Es gibt Erinnerungen, die riechen nach feuchtem Laub und kaltem Atem. Nach Laternenlicht und Kinderliedern. Nach Aufregung, Glanz und ein bisschen Gänsehaut. Einer meiner prägendsten Kindheitsmomente war jedes Jahr im November – der Martinsumzug. Dieses rituelle Ziehen durch dunkle Straßen, mit selbstgebastelter Laterne in der Hand und dem Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.
Jahrzehnte später dann dasselbe Strahlen in den Augen meiner eigenen Kinder. Dieselben Lieder. Dieselbe Vorfreude. Und jetzt das: In Rheinberg, einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, werden die Martinsumzüge gestrichen – aus Angst vor Anschlägen. Der Bürgermeister spricht von „Sicherheitsbedenken“, der Hinweis auf mögliche Terrorgefahr steht unausgesprochen im Raum, wie der Rauch nach einem abgeblasenen Fest.
Man möchte schreien, aber der Tonfall ist längst angepasst: Alles wird ruhig erklärt, sachlich begründet, fast hygienisch verpackt. Als sei es normal, dass wir unsere Bräuche aufgeben – nicht weil wir sie nicht mehr wollen, sondern weil wir uns nicht mehr trauen. Weil die Sicherheitslage es angeblich erfordert. Weil die Polizei am Limit sei. Weil man keine „Zielscheibe“ abgeben wolle.
Was hier passiert, ist nichts weniger als ein Kulturrückzug auf Raten. Und wie immer, wenn etwas verloren geht, ohne dass es jemand laut beklagt, ist das Verstörende nicht nur die Entscheidung selbst – sondern die Geschwindigkeit, mit der wir uns daran gewöhnen.
Erst im Winter musste ich darüber schreiben, wie es nach dem Terror von Magdeburg zu einer Absageflut bei Faschingsumzügen kam (siehe hier). Auch da war der Ton beschwichtigend, die Begründungen vage. In Magdeburg war es die fehlende Polizeipräsenz, in Aschaffenburg die „unklaren Rahmenbedingungen“, andernorts die Haushaltslage. Was niemand sagt: Wovor genau haben wir eigentlich Angst? Was nicht ausgesprochen werden darf bei Gefahr der Verstoßung als Ketzer bzw. „Rechter“: Es geht um Gewalt. Um importierte Konflikte. Um Parallelgesellschaften, in denen religiöser Fanatismus, patriarchale Machtspiele und Verachtung westlicher Werte gedeihen.
Kurz: Es geht um das, was nicht gesagt werden darf. Um das „verbotene Wort“: Gewaltimport.
Denn natürlich trauen sich die Verantwortlichen nicht, offen auszusprechen, was jeder weiß – dass es nicht Omas Strickkreis ist, vor dem die Polizei warnt. Sondern junge Männer, oft aus Krisenregionen, oft mit problematischem Hintergrund, oft schwer zu kontrollieren. Man nennt sie nicht. Man will sie nicht stigmatisieren. Und genau das stigmatisiert am Ende uns alle.
Der eigentliche Skandal liegt dabei nicht nur in der Kapitulation vor der Gefahr. Sondern im systematischen Verschweigen ihrer Ursachen. Die eigentliche Nachricht ist nicht, dass Rheinberg den Martinsumzug absagt. Sondern, dass kaum jemand sich fragt, warum wir das überhaupt hinnehmen.
Denn so funktioniert kollektive Verdrängung: Erst fällt ein Fest aus. Dann noch eins. Dann gilt plötzlich der Wunsch nach Sicherheit als „rechts“. Und bevor man sich versieht, wird die Angst zur neuen Normalität – und die Aufgabe eigener Traditionen zur Geste angeblicher Rücksichtnahme.
Es ist das stille Ende einer stillen Mehrheit.
Und wer jetzt denkt, das sei übertrieben, der möge sich in zehn Jahren daran erinnern, wenn es dann heißt: „Früher gab es hier mal Laternenumzüge. Aber das war halt eine andere Zeit.“
Früher war Sankt Martin ein Reiter, der seinen Mantel teilte. Heute sind wir ein Land, das seine Feste teilt – mit dem Vergessen. Und irgendwann: aufgibt.
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