Ein Gastbeitrag von Bodo Neumann
Krisenzeiten haben das Potenzial, tiefgreifende Fragen aufzuwerfen. In den letzten Jahren wurden Gesellschaften weltweit mit sich überlagernden Herausforderungen konfrontiert: Klimahysterie, Pseudo- Pandemien, wirtschaftliche Unsicherheit, Kriege, Polarisierung in der Öffentlichkeit, technologische Überforderung durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Viele Menschen erleben einen Verlust an Vertrauen in Institutionen, Systeme, Zukunftsvisionen und manchmal auch in sich selbst.
Diese Phase der „Polykrise“ betrifft nicht nur das politische und wirtschaftliche Gefüge, sondern auch die individuelle Psyche. Ängste, Erschöpfung, innere Unruhe und Sinnverlust nehmen zu. Gleichzeitig wächst das Interesse an ganzheitlichen Zugängen zur Heilung und Entwicklung, an der Suche nach tieferem Sinn, nach innerer Stabilität und einer spirituellen Dimension des Daseins.
In meinen Artikeln „Der Kampf um unsere Köpfe – Kognitive Kriegsführung und die Manipulation der Massen“ sowie „Folie à deux – Wenn der Wahnsinn kollektiv wird“ hier bei „Reitschuster“ publiziert, habe ich aufgezeigt wie Angst und Hilflosigkeit die individuelle Widerstandskraft schwächen und durch ständige Krisenmeldungen und Mehrdeutigkeiten wir psychisch überlastet werden.
An dieser Stelle setzt die geistig-spirituelle Psychologie an. Sie öffnet einen Raum, der über die konventionelle Psychologie hinausgeht. Sie integriert die Tiefe der Seele, die Weisheit spiritueller Traditionen und moderne psychologische Erkenntnisse, um Menschen in ihrer ganzheitlichen Entwicklung zu unterstützen.
Die folgenden Ausführungen sollen einen ersten Überblick zur geistig- spirituellen Psychologie aufzeigen und als Impuls dienen, für eine intensivere Auseinandersetzung mit einem anderen Zugang zur Krisenbewältigung. Denn Menschen, die sich mit ihren inneren Mustern auseinandersetzen, reagieren weniger impulsiv auf äußere Belastungen. Das schafft langfristige Bewältigungsstrategien und stärkt das Selbstvertrauen im Umgang mit aktuellen und zukünftigen Krisen.
Was ist geistig-spirituelle Psychologie?
Die geistig-spirituelle Psychologie vereint klassische psychologische Ansätze mit spirituellen Einsichten über das menschliche Dasein. Sie geht davon aus, dass der Mensch nicht nur aus Körper, Denken und Emotion besteht, sondern auch aus einem seelisch-geistigen Kern, dem Selbst, dem inneren Wesenskern, der mit einer größeren Ordnung verbunden ist.
Wichtige Strömungen innerhalb dieser Disziplin sind u. a. die transpersonale Psychologie, humanistische Psychologie (z. B. Viktor Frankl), die Archetypenlehre C. G. Jungs, integrale Psychologie (Ken Wilber) und moderne Bewusstseinsforschung. Sie alle erkennen: Tiefe Heilung und Entwicklung geschehen nicht allein durch Analyse, sondern durch Sinn, Bewusstwerdung, Integration und Verbindung mit einer tieferen inneren Quelle.
Im Gegensatz zur klassischen Psychologie, die oft auf Verhalten, Emotionen und Kognition fokussiert ist, richtet die geistig-spirituelle Psychologie ihr Augenmerk auf das Selbst, auf Bewusstsein und auf die seelische Entwicklung. Sie fragt nach Sinn, nach dem inneren Wachstum, nach den spirituellen Krisen und Wandlungsphasen im Leben und nach der Möglichkeit, durch diese Erfahrungen ein tieferes, authentischeres Leben zu führen.
Zentrale Konzepte geistig-spiritueller Psychologie
Das Selbst und das Ego
Das Ego ist die alltägliche Persönlichkeit, geprägt durch Erziehung, Kultur und individuelle Geschichte. Es ist notwendig, aber begrenzt. Das Selbst ist der tieferliegende, unveränderliche Kern, verbunden mit Bewusstsein, Liebe, Kreativität und Weisheit. Krisen entstehen oft, wenn das Ego die Kontrolle verliert, damit Raum für das Selbst entstehen kann.
