Es ist der Albtraum jedes Linken – und eine Realität, die viele Konservative noch gar nicht begriffen haben: Die AfD punktet nicht nur bei Biodeutschen, die die Nase voll haben vom rot-grünen Polit-Theater – sondern auch zunehmend bei Migranten. Genauer gesagt: bei den „alten Migranten“. Jenen, die seit Jahrzehnten hier leben, sich abgerackert und integriert haben, deutsch geworden sind – und jetzt zusehen müssen, wie all das entwertet wird.
Immer mehr Einwanderer der ersten oder zweiten Generation wählen AfD. Und zwar nicht trotz, sondern gerade wegen deren migrationskritischer Positionen. In Duisburg, wo besonders viele Einwanderer leben, wurde die AfD bei den jüngsten Integrationsratswahlen zweitstärkste Kraft – in Hagen sogar erste. Besonders stark fällt der Zuspruch – laut einer neuen Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung, für die mehr als 1.100 Menschen mit Migrationshintergrund befragt wurden – unter Menschen mit polnischem Hintergrund aus – mit einem AfD-Anteil von 33 Prozent. Unter allen Spätaussiedlern, also ethnischen Deutschen etwa aus Russland, Polen oder Ex-Jugoslawien, erreicht die AfD sogar 31 Prozent – und ist damit stärkste Kraft. Bei russlandstämmigen Befragten insgesamt – also unabhängig davon, ob sie als Spätaussiedler gelten oder nicht – liegt der Wert hingegen bei nur 14 Prozent. Auch Spätaussiedler aus Ex-Jugoslawien zeigen mit 26 Prozent eine deutlich überdurchschnittliche Zustimmung.
Bemerkenswert dabei: Noch 2019 lag der AfD-Wert bei russischstämmigen deutschen Staatsbürgern laut KAS bei rund 20 Prozent – also deutlich über dem Durchschnitt. Dass der Wert heute bei nur noch 14 Prozent liegen soll, wirft Fragen auf. Unklar bleibt, ob Spätaussiedler in dieser Kategorie überhaupt enthalten sind – da sie formell als ethnische Deutsche gelten und deshalb in der Statistik nicht unbedingt als ‘russlandstämmig’ geführt werden. Der Rückgang könnte also eine methodische Verzerrung sein – oder ein Effekt der kleinen Fallzahl: Nur 111 russlandstämmige Befragte nannten überhaupt eine Wahlabsicht.
Möglich ist aber auch eine politische Erklärung: Vielleicht lehnen deutlich mehr russischstämmige Migranten Putins Regime ab, als es die Wahrnehmung in sozialen Medien vermuten lässt. Gerade weil viele von ihnen aus eigener Erfahrung wissen, wie autoritäre Systeme funktionieren – und weil nicht wenige gezielt vor dem russischen Machtapparat geflohen sind. Für sie wirkt die demonstrative Russland-Nähe der AfD womöglich eher abschreckend. Wer sich mühsam in Deutschland integriert hat, sucht nicht den Schulterschluss mit dem System, dem er einst entkommen ist.
Klar ist nur: Die AfD wird bei eingebürgerten Zuwanderern ethnisch deutscher Herkunft – also Spätaussiedlern – überdurchschnittlich stark gewählt. Der Hauptgrund dürfte bei ihnen – aber auch bei den anderen Zuwanderern mit AfD-Sympathie – sein: Wer sich einst mühsam integrieren musste, fühlt sich heute oft verraten, wenn die Politik Zugehörigkeit als bloße Formalität behandelt.
Was auf den ersten Blick paradox klingt – Sympathien für eine migrationskritische Partei bei Migranten – ergibt auf den zweiten Blick eine beklemmende Logik. Welt-Redakteurin Fatina Keilani beschreibt es so: Viele der Einwanderer aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien oder der ehemaligen Sowjetunion haben sich ihre Existenz in Deutschland hart erkämpft. Sie mussten Jahrzehnte warten, um überhaupt eingebürgert zu werden. Mussten ihre ursprüngliche Staatsbürgerschaft abgeben. Haben sich in einer Gesellschaft behauptet, die sich selbst nicht als Einwanderungsland verstand – und in der das „Blutrecht“ („ius sanguinis“), also das Abstammungsprinzip, galt. Wer nicht von Deutschen abstammte, war kein Deutscher. Punkt.
