2016 war ich leidenschaftlicher Trump-Gegner. Nicht, weil ich die Clintons mochte – im Gegenteil. Sondern weil mir Donald Trump wie ein polternder Clown erschien, zu laut, zu undiszipliniert, zu selbstverliebt. Dann kam der Schwenk: Die mediale Hetze gegen ihn wurde grotesker als sein eigenes Auftreten. Und wer sich das Elend der Gegenseite ansah – insbesondere die ebenso bizarre wie woke-sozialistische Kamala Harris – der konnte irgendwann kaum anders, als zu hoffen: Hoffentlich kommt Trump nochmal zurück. Allein schon, um das Schlimmste zu verhindern. Bei Trumps Wahlsieg habe ich fast geheult vor Freude. Heute, keine zwölf Monate später, bringt er mich erneut zum Heulen – nur ganz anders.
Was ich jetzt sehe, macht mir Angst. Nicht mehr wegen seiner Selbstverliebtheit, seiner Egomanie oder seiner Sprüche, die ich lange als Kollateralschaden abzutun bereit war. Sondern weil aus dem Showman von einst ein autoritärer Wüterich zu werden scheint, der sich offenbar für unfehlbar und unangreifbar hält. Und dabei ausgerechnet die Werte mit Füßen tritt, die er einst so lautstark einforderte: Meinungsfreiheit, Debatte, Unabhängigkeit der Presse.
Der Anlass? Ein kurzer, fast beiläufiger Moment in einer Pressekonferenz bei seinem Besuch in Großbritannien. Der Reporter – kein Amerikaner, sondern ein Australier vom Investigativ-Format „Four Corners“ – fragt Trump nach möglichen Interessenskonflikten. Es geht um sein Unternehmen, seine Rolle, Standardfragen. „Ist es angemessen, Präsident Trump, dass ein amtierender Präsident so viele geschäftliche Aktivitäten ausübt?“, fragte der Mann. Trump antwortet gereizt: „Meine Kinder leiten das Unternehmen. Woher kommen Sie?“ Als der Reporter sagt, er sei Australier, wird es bizarr:
„Nun, die Australier… Sie schaden Australien. Meiner Meinung nach schaden Sie Australien gerade sehr. Und sie wollen sich mit mir gut stellen. Ihr Staatschef kommt bald zu mir. Ich werde ihm von Ihnen erzählen, Sie haben einen sehr schlechten Eindruck hinterlassen.“
Das ist kein Gag. Keine Provokation. Sondern eine Drohung.
Ein Präsident der Vereinigten Staaten droht einem Journalisten, seinem Premierminister von ihm zu berichten – weil dieser eine unangenehme Frage stellt. Was Trump hier offenbart, ist nichts weniger als ein autoritäres Machtverständnis: Kritische Presse ist kein Bestandteil einer Demokratie, sondern ein Angriff auf die eigene Person – und auf das jeweilige Herkunftsland des Journalisten gleich mit. Wer so denkt, sollte keine Macht haben. Nicht in Amerika. Nicht anderswo.
Die Szene war noch nicht vorbei. Als der Reporter nachhakt, fährt Trump ihn an:
„Schnauze.“
Dann, mit süffisanter Geste zu einem Kollegen:
„Fahren Sie fort, John. Vielleicht können Sie einen besseren Eindruck hinterlassen.“
Vier Dinge machen diesen Auftritt besonders verstörend:
Erstens: Trump stellt eine direkte Verbindung zwischen der Frage eines Journalisten und dem diplomatischen Verhältnis zu dessen Heimatland her. Das ist nichts anderes als politische Erpressung – verpackt in mafioser Rhetorik. „Sag das nochmal, und ich kenne da jemanden, der deinen Chef kennt.“
Zweitens: Er wertet Journalismus nicht nur ab, er nationalisiert ihn. Der Reporter wird nicht als Individuum wahrgenommen, sondern als Repräsentant eines Staates – und damit zum angeblichen Landesverräter erklärt. Eine Täter-Opfer-Umkehr im Stil autoritärer Regime.
Drittens: Trump schafft eine Belohnungsstruktur. Der eine Journalist wird öffentlich abgekanzelt, der nächste hofiert. „Seht her, wer sich anpasst, wird belohnt.“ Das ist der feuchte Traum jedes Autokraten – und der Albtraum freier Presse.
Viertens: Die Respektlosigkeit ist nicht mehr schockierend, sie ist abgestumpft. „Schnauze“ sagt er nicht im Affekt, sondern mit Kalkül. Als Demütigung. Und offenbar ohne Angst vor Konsequenzen. Was das über den Zustand der Medienwelt sagt, ist eine eigene Geschichte.
Am schlimmsten aber finde ich den Satz:
„Sie schaden Australien.“
Denn damit entlarvt Trump sich selbst – und merkt es nicht einmal. Er sagt nicht: „Sie liegen falsch.“ Oder: „Sie beleidigen mich.“ Er sagt: „Sie schaden Ihrem Land.“ Weil Sie mich kritisieren.
Das ist das Denken von Despoten. Von denen, die glauben, sie seien der Staat. Und wer sie angreift, greife die Nation an. Trump, der einstige Rebell gegen das Establishment, klingt plötzlich wie ein Pressesprecher des Kreml.
Und das, das macht mir Angst. Viel mehr als Kamala Harris. Viel mehr als die linken Ideologen. Weil ich dachte, wir hätten mit Trump einen Gegner des Wahns – und nun erkennen muss: Der Wahnsinn hat sich gewandelt. Er trägt jetzt Maßanzug, redet von „making America great again“ – und droht Journalisten damit, ihren Premier anzurufen.
Ich habe mir gewünscht, dass er gewinnt. Ich dachte, er steht für eine Wiedergeburt des Konservativen. Für ein Zurückdrehen, ja eine Rückabwicklung der absurden linken und woken Auswüchse in den USA. Jetzt ist meine Angst: Er steht für eine Verschärfung der ohnehin schon starken autoritären Tendenzen. Und er könnte die konservativen Ideen derart beschädigen, so stark diskreditieren bei den Menschen, dass er damit Amerika „reifschießt“ für den nächsten linken Durchmarsch – und zwar diesmal einen ebenso totalen wie totalitären. So oder so – wir scheinen vor der Wahl zwischen einem konservativen Autoritarismus und einem linken zu stehen – und uns immer weiter zu entfernen von allem, was freiheitliche Demokratie einmal ausmachte.
PS: Dieser Text soll die massiven Probleme mit Meinungs- und Pressefreiheit in Europa keinesfalls relativieren. Im Gegenteil: Ein Missstand wiegt den anderen nicht auf. Und was sich in Deutschland und der EU an stiller Zensur, politischem Druck und medialer Gleichtaktung entwickelt hat, ist haarsträubend – und brandgefährlich.
Auch Trumps Wut auf die Medien ist in vielerlei Hinsicht nachvollziehbar. Sie haben ihn über Jahre behandelt wie einen Aussätzigen, mit einer propagandistischen Wucht, die jeder demokratischen Kultur spottet. Aber: Ein Präsident darf sich nicht von Rachegelüsten leiten lassen. Wer die Macht hat, muss sich beherrschen – sonst macht er sich selbst zur Karikatur jener, gegen die er einst angetreten ist.
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