieren ähnlich. Das Hamburger Magazin spekuliert:
„Der Vorfall fällt in eine angespannte Phase: Ende September hatten mehrere Drohnen Schleswig-Holstein überflogen. Die Hintergründe der Sichtungen in Norddeutschland sind brisant.“
In diesem Kontext sind weitere Meldungen interessant. „n-tv“ titelte gestern: „Gefahr durch Russland – Pistorius will Bundeswehr stärker in Verteidigung gegen Drohnen einbinden“. Hier geht es um zweierlei: Zum einen sollen größere Summen in einen „Drohnenwall“ investiert werden. Und zum anderen geht es um ein heißes Eisen, das womöglich einer Änderung des Grundgesetzes bedarf.
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Dazu bemerkte Verteidigungsminister Pistorius (SPD) in Berlin bei einem Pressetermin mit seinem Schweizer Kollegen: „Ich glaube auch, dass es Sinn macht, die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe wohl gemerkt da noch mehr ins Boot zu holen.“
Oder noch einmal anders ausgedrückt: Die Drohnensichtung am Münchner Flughafen, flankiert von alarmistischen Pressemeldungen der Altmedien, ist den Vorhaben der Bundesregierung gegenüber durchaus förderlich.
Die nüchternen Fakten sprechen allerdings eine weniger aufgeregte Sprache. Danach meldete die Deutsche Flugsicherung bereits 144 Drohnen-bezogene Zwischenfälle bis Ende August. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres sollen es 113, im Jahr 2023 lediglich 99 gewesen sein. Kommt der Russe immer näher? Oder wird der Hobby-Drohnenflug nur immer beliebter und das ferngesteuerte Spielzeug immer preiswerter?
Etwa „Business Insider“ schreibt dazu: „Überwiegend dürften Hobby-Drohnenpiloten verantwortlich sein.“
Jetzt weiß jeder Fußballfan, der ins Stadion geht, dass auch die Polizei mittlerweile regelmäßig Drohnen zur Überwachung einsetzt. Auch dieser Einsatz kann zu Fehlmeldungen führen, wenn Passanten besonders in den Abendstunden Lichtpunkte am Himmel sehen, wo sonst keine zu sehen waren.
Und das Hobby ist inflationär geworden. Auch die Stadt Hamburg hat einen umfassenden Regelungskatalog zur Luftverkehrssicherheit von Drohnen aufgelegt. Der „Stern“ hatte zuletzt auf eine weitere Bedrohung für den Flugverkehr hingewiesen, bei der es noch schwerer fallen dürfte, in Richtung Moskau zu zeigen. Die Schlagzeile der Zeitung lautete: „Drachen steigen lassen: So hebt Ihr Flugobjekt schnell und sicher ab“.
Und die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ berichtete im Herbst 2024: „Vorsicht beim Drachensteigen: Bis zu 50.000 Euro Strafe“. Hier wird auch ein Sprecher der Landesregierung mit folgenden Worten zitiert:
„In einer Entfernung von weniger als 1,5 Kilometern von der Begrenzung von Flugplätzen besteht ein grundsätzliches Verbot des Steigenlassens von Drachen.“
Russland hat übrigens längst eine klare Regelung, was Hobby-Drohnenflieger angeht. Eine Fachzeitschrift fasst unter anderem zusammen:
„Mindestabstand zu Flughäfen: Es muss ein Abstand von mindestens 15 Kilometern zu Start- und Landebahnen eingehalten werden. Überflugverbote: Das Überfliegen von Menschenmengen, Stadien, dem Moskauer Kreml, dem Roten Platz sowie von Gebäuden ist untersagt.“
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Author:
Alexander Wallasch