Dann kam das Jahr 2000 – und mit ihm ein historischer Einschnitt durch die damalige rot-grüne Koalition: Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht wurde erstmals grundlegend reformiert. Erstmals war nicht mehr allein das „Blutrecht“ entscheidend, sondern auch der Geburtsort. Kinder ausländischer Eltern konnten unter bestimmten Bedingungen Deutsche werden – ein Recht, das der ersten Migrantengeneration noch verwehrt war. Sie mussten Jahrzehnte warten, ihre alte Staatsbürgerschaft aufgeben, sich durch Bürokratie kämpfen – nur um irgendwann vielleicht dazugehören zu dürfen.
Im Jahr 2024 folgte dann durch die nächste rot-grüne Regierung die nächste Reform – diesmal mit dem Vorschlaghammer. Die Einbürgerung ist nun bereits nach drei Jahren möglich, bei besonderer Integrationsleistung. Die doppelte Staatsbürgerschaft wurde zum Regelfall. Selbst Personen mit kaum verwurzelter Bindung an Deutschland können heute auf dem Schnellweg eingebürgert werden.
Es ist mehr als nur ein Gefühl von Ungleichbehandlung. Es ist ein tiefer Vertrauensverlust. Keilani sagt: „Ich glaube, die wollen einfach nur ihr gutes altes Deutschland zurück.“ Nicht aus Hass, sondern aus Enttäuschung. Nicht, weil sie nie angekommen wären – sondern gerade weil sie angekommen sind. Und nun mitansehen müssen, wie der soziale Kitt, der sie einst aufgenommen hat, langsam bröckelt.
Kein Wunder also, dass bei denen, die früher durch jedes bürokratische Nadelöhr kriechen mussten, der Eindruck entsteht: Wir haben uns alles erarbeitet – und jetzt wird es verschenkt. Auffällig dabei: Die höchste Zustimmung zur AfD kommt nicht von den Türkischstämmigen – wobei sie auch da mit 8 % nicht zu unterschätzen ist – sondern von Gruppen, die sich Deutschland kulturell näher fühlen: Polen, Russlanddeutsche, Balkan-Flüchtlinge.
Der Politologe Werner Patzelt erklärt das im „Welt“-Interview wie folgt: Menschen aus Polen oder Russland teilen mehr kulturelle Grundannahmen mit Deutschland. Ihnen liegt ein funktionierender, sicherer Staat am Herzen – gerade weil sie oft aus Systemen kamen, in denen genau das fehlte. Wenn sie sehen, wie in Deutschland staatliches Handeln zerbröselt, reagieren sie allergisch. Und sie wählen die Partei, die verspricht, wieder Ordnung zu schaffen.
Auch persönliche Erfahrungen bestätigen diesen Trend. In meinem eigenen Umfeld, vor allem in Berlin, kenne ich viele Menschen mit ukrainisch-russischem Hintergrund, die längst eingebürgert sind – und heute AfD wählen. Teils aus Protest, teils aus Überzeugung. Weil sie spüren, dass die politische Klasse auf sie herabblickt. Weil sie das Gefühl haben, dass ihre Stimme bei keiner anderen Partei wirklich zählt. Und vor allem: Weil sie aus allen Ritzen den Sozialismus kriechen sehen – und für diesen Geruch ein besonders feines Gespür haben. Eine Art Immunisierung durch Erfahrung.
Der AfD-Trend bei Migranten ist kein Betriebsunfall – er ist die Folge einer Politik, die das eigene Land vergessen hat. Wer Integration gar nicht mehr verlangt, entwertet damit Zugehörigkeit. Wer Einbürgerung erleichtert und Loyalität zur Nebensache erklärt, der darf sich nicht wundern, wenn diejenigen, die sich einst anstrengen mussten, um dazuzugehören, heute verbittern, wenn sie sehen, wie andere den deutschen Pass fast schon nachgeworfen bekommen. Wie so vieles an dem, was sie an Deutschland so sehr schätzten, verloren geht – und das Land in vielem dem immer ähnlicher wird, wovor viele von ihnen einst aus ihren Ländern geflohen sind. Sie wählen die AfD nicht, weil sie fremd sind – sondern weil sie sich hier längst zu Hause fühlen. Und genau das jetzt bedroht sehen. Und weil die Tabuisierung der AfD mit den üblichen Beißreflexen bei ihnen nicht so reflexartig verfängt wie bei den meisten Biodeutschen.
Es ist bitter, ja tragisch: Die, die einst kamen, um Teil des Landes zu werden, müssen jetzt erleben, wie das Land mit all dem, was sie einst anzog, sich selbst abschafft. Kein Wunder, dass viele von ihnen ausgerechnet die Partei wählen, die verspricht, das aufzuhalten.
Sie tun das, wofür viele ihnen am liebsten das Wahlrecht wieder aberkennen würden: Sie erinnern uns daran, wie Deutschland einmal war – und wie achtlos wir es verramscht haben..
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