Ich habe mir lange überlegt, ob ich über diesen Fall schreibe. Es geht – zumindest auf den ersten Blick – um keine schicksalsträchtigen Beträge: Ein paar hundert Euro, ein paar tausend Meilen. Doch genau darin liegt der Skandal. Nicht im großen Betrug, sondern in der systematisierten Missachtung des Kunden. Im strukturellen Ignorieren. Im kalkulierten Aussitzen. Und im Vertrauen darauf, dass sich eh kaum jemand wehrt.
Es geht nicht um mich – es geht um eine Abzocke mit einer Dreistigkeit und Frechheit, die ihresgleichen sucht – und genau deshalb muss man darüber schreiben.
Am 4. Juni 2025 buche ich ein Business-Class-Ticket bei der Lufthansa – Tarif: „Classic“. Ich bin Vielflieger, seit Jahren bei Miles & More, gut vertraut mit den Gepflogenheiten. Doch was ich hier erlebe, ist zwar fast schon Routine – nur die Dreistigkeit hat nochmal ein neues Level erreicht.
Noch während des Buchungsprozesses wird mir auf der Lufthansa-Website eindeutig angezeigt: Rückerstattung möglich. Schwarz auf weiß. In den Tarifbedingungen steht: „Es fällt keine Gebühr für die Gesamtrückerstattung eines Tickets an.“ Ich mache einen Screenshot. Dann noch einen. Später sogar ein Video vom Bildschirm. Zur Sicherheit. Denn ich traue diesem Konzern mittlerweile so weit wie einer deutschen Regierung dem Grundgesetz.
Wenige Tage später möchte ich die Reise umplanen – es gibt auf einmal doch noch Meilen-Tickets für einen Alternativflug, familienfreundlicher. Ich storniere das Ticket. Wieder: laut Website kein Problem. Rückerstattung möglich. Auch der Mitarbeiter am Telefon bestätigt das. Und gesteht ein: Wegen der Tarifumstellung zum 3. Juni herrscht Chaos – er selbst hat auch Schwierigkeiten, den Durchblick zu behalten.
Tatsächlich war die gesamte Umstellung der Meilen-Tarife Anfang Juni ein einziges Desaster. In den Hotlines herrschte Chaos, Mitarbeiter klagten über Überforderung und widersprüchliche Anweisungen. Offenbar gab es auch in meinem Fall einen internen Fehler bei der Darstellung der Tarifbedingungen – doch statt diesen einzugestehen, wälzt man ihn stillschweigend auf dem Rücken der Kunden ab.
Was dann folgt, ist ein Blick in den Abgrund der Konzernkommunikation.
Lufthansa zahlt nur einen Teilbetrag zurück. Die Meilen? Verfallen. Auf meine Anfragen reagiert man wochenlang gar nicht. Nach einer Rückfrage kommt eine Antwort mit dem Charme einer Druckerfehlermeldung: Ich hätte außerhalb der 24-Stunden-Kulanzfrist storniert, daher keine Erstattung.
Nur: Genau darum geht es nicht. Ich habe mehrfach klargestellt – samt Screenshots, samt Video – dass mir bei der Buchung selbst eine kostenlose Rückerstattung zugesichert wurde. Das war keine Kulanz. Das war ein Verkaufsversprechen. Und es war eindeutig.
Lufthansa ignoriert das einfach. Und das ist der eigentliche Skandal: Der Konzern spielt ein Hütchenspiel. Er setzt offenbar bewusst darauf, dass kaum jemand dokumentiert. Wer keine Screenshots hat, ist geliefert. Wer vertraut, verliert. Und genau das ist Teil des Kalküls.
Das ist Arroganz der Macht in Reinform: Nicht nur, dass das System irrt – es setzt sich auch noch durch. Und wer gutgläubig vertraut, wird abgezockt. Der Konzern weiß genau, dass er am längeren Hebel sitzt. Wie viele klagen schon wegen ein paar hundert Euro?
Fatale Gier
Doch genau darin liegt die besondere Ironie: Selbst in einem Bagatell-Fall, in dem ein Kunde, der dummerweise auch noch Journalist ist – mit Reichweite und Lust auf Artikel – seine Ansprüche belegen kann – mit Screenshots und Videos – weigert sich die Lufthansa, klein beizugeben. Ein kluger Konzern würde sagen: „Okay, da ist uns wohl ein Fehler unterlaufen, wir erstatten ausnahmsweise.“ Doch hier siegen Hochmut und Gier über jede Rationalität. Oder, wie man in Russland sagt: Жадность фраера сгубила – die Gier hat den Trottel ins Verderben gestürzt. In diesem Fall: In die hochnotpeinliche Selbstentlarvung.
Das ist kein bedauerlicher Einzelfall – das ist ein digitales Hütchenspiel mit Ansage. Die Tarifumstellung war nicht nur chaotisch – sie wurde zur Testphase, wie weit man mit der systematischen Kundenverdummung noch gehen kann. Für das, was sich für viele wie ein klarer Betrug anfühlt.
Vielleicht sind es gar nicht die großen Skandale, an denen ein Konzern scheitert – sondern der systematische Kleinkram, das ignorierte Versprechen, der kafkaeske Alltag.
In meinem Fall geht es nur um ein paar Euro und ein paar Meilen. Aber eigentlich geht es um etwas anderes: Was ist ein Versprechen noch wert, wenn ein Konzern einfach Kafka spielt?
