• 30. Juli 2025

Die modernen Menschenfresser der Missionskirchen

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Juli 29, 2025
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Es ist auf eine Weise furchtbar, dass man im Sinne einer nüchternen Berichterstattung bemüht ist, das Mitgefühl mit den zahlreichen Opfern dieser missionierenden Menschenfänger auszublenden.

Beginnen wir mit einer Erinnerung an einer TV-Reportage, die schon etliche Jahre alt ist. Berichtet wurde von freikirchlichen bzw. evangelikalen Christen, die auf einem Schiff den Amazonas herunterfuhren, um den Eingeborenen Zahnbehandlungen gratis anzubieten.

Oder doch nicht ganz gratis, denn ein Bekenntnis zum Glauben wurde zur Eintrittskarte, und so wurde die Zählung der Zahnbehandlungen zum Nachweis einer erfolgreichen Missionierung, welche die „christlichen“ Zahnärzte nach ihrer Amazonasfahrt stolz in ihren heimischen Gemeinden berichteten. Verabscheuungswürdig. Noch mehr, wenn man bedenkt, dass viele Zahnerkrankungen bei Einheimischen auch noch Folgeerkrankungen der Zuckergeschenke möglicherweise älterer Missionen sind.

Man kann nur hoffen, dass der Urwald groß genug und in Teilen noch so abweisend und undurchdringlich ist, dass die Amazonasbewohner immer noch eine Zuflucht finden. In der Kirchengeschichte wurden auf den unterschiedlichen Kontinenten ganze Landstriche entvölkert, Völker versklavt, geschunden und vernichtet.

Und wenn die Christen das Schwert nicht selbst führten, dann folgten sie dem Gott des Gemetzels als Trossknechte, Plünderer und Marodeure. Wer überlebte, wurde „missioniert“, was oft genug ein Leben über Generationen in Knechtschaft und Fron bedeutete.

Die Christianisierung war die ideologische Legitimation für eine Reihe blutiger Eroberungszüge. Die neuen Könige der Kolonien galten als Vertreter des Papstes. Auch Columbus begründete seine Suche auf dem Wunsch, einen Kreuzzug zur Rückeroberung Jerusalems aus der Hand der Ungläubigen zu finanzieren.

Die große Tragik der Elendsgeschichte der Südamerikaner mag darin liegen, dass die Befreiungsbewegung unter demselben Kreuz über sie kam wie die Völkermorde zuvor. Ein Friedensforum schreibt dazu:

„Die Eroberung des amerikanischen Kontinents vor 500 Jahren war der größte Völkermord in der Geschichte der Menschheit. Durch Krieg und Massaker, Sklavenarbeit in den Bergwerken und den Encomiendas und durch eingeschleppte Krankheiten wurde die indigene Bevölkerung binnen kurzer Zeit von etwa 70 Millionen auf 10 Millionen dezimiert.“

Die grausigen Details dieser Kriminalgeschichte des Christentums sprengen jegliche Vorstellungskraft, ganze Völker, Stämme und Familien wurden ausgerottet und verschwanden samt ihren Erzählungen im Dunkel der Geschichte, gequält, ausgebeutet, vergewaltigt und niedergemetzelt.

Was aber im 21. Jahrhundert schier unerträglich erscheint, ist die Tatsache, dass die Missionsarbeit niemals pausiert hat und sich niemand findet, der es ein für alle Mal beendet. Nach wie vor „erobern“ sich berufen fühlende Christenmenschen die letzten Winkel der Erde, in die sich Menschen vor ihrem Zugriff zurückgezogen – nein, oft panisch geflüchtet – haben, mit dem Ziel, sie zu missionieren, was mit „zivilisieren“ gleichgesetzt wird.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet aktuell von so einem Eroberungsfeldzug gegen wehrlose Völker in den Tiefen des Amazonasurwaldes. Die SZ schreibt: „Missionare wollen unkontaktierte Völker zum Christentum bekehren“. Unter der Schlagzeile „Unkontaktierte Völker – Das Wort Gottes tief im Wald“ heißt es:

„Um das Christentum auch noch zu den letzten isoliert lebenden Gemeinschaften zu bringen, dringen Missionare tief in den Regenwald vor und verteilen Audio-Geräte. Die Indigenen sind sehr daran interessiert – aber offenbar nicht wegen der aufgesprochenen Bibelverse.“

Fluter.de, ein Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, hat das ganze Elend dieser Menschenfänger und -vernichter 2022 schon einmal in aller Ausführlichkeit zusammengefasst.

