• 13. Juli 2025

Krall und Brosius-Gersdorf: Schwarz-Weiß-Denken in einer Grauzone

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Juli 13, 2025
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Ein Freund schickte mir heute einen Post auf X von Markus Krall, Unternehmensberater und im weitesten Sinne auch ein rechter politischer Aktivist. Der Freund meinte, er sei hier nahe bei Krall. Der schrieb auf X:

„1949: Artikel 1 Grundgesetz: „Die Menschenwürde ist unantastbar“. 2025: Verfassungsrichterin in Spe (?) Brosius: „Die Menschenwürde ist abwägungsfähig“. Mehr muss man über dieses heruntergekommene Land nicht wissen. Wer die Menschenwürde relativiert, der steht in Feindschaft zu allem, was dieses Land einmal ausgemacht hat. Artikel 1 war die Reaktion auf den Holocaust und die Verbrechen der nationalsozialistischen Tyrannei. Ihn zu relativieren ist das verfassungsfeindlichste, was man sich überhaupt vorstellen kann. Wir sind nicht auf dem Weg in den Abgrund, wir sind schon drinnen, im freien Fall.“

Daraufhin gingen Kommentare und Sprachnachrichten via WhatsApp hin und her. Hier die Zusammenfassung meiner Sicht der Dinge:

Die umstrittene Kandidatin zur Bundesverfassungsrichterin, Frauke Brosius-Gersdorf, ist viel näher an Markus Krall, als es dem politisch aktiven Unternehmensberater recht sein kann: Die juristische und politische Auseinandersetzung um die Strafbarkeit von Abtreibungen wurde vor etwa dreißig Jahren ausgiebig geführt. Eine lange Debatte und eine zähe und schmerzhafte Diskussion mit dem Ergebnis, dass die Juristen und politischen Entscheider die Strafbarkeit von Abtreibungen absichtsvoll in einer Grauzone belassen haben.

Solche Grauzonen entstehen oft, wenn gesetzliche Regelungen bewusst vage gehalten werden, gesellschaftliche oder ethische Kontroversen bestehen oder die Rechtsprechung Spielräume lässt.

Und diese bewusst gewählten Grauzonen sind alles andere als ein Einzelfall. Vergleichbares gibt es etwa zur Sterbehilfe/Euthanasie, Cannabis-Konsum und -Besitz, Eizellspende und altruistische Leihmutterschaft, beim Demonstrationsrecht und Sitzblockaden oder im Filesharing und bei Urheberrechtsverletzungen.
Hier stehen ethische, gesellschaftliche oder individuelle Rechte in Konflikt. Politik und Gesetzgebung lassen solche Bereiche bewusst offen, um flexibel auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren zu können oder um kontroverse Themen nicht endgültig zu regeln. Dies führt zu einer Art Schwebezustand, in dem Handlungen formal strafbar sind, aber unter bestimmten Bedingungen toleriert oder nicht verfolgt werden.

Die Regelung von Abtreibungen bis zur 12. Woche ist das mit Abstand bedeutendste und auch moralisch und ethisch umstrittenste Beispiel dafür. Dinge bleiben in der Grauzone weiter strafbar. Sie werden nur nicht mehr strafrechtlich verfolgt.

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Das Erstaunliche ist hier, dass Frau Brosius-Gersdorf in ihrer Argumentation viel näher bei Markus Krall ist, als diesem recht sein kann. Denn auch die Juristin mag diese Grauzone nicht, sie tut sich damit so schwer wie Krall. Sie wünscht sich klare Regelungen versus Grauzone. Und ebenso wie Krall ist Brosius-Gersdorf vollkommen klar, dass man dann mit der Menschenwürde anders umgehen muss.

An der Stelle ist die Debatte dann auch ganz einfach zu verstehen, und man wundert sich nur, worüber aktuell überhaupt diskutiert wird. Man muss sich in der Sache nicht positionieren, um ganz nüchtern die Argumente zu verstehen:

Brosius-Gersdorf wie Krall sind Schwarz-Weiß-Denker, sie wollen absolute Klarheit, Grauzonen sind ihnen ein Graus, Grauzonen sind die natürlichen Feinde ideologischer Gedankengebäude. Grauzonen sind Freiheit. Aber wofür?

Brosius-Gersdorf ist nah bei Krall, nur eben mit einer ganz anderen Schlussfolgerung.

Hinzu kommt allerdings erschwerend wie symptomatisch für die Verheerrung der Debatte, dass man bei Markus Krall immer den radikalen – besser „konservativen“ oder „traditionellen“? – Christen mitdenken muss. Krall soll Mitglied des päpstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab sein, was immer das im Detail für ihn bedeuten mag.

Und da wird es dann deutlich schwieriger, wenn in der Debatte auf der Metaebene etwas mitschwingt, was immer in die Argumentation hineingreift aber für den Gegenüber schwer erkennbar bleibt. Die Beweggründe von Krall und Brosius-Gersdorf sind ganz unterschiedlich. Aber beide lehnen juristische Grauzonen kategorisch ab.

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Author:
Alexander Wallasch

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