Es gibt diese Momente, da stirbt etwas in einem. Nicht laut, nicht dramatisch – sondern leise, zäh und endgültig. Das letzte bisschen Vertrauen, das man sich hartnäckig bewahrt hat, gegen jede Erfahrung, gegen jede Statistik, gegen jedes Urteil. So ein Moment war heute. Karlsruhe hat gesprochen. Oder vielmehr: geschwiegen. Die Verfassungsbeschwerde von Christian Dettmar wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Satz, ein Akt. Und ein Abgrund.
Ein Familienrichter, der das tat, was man ihm im Sozialkundeunterricht beigebracht hatte – eigenständig denken, Recht sprechen nach bestem Wissen, das Kindeswohl im Blick. Dafür wurde er vor Gericht gezerrt, medial geschlachtet und schließlich verurteilt. Zwei Jahre auf Bewährung – wegen Rechtsbeugung. Und nun auch noch das: Karlsruhe will davon nichts wissen. Nicht mal anhören wollen sie ihn, diesen Mann, der alles riskiert hat, was ihn einmal ausmachte: Amt, Würde, Ansehen. Seine Existenz. Sie wurde systematisch vernichtet.
Man muss kein Jurist sein, um zu spüren, was hier passiert ist. Man muss nur ein Gefühl für Gerechtigkeit haben. Und vielleicht den fatalen deutschen Hang zur Selbstverleugnung erkennen, der uns durch die Geschichte begleitet: Immer gehorchen, immer ducken, nie aus der Reihe tanzen. Wer das doch tut, fliegt raus. Oder landet vor Gericht. So wie Christian Dettmar.
Natürlich sagen sie, er habe sein Amt missbraucht. Natürlich klingt es im Juristendeutsch ganz sauber: nicht zuständig gewesen, Gutachter vorab gekannt, angeblich gezielt manipuliert. Aber die Wahrheit liegt nicht in den Paragrafen. Sie liegt in der Botschaft: Es geht hier nicht um Fehler – es geht um Abweichung. Dettmar hat sich gegen den Pandemie-Wahnsinn gestellt. Er hat Kinder schützen wollen, nicht Regulierungen durchsetzen. Und das war sein eigentlicher Fehler. Sein „Verbrechen“.
Was bleibt also? Ein Mann zerstört. Eine Justiz beschädigt. Und ein Land, das weiter so tut, als sei alles in Ordnung. Als ginge es hier um objektives Recht – und nicht um politische Hygiene.
Dabei ist es exakt diese Hygiene, die uns am Ende krank macht.
Karlsruhe wirkt inzwischen nur noch wie ein Abglanz alter Zeiten – seit Angela Merkel ihren Vertrauten Stephan Harbarth aus der Unionsfraktion direkt an die Spitze des Verfassungsgerichts hob. Offiziell war Harbarth an der Entscheidung über Dettmar nicht beteiligt. Doch sein Schatten liegt über ihr. Wie über all den Instanzen, die es so eilig hatten, ihn zu verurteilen. Je höher das Gericht, desto willfähriger. Eine beängstigende Umkehrung des Rechtsstaatsprinzips: Unten gibt es bisweilen noch Richter mit Rückgrat – oben dominiert längst die Gesinnung. Denn Karriere macht nur, wer angepasst ist.
Und so zeigt dieser Fall in brutaler Klarheit, was geschieht, wenn man ernst nimmt, was die politmediale Klasse sonst nur sonntags predigt: Zivilcourage. Eigenverantwortung. Haltung – dieses schäbig gewordene Wort. Wer all das wirklich lebt, wird nicht geehrt, sondern geopfert.
Natürlich ist das kein neuer Totalitarismus. Niemand wird eingesperrt, gefoltert, deportiert. Aber etwas ist zurückgekehrt, das wir längst hinter uns glaubten: Der stille Gehorsam. Die Angst, zu widersprechen. Die staatlich sanktionierte Ächtung des Abweichlers.
Aus der Geschichte gelernt? Vielleicht im Schulbuch. Vielleicht bei Gedenkfeiern. Aber nicht im Alltag. Nicht im Rechtssaal. Und schon gar nicht in Karlsruhe.
Manche sagen, so etwas könne nie wieder passieren. Sie irren.
Es passiert nicht genauso. Es passiert im neuen Gewand.
Aber die Muster sind dieselben: Ducken, folgen, ausgrenzen.
Und vielleicht waren diese Muster nie ganz verschwunden – nur besser getarnt.
Sie lagen im Verborgenen, geduldig, abrufbereit.
Nicht tot – nur ruhiggestellt. Bis man sie wieder wollte.
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