Die Evangelikalen haben die „unkontaktierten Stämme“ als ihr Jagdwild auserkoren. Etwas mehr als einhundert solcher Stämme soll es noch im brasilianischen Amazonien geben, ein Großteil lebe im Javarital, schreibt das Portal. In dem abgelegenen Teil im Westen Brasiliens sollen auf einer Fläche von der Größe Österreichs so viele unkontaktierte indigene Gruppen leben wie nirgendwo sonst auf der Welt.

Oder in den Worten eines Hubschrauberpiloten der Missionare:

„Javari ist der dunkelste, am schwierigsten zu erreichende Ort in ganz Südamerika.“

Zwar genießen die indigenen Gruppen besonderen Schutz in Brasilien. Seit 1988 ist jegliche Kontaktaufnahme, explizit auch von Missionaren, verboten, schreibt „fluter.de“, aber ein Chef der MNTB-Missionäre hält das Verbot – na klar – für verfassungsfeindlich:

„Wer das Evangelium verbietet, verbietet die Religionsfreiheit, verbietet den Verkünder des Evangeliums, Jesus Christus, verbietet die Bibel, verbietet unseren Schöpfer, Gott. Dagegen wehren wir uns.“

Wie diese Gegenwehr aussieht, beschreibt ein italienischer Western aus den 1960er Jahren schon im Titel: „Leichen pflastern seinen Weg“. Unter dem Stamm der Zo’é etwa verbreiteten sich Malaria und Influenza; Krankheiten, die sie nicht kannten und gegen die sie keine Antikörper hatten. Auch das in der Missionsgeschichte eher die Regel, als die Ausnahme:

„In den folgenden zwei Jahren starb ein Viertel bis ein Drittel des Stammes. Das Vorgehen der New Tribes Mission war einer der Gründe, warum die Kontaktaufnahme zu indigenen Stämmen 1988 in Brasilien verboten wurde.“

Der ehemalige konservative Präsident Jair Bolsonaro ernannte ausgerechnet einen Missionar zum neuen Leiter der FUNAI-Abteilung für unkontaktierte Stämme, einer Behörde, die den Schutz der Indigenen garantieren soll. Die unheilige Tradition stimmt also auch hier: Die Täter werden als Schutzengel präsentiert und ihre Opfer noch verhöhnt.

Sarah Shenker von der NGO Survival International sagt:

„Einen evangelikalen Missionar für die FUNAI zu nominieren ist, als würde man einen Fuchs zum Chef des Hühnerstalls machen. Es ist ein offener Akt der Aggression, eine Erklärung, dass sie diese verletzlichsten Völker des Planeten gewaltsam kontaktieren wollen.“

Die Kontaktverbote haben demnach kaum einen Wert, und immer wieder findet sich eine neue Ausrede oder Sondergenehmigung, die vom Irrsinn unberührten Menschen mit den Segnungen des Christentums zu erschlagen. Auch die Vereinigte Deutsche Missionshilfe treibt da ihr Unwesen, noch 2022 schrieb ein Ehepaar Beeh, das mit einem als „Klinikschiff“ getarnten Missionsauftrag seit Jahrzehnten unterwegs ist:

„Seit mehr als siebzehn Jahren sind wir mit unserer Partnermission, dem Missionsflugdienst ‚Asas de Socorro‘, in Brasilien unterwegs. In dieser Zeit durften wir vor allem im Amazonasgebiet viel Hoffnung in abgelegene Gebiete bringen. Meist geschah dies indirekt, indem wir Missionare und andere Partner in entfernte Dörfer und Siedlungen flogen, wo diese durch ihre Arbeit die Hoffnung des Glaubens weitergeben durften.“

