Er sucht Beifall an der falschen Stelle. Während die Kamera läuft und die Hauptstadt-Blase nickt, dreht sich das Land weg. Die frischen INSA-Zahlen liefern das harte Echo: In der Sonntagsfrage liegt die AfD vor der Union (26 zu 24,5 Prozent); im Politiker-Ranking fällt Merz auf Platz 18 – so unbeliebt wie kaum ein anderer Spitzenmann.
Der Kontrast, der diese Woche sichtbar wurde, ist brutal: Alice Weidel steigt auf Rang 10 ihres persönlichen Beliebtheits-Hochs, CSU-Chef Markus Söder hält Platz 3, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst liegt vor ihm – und der amtierende Kanzler rutscht ab. Parallel meldete „Bild“ bereits einen Negativ-Rekord: 62 Prozent Unzufriedenheit mit Merz. Das ist kein Ausrutscher, das ist Trend.
Die Tragik beginnt, wo Politik zur Casting-Show wird. Merz wirkt, als verwechselte er Publikum mit Jury – und die Jury mit den Journalisten, die über ihn schreiben. Er gibt den Verträglichen, den Zurechtgestutzten, den „vernünftigen“, rot-grün lackierten Konservativen, der niemanden verschrecken möchte mit wirklich konservativen, bürgerlichen Positionen. Er wirkt wie aus Windkanal, so als fresse er täglich Kreide. Wer so spielt, gewinnt die Studio-Applauslampe – und verliert draußen die Leute, die eigentlich zählen.
Wer vom Falschen gemocht werden will, wird vom Richtigen gemieden. Das Land ist müde von Schaufenster-Symbolik. Es will Klartext zu Migration, Energiepreisen, innerer Sicherheit. Stattdessen liefert Merz Interviews, Signale, kleine Kniefälle in Richtung derer, die ihn nie wählen und selten fair behandeln werden. Eine Strategie, die nur in den rot-grünen Redaktionen des Landes funktioniert – nicht in der Realität, die Wahlzettel schreibt.
Besonders Tragikomisch daran: Da mag Merz noch so brav Männchen machen vor den Gralshütern des rot-grünen Zeitgeists in Funk und Presse – sie werden ihn doch nie lieben, auch wenn er noch so sehr geliebt werden will von ihnen. Für sie wird er immer der böse „Rechte“ bleiben. Egal, wie tief er vor ihnen auf die Knie geht. Doch Merz glaubt offenbar ständig: Noch ein paar Zentimeter tiefer, dann werde ich endlich geliebt.
Er könnte es besser wissen. Die Mechanik ist simpel: Wer sich vom woken publizistischen Korridor seine Kanten raspeln lässt, verliert genau das, was Vertrauen erzeugt – Eigensinn. Wer hingegen erkennbar Position hält, darf anecken und gewinnt dennoch, weil er berechenbar bleibt. Man muss kein Trump sein, um zu verstehen, wie Gegenwind genutzt wird. Man muss nur aufhören, die Nase ständig nach dem Wind zu drehen.
Die Zahlen drücken das inzwischen aus wie eine Quittung. Schwarz-Rot hat keine stabile Mehrheit, Rot-Rot-Grün auch nicht; rechnerisch reicht ausgerechnet Schwarz-Blau – politisch tabu, arithmetisch Realität. Das sagt weniger über Koalitionen als über Stimmung: Die Union verliert in der Mitte, weil sie sich aus Angst vor Etiketten dort biegsam macht, wo Haltung im ursprünglichen, nicht rot-grün pervertierten Wortsinn gefragt wäre – Charakter, nicht Choreografie.
Es gäbe so viele Felder, auf denen sich Merz profilieren könnte: Er könnte dem Gesinnungsterror in Deutschland den Kampf ansagen, der politischen Ausrichtung der Justiz, dem Missbrauch des Verfassungsschutzes zur Bekämpfung von Andersdenkenden, der rot-grünen Meinungshegemonie in den öffentlich-rechtlichen Sendern, dem Ausschluss von AfD-Politikern von Wahlen, um nur wenige Beispiele zu nennen.
Er könnte, wie einst Helmut Kohl, eine konservative Wende einleiten. Er würde dafür geliebt werden – und der AfD viele Stimmen abnehmen.
Doch was tut er? Nicht nur nichts. Er macht sich zum Kuscheltier von Rot-Grün.
Ein psychologisches Phänomen. Von einem, der geliebt werden will – aber von den Falschen. Von denen, die ihn, im Regierungsflugzeug, in der Bundespressekonferenz, in Berlin-Mitte, von früh bis spät umgeben. Bei denen schmeichelt er sich ein, weil sein Horizont offenbar nur noch bis zu ihnen reicht – und verrät die Menschen draußen im Land.
Die falschen Freunde
Applaus aus dem Hauptstadt-Parkett ist teuer. Er verlangt Sprache, die niemanden kratzt, und Gesten, die nirgendwo anecken. Am Ende steht ein Kanzler, der in Talkshows stramm rot-grün gegelt klingt – und in Küchen, Werkstätten, Vereinsheimen wie ein Echo ohne Stimme rüberkommt. Wer so regiert, wirkt. Aber nicht dort, wo Wahlen entschieden werden.
Merz glaubt, er bekämpfe die AfD, in Wirklichkeit ist er ihr bester Wahlkämpfer. Er besiegelt ihr Monopol auf Deutlichkeit durch seine Sprachhemmung. Statt die Konflikte der Gegenwart klar zu rahmen, rahmt er sein eigenes Bild. So macht er seine stärkste Waffe stumpf: den legitimen Anspruch, bürgerliche Mehrheitspolitik gegen Ideologie-Politik zu setzen. Wer dafür gemocht werden will, verliert.
Die verpasste Chance
Ein Kanzler, der Druck aushält und für Prioritäten steht, wie einige seiner Vorgänger, könnte dieses Land zum besseren wenden, die Mehrheitsstimmung aufnehmen – ohne Parolen, aber mit Prioritäten: Grenzen sichern, Energie bezahlbar machen, Bürokratie brechen, Strafrecht durchsetzen, Meinungsfreiheit sichern, Politik-Justiz unterbinden. Nicht als Zitat-Futter, sondern als Agenda. Der Lohn wäre kein Presse-Frieden. Der Lohn wäre Respekt der Menschen. Aber eben nicht der Presse-Krieger, von denen der von früh bis spät umgebenen ist. Und die er offenbar fürchtet und beschwichtigen will wie ein braver Junge seine strenge Mama.
Am Ende bleibt eine Pointe ohne Lacher: Merz spielt um Sympathien im Studio, während sich die Mehrheit vor der Tür formiert. Wer drinnen gefällt, verliert draußen. Und draußen wird gezählt. Er wollte geliebt werden – und wird nun nur noch bedauert. Er machte aus Macht ein Casting – und aus sich selbst den Komparsen. Dieser Kanzler hätte zum Helden werden können. Stattdessen wurde er zur tragischen Figur.
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