Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld
Gehören Sie schon zu den Leuten, die kaum noch Geld in der Tasche haben, weil Sie ihr Handy zücken, um bezahlen zu können? Dann sind Sie ein braver Bürger, der tut, was die „Eliten“ seit zweieinhalb Jahrzehnten von ihm wollen. Bargeld garantiert Freiheit – wer nur noch digital bezahlt, liefert sich freiwillig der totalen Kontrolle aus. Das Konto wird zum Logbuch seines Lebens: Welche Lebensmittel er bevorzugt, was er gern trägt, welche Hobbys er hat, wohin er reist und wie lange, ob er ins Sportstudio geht, zum Karate-Kurs oder zu einem Konzert – alles wird genau registriert.
Fast jeder hat schon die Erfahrung gemacht, dass er wochenlang Werbepost für Kommoden bekommt, weil er sich mal eine im Internet genauer angesehen hat. So wird jeder Kauf registriert und ausgewertet. Seit die öffentlichen Verkehrsmittel Fahrkarten nur noch gegen Kartenzahlung verkaufen, weiß man auch, wie sich eine Person durch die Stadt bewegt.
Die meisten Menschen sind stolz darauf, bei der Fahrscheinkontrolle ihr Handy zu zücken. Man ist progressiv, auf der Höhe der Zeit. Auf diejenigen, deren Hand sich noch um einen Papierausdruck krampft, sieht man mitleidig herab. Neulich habe ich einen jungen Mann gesehen, der an der Kasse meiner Kaufhalle sein Handgelenk über den Kartenautomaten hielt. Das ist der Gipfel der Progressivität, denn ein Handy kann man auch einmal verlieren, oder es wird geklaut. Der Chip dagegen ist fest implantiert. Dass ein Bösewicht zur Axt greift, um das Handgelenk mit dem Chip in seinen Besitz zu bekommen, das kommt nur in Horror-Thrillern vor, nicht im wirklichen Leben.
Dagegen haben die Spanier zu ihrem Leidwesen erfahren, was passiert, wenn es einen Blackout gibt. Schlagartig stehen alle Zahlungssysteme still. Man kann nichts mehr kaufen, auch keine dringend benötigte Milch für das Baby oder Medikamente für die Oma. Man kann nicht tanken oder ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen, selbstverständlich auch kein Geld abheben. Das Leben kommt komplett zum Erliegen. Eine bargeldlose Zukunft ist Horror.
Der Krieg gegen das Bargeld wird von den Regierungen geführt, aber mit Unterstützung der Wirtschaft. Während die Regierungen systematisch die Bargeldobergrenzen senken – ab 2027 gilt EU-weit eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro – haben, anders als z. B. bei der Abschiebung von kriminellen Migranten, die Mitgliedsstaaten noch die Wahl, niedrigere Bargeldobergrenzen zu verfügen. Dänemark liegt derzeit bei 2.000 Euro, Griechenland sogar bei 500 Euro. Damit kann man noch Käufe tätigen, darüber gilt nur noch die Karte. Alle Bürger sollen ein Konto besitzen. Das hat den Vorteil, dass eine der wirkungsvollsten neuen Strafen für Andersdenkende die Kontokündigung ist. Der kanadische Premier Justin Trudeau hat damit sogar einen Trucker-Aufstand erstickt, indem er den aufsässigen Fahrern die Konten kündigen ließ. Die Banken machen da problemlos mit. Die ING-DiBa kündigt nicht nur unliebsamen Regierungskritikern die Konten, sondern sie hat auch angekündigt, Konten von Unternehmen zu kündigen, die sich nicht klimagerecht verhalten.
Bargeld, so wird immer wieder seitens der Politik versichert, könne nicht abgeschafft werden, weil es einen gesetzlichen Bargeldschutz in Europa gäbe. Aber was die Politik nicht kann, vermag der Markt. Immer mehr Unternehmen akzeptieren – freiwillig oder gezwungen – nur noch Karten. Auch die kleinen Geschäfte müssen bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten anbieten. Die Kosten dafür, die zum Teil erheblich sind, dürfen nicht an die Kunden weitergegeben werden. Profitieren tun die Konzerne, die bargeldloses Zahlen anbieten: Visa, Mastercard, American Express, PayPal u. a.
Dies und noch viel mehr kann man in Hakon von Holsts schmalem Bändchen „Krieg gegen das Bargeld“ nachlesen, was ich dringend jedem empfehlen kann. Jeder sollte überlegen, ob er nicht lieber bar bezahlt, um sich der totalen Kontrolle zu entziehen und ein Stück Freiheit zu erhalten. Einige skandinavische Länder machen Bargeldbesitz für Notfälle wieder zur Pflicht. Von Holst erklärt, warum man nicht auf staatliche Festlegungen warten, sondern dafür sorgen soll, immer einen Bargeldpuffer zur Verfügung zu haben. Spanien war eine Warnung – niemand sollte diese Flammenschrift übersehen.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Das neue Buch „Ist mir egal“ zu Merkel können Sie hier vorbestellen.
Bild: Simlinger / Shutterstock.com
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