Besonders drastisch ist das Verhalten der Fluglinie im Vergleich. Denn kurz nach dem Lufthansa-Desaster hatte ich ein Problem mit einem Aegean-Flug. Und plötzlich war da etwas, das ich fast vergessen hatte: Ein Mensch. Ein Name. Ein konkreter Ansprechpartner, der sich kümmerte, der zurückrief, der verstand. Die Sache war in weniger als 24 Stunden gelöst – professionell, kulant, respektvoll. Meine Tickets seien zwar laut Tarifbedingungen nicht erstattbar, schrieb mir eine freundliche Dame von der griechischen Airline völlig korrekt. Und weiter: „Ich verstehe jedoch, dass die Tickets in der aktuellen Ausgabe Ihren Reiseanforderungen nicht entsprechen. Daher erstatten wir Ihnen ausnahmsweise gerne den vollen Betrag zurück, damit Sie neue Tickets Ihrer Wahl erwerben können, die Ihren Wünschen besser entsprechen.“
Das ist nicht nur eine andere Welt als Lufthansa – es ist eine andere Galaxie. Und nicht nur beim Kunden-Service ist Aegean der Lufthansa um Meilen voraus. Auch beim Fliegen selbst: Keine „R1-Spielchen“ – jene absurden Routings über Frankfurt, München oder Zürich, obwohl das Ziel längst in Reichweite liegt. Keine künstlichen Umwege, keine Umstiegs-Zwangsbeglückung in Terminal-Dungeons. Einfach landen – wie früher.
Und das Überraschendste: Selbst in der Economy gibt es bei Aegean noch ein kleines, aber ehrliches Essen – auf Strecken, bei denen es bei der Lufthansa nicht mal mehr einen Keks gibt, dafür aber einen App-Download, um sich eine Getränkekarte anzusehen, die es dann ohnehin nicht mehr gibt.
Ohne Marketing-Orwell, ohne Beton-Labyrinth, ohne den Eindruck, Teil eines Systemfehlers mit Bonusmeilen zu sein. Dagegen wirkt die Lufthansa wie ein Konzern aus einer anderen Zeit. Oder schlimmer noch: aus einer Parallelwelt, in der Kunden keine Menschen, sondern Störfaktoren sind. Man hat den Eindruck, Lufthansa will gar keine Passagiere mehr – nur noch Daten, Subventionen und Pressepreise für Diversity-Initiativen.
P.S.: Eine offizielle Stellungnahme der Lufthansa hätte ich als Journalist gern eingeholt. Doch solche Anfragen werden seit Jahren ignoriert – systematisch, nicht versehentlich. Das ist keine Kommunikationspanne, das ist „Haltung“ – im rot-grünen, pervertierten Sinne. Wer nicht passt, wird nicht beantwortet. Der Konzern, der sich so gern in Regenbogenfarben zeigt, Wokeness propagiert und sich in progressivem Gewand inszeniert, behandelt kritische Journalisten wie Störenfriede – und entzieht ihnen die Anerkennung als Presse. Man entscheidet dort offenbar nach Gesinnung, wer Journalist ist – und wer nicht. Ein Verhalten, das an düstere Kapitel deutscher Geschichte erinnert – und mit demokratischer Kultur nichts mehr zu tun hat.
P.P.S.: Dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt, zeigte sich wenig später, als ich via Lufthansa für einen Flug mit „Austrian Airlines“ – ebenfalls Teil des Lufthansa-Konzerns – eine Katze mitnehmen wollte. Ich buchte telefonisch, bezahlte die Extra-Gebühr für das Tier. Dann kam eine Mail: Ich müsse dringend bei Austrian anrufen. Also rief ich an – nur um zu hören, ich solle das Telefon bitte aus der Hand legen und stattdessen eine E-Mail mit allen Daten schreiben. Gesagt, getan. Die Antwort: Ich müsse nun die Mitnahme der Katze bezahlen. Nur: Das hatte ich längst getan.
Man schickte mich zurück zur Lufthansa. Dann wieder zu Austrian. Dann wieder zurück. Auch bei einem früheren Flug war es so – und ich stellte später fest, dass die Bezahlung aus dem System gefallen war. Hätte ich das nicht, übervorsichtig wie ich bin, ein paar Tage vor Abflug noch einmal geprüft – es hätte eine sehr unerfreuliche Überraschung am Schalter gegeben.
Ein ganz normaler Vorgang wurde zur bürokratischen Tretmühle – kafkaesk mit Tierbeilage.
Die Liste solcher Beispiele könnte allein ich endlos fortsetzen – und sicher auch viele von Ihnen (siehe auch Artikel-Tipps unten).
P.P.P.S.: Bei der Gelegenheit möchte ich noch betonen, dass ich viele wunderbare Mitarbeiter der Lufthansa kenne – die Crew bei meinem letzten Flug gehört dazu, weil sie das Chaos am Frankfurter Flughafen vorbildlich meisterte (siehe hier). Das Problem ist nur: Viele Mitarbeiter klagen selbst, wie sehr sie unter der Konzernführung leiden, und wie diese das einst tolle Unternehmen zugrunde richtet. „Genauso fühlen wir operativen Mitarbeiter“, schrieb mir ein „Lufthanseat“ nach meinem Artikel über die Hütchenspiele und das Chaos bei Lufthansa und „Miles & More“. Eine traurige Bestätigung: Nicht nur Kunden erleben das Desaster – auch jene, die früher stolz waren, Teil dieses Unternehmens zu sein. Ihr Verdikt: Seit der politisch überkorrekte Carsten Spohr 2014 den Vorsitz übernahm, geht es bergab. Und die sogenannte Qualitätspresse? Verschweigt das alles. Aus Angst vor Anzeigen? Oder vor der AfD? Oder einfach nur aus Feigheit? (Siehe hier).
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