Und weiter heißt es:

„Seit den 1980er-Jahren hat Asas de Socorro einen eigenen Arbeitszweig, der Ärzte, Zahnärzte, Evangelisten und andere Mitarbeiter mit unseren Flugzeugen oder mit eigenen oder geliehenen Booten und Schiffen in Gebiete bringt, die sonst von der medizinischen Versorgung abgeschnitten sind und wo die gute Nachricht von der Hoffnung durch den Glauben an Jesus selten ankommt.“

Die Fahrten gehen ungehindert weiter, die von ihren Eitelkeiten und ihrer Beseeltheit verblendeten Menschenjäger gehen unverdrossen ihrer Arbeit nach, die Kirchengeschichte zu vollenden und noch die letzten weißen Flecken mit dem Blut Jesu zu besudeln, um es einmal so drastisch auszudrücken, wie es den armen Menschen vor Ort oft vorkommen mag, wenn ihnen ein ans Holz genagelter Mensch als anbetungswürdiges Relikt vorgehalten wird – grausiger ist es doch kaum vorstellbar.

Diese armen Menschen haben jede Träne über ihr kommendes Schicksal verdient. Die Sprache der Missionare ist auf eine Weise verlogen und bigott, dass einem beim Lesen schwindelig werden kann, dass man im selben Zeitalter mit solchen Hütchenspielern des Glaubens auf der gleichen Erde wandelt:

„Auch wir Missionare vor Ort, auf denen die langwierigen Vorbereitungen lasten, werden durch jede Reise reich gesegnet – vor allem durch die vielen Begegnungen, durch die Dankbarkeit der Flussbewohner, denen wir dienen können, und weil das Evangelium in Wort und praktischer Hilfe Frucht bringt.“

Die kriminelle Energie dieser christlichen Menschenjäger ist leider unerschöpflich. Das induzierte Irresein ihres „Missionsglaubens“ ist nur schwer zu heilen und vielleicht am ehesten zu vergleichen mit der irren Goldgräberstimmung am Klondike River zum Ende des 19. Jahrhunderts.

In den Kommentaren der sozialen Netzwerke ist zu lesen, was die SZ hinter der Bezahlschranke versteckt:

„Es ist und war in den letzten 30 Jahren illegal für Missionare, Kontakt zu diesen zuvor unkontaktierten Stämmen aufzunehmen, sie einfach in Ruhe zu lassen. Also, ein Weg, das zu umgehen, war für sie, Audioaufnahmen von Schriftstellen auf Portugiesisch und Spanisch in der Nähe des Gebiets der unkontaktierten Stämme zu hinterlassen. Es gibt eine lange Liste von Gründen, warum diese Stämme in Ruhe gelassen werden sollten, aber trotzdem belästigen sie sie weiterhin.“

Die im Wortsinne grenzenlose Verschlagenheit dieser christlichen Sekten basiert auf einem bald 2000 Jahre alten Trainingslager der Unterdrückung. Dazu passt schon die nächste Aktion dieser Menschenjäger, ein Spielfilm über diese schreckliche Missionsarbeit. Der Dreh ist deshalb so besonders gespenstisch, weil sich der Film scheinbar gegen die Abholzung und das Vordringen in die abgelegenen Winkel der Erde ausspricht. Aber nur, um die bereits missionierten Stämme zu schützen, nicht die Indigenen vor den Missionaren.

Einen billigen Trost gibt es allerdings: Wenn es den Gott dieser Missionare und sein räudiges System aus Himmel und Hölle tatsächlich gibt, dann ist es keine Frage mehr, wo jene landen, die seinen Namen so schrecklich missbrauchen.

Möglicherweise macht es Sinn, die NGO „Survival International“ zu unterstützen, die sich für den Schutz der indigenen Völker auch gegen Missionierung einsetzt. Wer mehr über diese Gruppe weiß und ob man sie unterstützen soll, bitte in den Kommentaren.

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Author:
Alexander Wallasch

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