Von Kai Rebmann
Am 9. November soll der Landesparteitag der AfD in Hechingen stattfinden, um dort die letzten Weichen für die Landtagswahl in Baden-Württemberg im Frühjahr 2026 zu stellen. Doch daraus wird womöglich nichts, jedenfalls dann nicht, wenn es nach der Mehrheit des Gemeinderats der 20.000-Einwohner-Stadt geht. Das Gremium fand sich am vergangenen Dienstag eigens zu einer nur wenige Minuten dauernden Sondersitzung zusammen. Einziger Tagesordnungspunkt, der ohne Diskussion und bei 5 Gegenstimmen aus der AfD-Fraktion beschlossen wurde, war die Änderung der Nutzungsordnung für die Stadthalle „Museum“.
Demnach darf diese ab 1. Oktober 2025 nur noch an Stadt- und Ortsverbände der ansässigen politischen Parteien vermietet werden und auch nur noch zu kommunalpolitischen Zwecken. Das heißt auch, dass insbesondere Landes- und Bundesparteitage in Hechingen künftig ausgeschlossen sind. Die Halle sei hierfür nicht geeignet, weil man zu wenig Personal habe, wie Bürgermeister Philipp Hahn (CDU) erklärte.
Dumm nur: Diese Erkenntnis kommt sehr plötzlich – und wohl nicht ganz ohne Grund. Denn für den Landesparteitag der AfD existiert offenbar bereits ein Mietvertrag für die Hechinger Stadthalle. So jedenfalls liest sich die bisher unwidersprochen gebliebene Darstellung der AfD. Der AfD-Landesvorsitzende Emil Sänze erklärte gegenüber dem SWR, man gehe davon aus, „dass die Stadt Hechingen abgeschlossene Verträge einhält.“ Bürgermeister Hahn wiederum bekräftigt, dass Landesparteitage laut der neuen, gerade erst beschlossenen Nutzungsordnung ausgeschlossen seien, weshalb „entsprechende geschlossene Verträge“ gekündigt würden.
AfD will vor das Verwaltungsgericht Sigmaringen ziehen
Nun ist das im Zollernalbkreis im Herzen Baden-Württembergs gelegene Hechingen nicht unbedingt als Nabel der nationalen und internationalen Politik bekannt. Die Frage, wie viele Landes- oder Bundesparteitage relevanter Parteien die Stadt in der Vergangenheit bereits gesehen hat oder dort – außer jenem der AfD – für die Zukunft bereits fest geplant sind, erscheint also eine durchaus berechtigte zu sein. Schließlich gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz auch in Hechingen und die Aussage des Bürgermeisters legt nahe, dass es mindestens zwei „entsprechende geschlossene Verträge“ geben muss, die jetzt gekündigt werden.
Auf eine entsprechende Anfrage von reitschuster.de wollte sich das Rathaus jedoch nicht äußern, also nicht verraten, ob es bereits Landes- oder Bundesparteitage gab oder entsprechende Veranstaltungen geplant sind bzw. vor der Änderung der Nutzungsordnung für die Stadthalle geplant waren.
Faktisch steht die AfD Baden-Württemberg nur wenige Wochen vor ihrem Parteitag jetzt erst mal ohne Dach über dem Kopf da. „Sollten wir nicht in die [Hechinger] Halle kommen, müssen wir eine neue suchen“, stellt Hans-Peter Hörner vom AfD-Kreisverband Zollernalb nüchtern fest und droht der Stadt für diesen Fall bereits mit Konsequenzen. In Betracht kämen demnach etwa Schadenersatzforderungen, um eventuell entstehende Mehrkosten decken zu können.
Landeschef Sänze gab mit Verweis auf das Vertragsrecht derweil bekannt, dass die Partei einen Anwalt eingeschaltet habe und vor das Verwaltungsgericht Sigmaringen ziehen werde. Für den lokalen AfD-Sprecher Hörner kommt der Bannstrahl des Gemeinderats aus dem sprichwörtlichen Nichts. Schließlich habe es in der Stadthalle schon mehrere Veranstaltungen der AfD gegeben, die jeweils ohne Probleme über die Bühne gegangen seien. Im Laufe der Jahre sei sogar so etwas wie ein „Vertrauensverhältnis“ entstanden.
Das durchsichtige Hütchenspiel mit der kurzfristigen Änderung der Nutzungsordnung für die Stadthalle „Museum“ in Hechingen sagt nichts über die AfD aus, verrät dafür aber umso mehr über deren politische Mitbewerber, die sich selbst gerne als Vertreter der selbsterklärten „demokratischen Mitte“ ausgeben.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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