Die Seele als Entwicklungskraft
Die Seele ist Trägerin von Tiefe, Intuition und Sinn. Sie strebt nach Ganzheit und Wahrheit. Oft zeigt sie sich über Träume, Intuition, plötzliche Erkenntnisse oder existentielle Erschütterungen. Spirituelle Psychologie sieht die Seele nicht als religiöses Konzept, sondern als lebendige Erfahrungsdimension.
Bewusstseinsebenen
Der Mensch durchläuft verschiedene Ebenen des Bewusstseins: von egozentriert über mitfühlend bis hin zu transpersonal und integrativ. Jede Ebene bringt eine neue Sicht auf das Leben, von Ich-zentrierter Angst hin zu Weltverbundenheit und innerem Frieden.
Krise als Transformationschance
Innere Krisen wie z. B. Burnout, Krankheit, Verlust und auch gesellschaftliche Krisen sind oft Wegweiser auf dem seelischen Pfad. Sie deuten darauf hin, dass das Leben aus der Balance geraten ist oder dass eine alte Identität losgelassen werden will, um Raum für das Neue zu schaffen.
Die Krise der Identität: Wer bin ich in einer zerfallenden Welt?
Ein zentrales Thema in Umbruchzeiten ist die Identitätsfrage. Viele Lebensmodelle, die über Jahrzehnte Stabilität gaben, beruflicher Aufstieg, Konsum, Individualismus, technologische Kontrolle verlieren an Tragkraft. Die äußere Welt scheint sich schneller zu verändern, als das eigene Selbstbild mithalten kann. Die Frage „Wer bin ich wirklich?“ wird existenziell.
Hier beginnt die Arbeit der geistig-spirituellen Psychologie: Sie lädt ein, den Menschen nicht nur als Reiz-Reaktions-System zu sehen, sondern als vielschichtiges Wesen mit körperlicher, emotionaler, mentaler und seelischer Dimension. Der Blick wird auf das gerichtet, was jenseits von Rollen, Überzeugungen und äußeren Erfolgen liegt, auf das „Selbst“ im tiefsten Sinne.
Innere Arbeit in Zeiten äußerer Unsicherheit
In einer Welt, die immer komplexer und widersprüchlicher erscheint, suchen viele Menschen nicht mehr nur nach kurzfristiger Stabilisierung, sondern nach tiefer Wandlung. Die geistig-spirituelle Psychologie sieht innere Arbeit als essenziell: Sie lädt ein zur bewussten Auseinandersetzung mit Mustern, Wunden, Illusionen und auch mit dem eigenen Licht.
Inneres Wachstum beginnt mit der Bereitschaft, nach innen zu schauen. Dazu gehört, sich selbst ehrlich zu begegnen, den Ängsten, der Wut, der Hilflosigkeit, aber auch den verborgenen Sehnsüchten. Die Frage lautet nicht mehr „Wie funktioniere ich besser?“, sondern: „Wer bin ich wirklich?“ und „Was will durch mich ins Leben kommen?“
Beispiel einer geistig-spirituellen Psychologie
Eine psychologische Theorie und Therapie, die die geistig- spirituelle Dimension mit umfasst und vor Indoktrination schützen kann, ist die von dem renommierten Psychiater und Neurologen Viktor E. Frankl („Der Wille zum Sinn“ ,1996) begründete Logotherapie. Sie beinhaltet u. a. das Konzept der „Dimensionalontologie“. Darin beschreibt er das menschliche Sein dreidimensional: auf somatischer (biologisch- physiologische Körperfunktionen), psychischer (Kognitionen und Emotionen) und geistiger Ebene (potentielle Willensfreiheit und Verantwortlichkeit). Die geistige Ebene (Nous=Geist) auch „noetische Dimension“ genannt, die nichts mit Intelligenz und Verstand zu tun hat, ist die eigentlich menschliche, die „spezifisch humane Dimension“, denn Gefühl und Verstand gibt es bis zu einem gewissen Grad auch bei Tieren.
Will man das eigentliche Menschsein ergründen, muss man in die geistige Dimension vorstoßen, in der Frankl Phänomene wie unsere potentielle Willensfreiheit und Verantwortlichkeit, unser ethisches und künstlerisches Gespür, oder unsere Suche nach Sinn und Sehnsucht nach einem Letztsinn lokalisiert hat. Diese Phänomene übersteigen den tierischen Horizont, wie auch in aktueller Betrachtung, den Horizont der KI (Künstliche Intelligenz) und deren Anwendung für Computer und Roboter, mit der auch unsere geistige Dimension angegriffen wird.
