Von Kai Rebmann
Der Strom in Deutschland sollte für alle Verbraucher spürbar billiger werden und das am besten sofort. So hatten es CDU, CSU und SPD mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags eigentlich versprochen. Eigentlich! Denn nur wenige Wochen nach der Amtsübernahme der neuen Regierung ist davon nicht nur nichts mehr zu sehen, es geschieht genau das Gegenteil – und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Dem ersten Wortbruch in puncto Stromsteuer – von bis zu 5 Cent Entlastung für alle war die Rede, jetzt sollen nur noch Industrie und Landwirtschaft profitieren – folgt jetzt der zweite Streich. Mit einer „überarbeiteten Kraftwerksstrategie“ und „verursachergerechten Refinanzierung“ will Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) die Deutschen für die Vorhaltung von gasbetriebenen Reservekraftwerken zur Kasse bitten. Im Klartext: Alle Verbraucher sollen – übrigens nicht zum ersten Mal – für Phantom-Strom zahlen; für Strom also, der im Zweifel nie produziert wird!
Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Michael Kellner (Grüne) hervor, über die das Magazin „Politico“ zuerst berichtet hat. Demnach sollen bis zum Jahr 2030 Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 20 Gigawatt ausgeschrieben werden, die als Reserve für Dunkelflauten oder „Preisspitzen“ an den Strombörsen bereitstehen und im Bedarfsfall einspringen sollen.
Bezahlt werden muss der Strom aber in jedem Fall, ob er nun tatsächlich ge- und verbraucht wird oder nicht. Nur so bestehen realistische Aussichten darauf, dass die Ausschreibung erfolgreich verläuft und sich ein Betreiber finden lässt. Finanziert werden soll das Ganze über eine neue Umlage für den Strompreis, deren Höhe zwar noch nicht genau festliegt, die aber wohl bei mindestens zwei Cent pro Kilowattstunde liegen dürfte. Kellner übt deutliche Kritik: „Es ist klar, dass die Pläne von Katherina Reiche teuer werden.“ Zudem verschweige die Regierung den Bürgern die Höhe der neuen Abgabe, „obwohl Berechnungen im Ministerium noch aus der letzten Legislaturperiode vorliegen sollten.“
Grüne wollen sich vom Bock zum Gärtner machen
Damit spielt Kellner offensichtlich auf ganz ähnliche Pläne von Ex-Minister Robert Habeck an, die eine Abgabe in der oben genannten Höhe von 2 Cent vorsahen. Michael Kellner, der sich jetzt so sehr an der geplanten Umlage für den Phantom-Strom abarbeitet, war damals übrigens parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und damit einer der maßgeblichen Architekten des Grundproblems – dass Deutschland nicht zuletzt durch die Abschaltung der verbliebenen AKWs vom Stromexporteur zum -importeur wurde und damit entsprechend anfällig für Dunkelflauten und Preisspitzen. Wer im Glashaus sitzt, sollte also tunlichst nicht mit Steinen werfen!
Katherina Reiche versucht in ihrer Antwort derweil, den Schwarzen Peter nach Brüssel abzuschieben: „Das EU-Beihilferecht fordert im Fall eines Kapazitätsmarkts eine verursachergerechte Refinanzierung.“ Das mag zwar so sein, ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Deutschland durch eigenes Zutun und stures Festhalten an einer diesbezüglichen Geisterfahrer-Politik erst zu einem solchen „Kapazitätsmarkt“ geworden ist.
Statt der versprochenen Entlastungen bei der Stromsteuer, die nicht zuletzt aufgrund der Milliardenlöcher im Haushalt wieder einkassiert werden mussten, gibt es jetzt also noch eine neue Umlage obendrauf. Wie teuer es am Ende für die Verbraucher wirklich werden wird, kann ironischerweise noch niemand sagen. Fest steht wohl nur: Der Strompreis in Deutschland wird auch in Zukunft nur eine Richtung kennen!
Wassercent spaltet Bayern
In Bayern müssen die Verbraucher ab dem kommenden Jahr noch etwas tiefer greifen als im Rest der Republik. Blieben die Bürger im Südosten bisher noch vollständig vom sogenannten Wassercent verschont, soll dieses Entgelt für die Wasserentnahme ab dem 1. Juli 2026 auch im Freistaat eingeführt werden. Dann werden Hessen und Thüringen die letzten beiden Bundesländer ohne Wassercent sein.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beziffert die jährlichen Mehrkosten für eine vierköpfige Familie mit einem durchschnittlichen Wasserverbrauch von 50 Kubikmetern pro Person und Jahr mit 20 Euro. Als Grundlage für diese Annahme dient der angepeilte Wert von 10 Cent pro Kubikmeter. Damit liegt Bayern im bundesweiten Mittelfeld, im Jahr 2024 lag die Spanne für den Wassercent zwischen 5 Cent (Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt) und 31 Cent (Berlin).
