Karlsruhe (ots)
Einmal mehr mussten sich Deutschlands höchste Zivilrichter mit der Frage beschäftigen, welche Formen der Werbung von ausländischen Arzneimittelversendern mit Rabatten und Boni zulässig sind und welche nicht. Einig waren sich die Juristen des 1. Zivilsenats, der Klägerin und der Beklagten gestern wohl nur in einem Punkt: „Es ist sehr komplex.“ Teils ging es um nationales Recht, das heute einerseits aufgrund neuer Vorschriften im SGB V gar nicht mehr aktuell ist, andererseits aufgrund mehrerer Urteile des BGH und des EuGH präzisiert wurde, teils ging es um Recht der Europäischen Union und vor allem auch um die Frage, was aktuell erlaubt ist und was nicht.
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) hatte zwischen 2013 und 2015 mehrere einstweilige Verfügungen gegen einen niederländischen Versender von Medikamenten erwirkt. Patienten erhielten damals Rabatte und Gutscheine für die Einlösung ihrer Verschreibungen bei dem Versender und konnten Hotelgutscheine oder eine ADAC-Mitgliedschaft erhalten, wenn sie neue Kunden für den Versender warben.
Boni, Gewinnspiele und Preisnachlässe auf Medikamente bergen die Gefahr, dass sich Verbraucher unsachgemäß beeinflussen lassen. Das stellte der Vorsitzende Richter Prof. Dr. Thomas Koch gleich zu Beginn der Sitzung klar. Viele Fragen seien im Senat indes noch nicht final diskutiert worden. Die Einzelbetrachtung der fünf streitgegenständlichen Werbeverbote ließ vermuten, dass der Senat bei vier von fünf einstweiligen Verfügungen wohl kaum Aussicht auf Erfolg für den Versender sieht, sondern die damaligen Werbeverbote bestätigen wird. Die Vertreter des Versenders berieten sich daraufhin intensiv – ehe im weiteren Verlauf verstärkt von Seiten des Versenders die Frage in den Mittelpunkt gestellt wurde, in welcher Weise überhaupt noch Preiswerbung erlaubt sei, die der EuGH doch aus ihrer Sicht für zulässig erklärt habe. Der BGH gab insofern zu verstehen, dass er einige der aufgeworfenen Fragen bereits in vergangenen Verfahren geklärt und bestimmte Werbeformen untersagt habe – eine Veranlassung zur Änderung dieser Rechtsprechung ließ er nicht erkennen.
„Die Diskussion hat gezeigt, dass es nicht mehr um die anfangs geforderten 18 Mio. Euro Schadenersatz geht – diese dürften vom Tisch sein – sondern die Gegenseite nun stattdessen versucht, wenigstens bestimmte Formen der Werbung auch in Zukunft zu legitimieren“, erklärte Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas im Anschluss.
„Marketing-Maßnahmen des Versenders aus Heerlen aus früheren Zeiten fallen ihm nun offenbar auf die Füße und eröffnen uns die Möglichkeit, die Grenzen der Werbung mit Zuwendungen gerichtlich feststellen zu lassen“, erklärt Dr. Bettina Mecking, Justiziarin und Geschäftsführerin der AKNR. „Wir werden dranbleiben – und diesen und andere Versender zur Einhaltung des geltenden Rechts bewegen.“
„Mich hat gefreut, dass der Senat die qualitativ höherwertigere Beratung, die Patienten in der Apotheke vor Ort unaufgefordert erhalten, gewürdigt hat“, erklärt Dr. Armin Hoffmann, Präsident der Bundesapothekerkammer und der AKNR. „Wenn man diese Beratung bei einem Versender nur auf Nachfrage erhält, hat das für mich nichts mehr mit ordentlicher Versorgung zu tun. Hinter unseren Apotheken stehen eingetragene Kaufleute, die persönlich haften. Hinter EU-Versendern stehen kapitalgetriebene Konzerne, von Verantwortung und Haftung keine Spur. Ja, deutsche Aufsichtsbehörden haben nicht einmal Zugang zu den Hochregallagern hinter der Grenze. Ich finde, die Politik muss hier tätig werden und klarere Rahmenbedingungen schaffen.“
Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde bestimmt auf Donnerstag, 6. November 2025, 9 Uhr, Saal H 123.
Über uns: Apothekerkammer Nordrhein
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts Trägerin der berufsständischen Selbstverwaltung der Apothekerinnen und Apotheker, die in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf arbeiten oder leben. Sie vertritt die Interessen der über 12.100 Kammerangehörigen, die in öffentlichen Apotheken, Krankenhäusern, Wissenschaft, Industrie und Verwaltung oder bei der Bundeswehr tätig sind. Die Apotheke vor Ort übernimmt eine hoheitliche Aufgabe: die sichere, vom Heilberuf getragene, wohnortnahe Versorgung der Menschen mit Arznei- und Hilfsmitteln, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr.
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