Menschsein bedeutet daher, eine Instanz in sich zu haben, die den Ruf des „Nous“ vernimmt, aber auch die Entscheidungsmacht zu besitzen, diesen Ruf zu ignorieren oder ihm zum Leitmotiv zu erklären. Diesen geistig- spirituellen Kern- die noetische Dimension- gilt es nach Frankl zu schützen, zu verteidigen und zu bewahren.
Praktische Bedeutung in der heutigen Zeit
Inmitten gesellschaftlicher Umbrüche wird deutlich: Technologische und politische Lösungen allein reichen nicht. Es braucht eine innere Wandlung, eine seelische Vertiefung und spirituelle Verankerung. Die geistig-spirituelle Psychologie bietet dafür ein tragfähiges Fundament. Sie erinnert uns daran, dass jede Krise auch ein Weckruf ist für mehr Bewusstheit, Menschlichkeit und eine Rückverbindung mit dem Wesentlichen.
Geistig-spirituelle Psychologie kann ein tiefes Gegengewicht zur heutigen Beschleunigung, Fragmentierung und Orientierungslosigkeit bieten. Sie lehrt:
- Innere Stabilität inmitten äußerer Unsicherheit
- Bewusste Lebensführung statt automatisiertes Funktionieren
- Verbundenheit mit sich selbst, anderen Menschen und dem Leben
- Selbstverantwortung statt Opferhaltung
- Wachstum durch äußere Krisen und Sinnkrisen, nicht trotz ihnen
Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche hilft sie, nicht nur zu überleben, sondern innerlich zu reifen. Reife Spiritualität bedeutet nicht Perfektion, sondern Präsenz. Sie zeigt sich nicht in besonderen Fähigkeiten, sondern in gelebtem Mitgefühl, in Authentizität, in einer offenen Haltung gegenüber sich selbst und anderen. Der Mensch, der sich spirituell entwickelt, wird nicht unfehlbar aber immer mehr fähig, mit Unsicherheit, Wandel und Komplexität in Würde zu leben.
Fazit- Zukunft gestalten aus innerer Führung
Was heute gebraucht wird, sind Menschen, die sich mit ihrem inneren Kompass verbinden, die sich nicht mehr ausschließlich an äußeren Systemen orientieren, sondern an ihrer inneren Wahrheit. Das bedeutet nicht Rückzug aus der Welt, sondern eine neue Art der Teilhabe: aus dem Bewusstsein heraus, dass jeder Gedanke, jede Entscheidung, jede Haltung Teil eines größeren Resonanzfeldes ist.
Spirituell reife Menschen sind nicht unbedingt lauter, aber sie handeln klarer. Sie dienen nicht der Angst, sondern der Liebe. Sie suchen nicht Kontrolle, sondern Vertrauen. Sie wirken nicht aus Mangel, sondern aus Fülle. Ihre größte Kraft ist nicht Wissen, sondern Präsenz.
Geistig-spirituelle Psychologie ist mehr als ein therapeutisches Konzept, sie ist ein Bewusstseinsweg. Inmitten von Zerfall, Unsicherheit und Desorientierung erinnert sie uns an das Wesentliche: dass wir verbunden sind, dass jeder Mensch einen inneren Kern der Weisheit in sich trägt und dass jede Krise auch ein Tor zu Reifung und Sinn sein kann.
Die geistig-spirituelle Psychologie bietet in Zeiten des Umbruchs keine fertigen Antworten aber eine tiefe Einladung zur Bewusstwerdung. Sie ermutigt, hinter die Symptome zu blicken, in die Tiefe zu tauchen und aus dem inneren Zentrum heraus zu leben.
In diesem Sinne ist sie nicht nur eine Antwort auf persönliche Krisen, sondern auch auf die gesellschaftlichen Krisen und Fragen unserer Zeit. Sie zeigt: Wandel beginnt innen, aber er endet nicht dort.
Wenn wir die gegenwärtigen Umbrüche als Geburtswehen einer neuen Zeit verstehen, dann braucht es Menschen, die bereit sind, in sich selbst neue Räume zu öffnen. Die geistig-spirituelle Psychologie bietet hierfür keine fertigen Antworten, aber eine Richtung: nach innen, in die Tiefe, in die Präsenz.
Dort liegt vielleicht die wichtigste Ressource unserer Zeit: das wiederentdeckte Menschsein.
Bleiben wie wachsam!
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Bodo Neumann ist promovierter Diplompsychologe. Er verfügt über langjährige Beratungs- und Forschungserfahrungen, die er einsetzt für Menschen in Veränderungssituationen, die ihre Signatur-Stärken entfalten wollen und somit lernen, ihre Erfolgspotentiale zu erkennen und zu entwickeln. Sein neuestes Buch Charachtertest Corona finden Sie hier.
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