Ähnlich wie bei der Stromsteuer sind aber auch beim Wassercent einige Ausnahmen geplant, die in Bayern durchaus für Unmut sorgen. So sollen Landwirte und industrielle Großbetriebe mit eigenem Brunnen von einer Freimenge von 5.000 Kubikmeter pro Jahr profitieren. Uwe Brandl (CSU), Präsident des Bayerischen Gemeindetags, sieht private Verbraucher durch diese Regelung ungerecht behandelt und kritisiert insbesondere die „großzügigen Freimengen und Ausnahmen für industrielle Großverbraucher“.
Tatsächlich wird die Freimenge in vielen Fällen nicht erreicht werden, was einer faktischen Befreiung vom Wassercent gleichkommt. Dies wiederum ruft Marian Rappl vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft auf den Plan, wo man sich eine Gleichbehandlung aller Verbraucher gewünscht hätte.
Enteignungen drohen im Namen des Hochwasserschutzes
Bösen Zungen, die mutmaßen, mit den zusätzlichen Einnahmen sollten zusätzliche Spielräume im Haushalt geschaffen werden, versucht Markus Söder den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der Wassercent ausschließlich zweckgebunden in den Wasserschutz und die nachhaltige Wasserbewirtschaftung reinvestiert, verspricht der Ministerpräsident.
Allerdings droht in diesem Zusammenhang noch weiteres Ungemach. Neben dem Wassercent können in Bayern im schlechtesten Fall auch Enteignungen auf die Bürger zukommen – und zwar dann, wenn „Einzelinteressen nicht befriedet werden können“ und diese „überragenden öffentlichen Interesse“ des Hochwasserschutzes gegenüberstehen. So will es ein entsprechendes Gesetz, das in der Staatskanzlei derzeit ebenfalls vorbereitet wird.
Im Klartext: Wenn sich Verhandlungen mit privaten Grundstückseigentümern aus Sicht der öffentlichen Hand unverhältnismäßig in die Länge ziehen und/oder erkennbar keine Einigung in Sicht ist, sollen die ganz schweren Instrumente aus dem Schrank geholt werden können.
Ballweg, Parfüm und eine Hundematte: Wie aus 19,53 Euro ein medialer Schuldspruch konstruiert wurde
„Nie wieder“ war gestern: Der Fall Leandros zeigt, wie moralische Säuberung wieder schick ist
Wurde der Ton beim Weidel-Interview manipuliert? ARD unter Verdacht – Tontechniker entlarvt?
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: Shutterstock
Bitte beachten Sie die aktualisierten Kommentar-Regeln – nachzulesen hier. Insbesondere bitte ich darum, sachlich und zum jeweiligen Thema zu schreiben, und die Kommentarfunktion nicht für Pöbeleien gegen die Kommentar-Regeln zu missbrauchen. Solche Kommentare müssen wir leider löschen – um die Kommentarfunktion für die 99,9 Prozent konstruktiven Kommentatoren offen zu halten.
Mehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de
Energiewende ad absurdum – 148 Millionen Euro für nie produzierten Strom
Deutschland ist Weltmeister beim Strompreis. Gründe dafür sind vor allem teure Importe, hohe Steuern sowie kostspielige Umlagen für ungenutzte „grüne Energie“. Letzteres kostete die Kunden allein im ersten Halbjahr 2022 knapp 150 Millionen Euro. Von Kai Rebmann.
„Energiepolitik Deutschlands lässt für Industrie Schlimmes befürchten“
Der frühere Chef des ifo Instituts rüttelt an den Fundamenten des links-grünen Wolkenkuckucksheims – und legt die Denkfehler des deutschen Alleingangs schonungslos offen. Ein Minister kommt bei der großen Abrechnung besonders schlecht weg. Von Kai Rebmann.
Frost und Dunkelflaute: Experten warnen vor Brownouts
Baden-Württemberg ist wohl nur knapp einem Stromausfall entgangen. Die Prognosen für die kommenden Tage machen wenig Hoffnung auf Besserung. Erste Versorger bereiten sich auf „kontrollierte Abschaltungen“ vor. Von Kai Rebmann.
„Lieber Stromkunde, Sie werden verarscht!“
Energie ist knapp und deshalb so teuer? Von wegen! Der Betreiber einer Windkraftanlage packt aus und sagt, warum die aktuellen Strompreise rein gar nichts mit Angebot und Nachfrage zu tun haben. Von Kai Rebmann.
Deutschland und der Phantom-Strom
Mit ihrer Energiewende ist unsere Regierung in Europa als Geisterfahrer unterwegs. Eine Anfrage im Bundestag entlarvt die teuren Folgen für die Verbraucher. Und die Kosten steigen immer weiter. Von Kai Rebmann.