• 1. Juli 2025

Sommerprognose: Iran-Konflikt dämpft Osteuropas Wachstum kaum

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Juli 1, 2025
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Wien (ots)

Region wächst viel stärker als Eurozone; Russlands Wachstum halbiert sich auf 2%; Ukraine mit großen Problemen; Polen expandiert weiterhin stark; Ungarns Konjunktur bricht ein

Auch wenn der Konflikt zwischen Israel und dem Iran sowie die Handelspolitik von US-Präsident Trump für große Unsicherheit sorgen und das internationale Umfeld schwierig bleibt, dürfte das Wachstum in den meisten Volkswirtschaften in Mittel-, Ost- und Südosteuropa 2025 und 2026 robust bleiben – auch in den EU-Mitgliedern. Das zeigt die neue Sommerprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) für 23 Länder der Region. „Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Konflikt um Irans Atomprogramm nicht weiter eskaliert und sich zu einem regionalen Krieg ausweitet, der die Ölpreise massiv in die Höhe treibt“, sagt Richard Grieveson, stellvertretender Direktor des wiiw und Hauptautor der Sommerprognose. „Grundsätzlich hat sich die Region gegenüber externen Schocks immer wieder als sehr resilient erwiesen“, so Grieveson.

Für 2025 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein Wachstum von durchschnittlich 2,3%, eine leichte Revision nach unten um 0,2 Prozentpunkte gegenüber der Frühjahrsprognose. 2026 sollte es mit 2,8% weiter anziehen – wie bereits im Frühjahr erwartet. „Die Entwicklung verläuft aber zweigeteilt. Während Polen, Bulgarien, Kroatien und Litauen weiterhin stark wachsen, müssen Ungarn, Rumänien und die Slowakei Ausgaben kürzen, um ihre hohen Budgetdefizite unter Kontrolle zu bringen, was dort neben anderen Faktoren das Wachstum dämpft“, analysiert Grieveson. Dennoch dürften die EU-Mitglieder in Ostmittel- und Südosteuropa heuer insgesamt rund dreimal so stark wachsen wie die Eurozone (0,7%) und 2026 mit 2,8% immerhin doppelt so stark wie diese (1,4%). Ihren ökonomischen Aufholprozess gegenüber Westeuropa werden sie damit fortsetzen können.

Zwar kämpft die stark mit Deutschland verflochtene Industrie in wichtigen Staaten der Region wie Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn oder Rumänien nach wie vor mit der industriellen Schwäche in der Bundesrepublik. Getrieben wird ihr Wachstum allerdings immer noch vom starken Privatkonsum infolge kräftiger Reallohnsteigerungen und ausgetrockneter Arbeitsmärkte. „Die Leute geben das zusätzlich verfügbare Einkommen in vielen Ländern der Region nach wie vor auch aus, was die Konjunktur stützt“, erklärt Grieveson. Spitzenreiter beim Wachstum unter den östlichen EU-Mitgliedern ist Polen, und zwar sowohl heuer als auch im nächsten Jahr mit jeweils 3,5%, gefolgt von Kroatien mit heuer 2,9% und 2,8% im kommenden Jahr. Die sechs Staaten am Westbalkan werden 2025 um durchschnittlich 3% und 2026 um 3,6% expandieren, die Türkei 2025 um 3,4% und 2026 um 4%.

Die Aussichten für die kriegsgeplagte Ukraine haben sich neuerlich eingetrübt. Für 2025 prognostiziert das wiiw dem Land nur mehr ein Wachstum von 2,5%, eine Revision nach unten um 0,5 Prozentpunkte. Die Schäden durch den Krieg und eine voraussichtlich schlechte Ernte hinterlassen Spuren. Bei Aggressor Russland dürfte sich das starke Wachstum der beiden vergangenen Jahre auf heuer 2% halbieren und sich im kommenden Jahr auf 1,8% weiter verlangsamen. Einen Ausreißer nach oben stellt Kasachstan dar, das dank sprudelnder Öleinnahmen und eines prosperierenden Bausektors heuer um 5% und 2026 um 4,5% wächst.

Iran, Trumps Zölle und der Ukraine-Krieg als Abwärtsrisiken

Das größte Abwärtsrisiko besteht in einer neuerlichen Eskalation des Konflikts zwischen Israel und dem Iran. „Sollte Teheran die Straße von Hormus für den Schiffsverkehr schließen, könnte das die Ölpreise nach oben schnellen lassen, die Inflation befeuern und das Wachstum hart treffen“, analysiert Grieveson. Aber auch die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump und ein möglicher Handelskrieg der USA mit der EU könnte die Wirtschaftsentwicklung in Mittel-, Ost und Südosteuropa gefährden. „Die direkten Handelsströme zwischen der Region und Amerika sind zwar überschaubar. Über eine geringere US-Nachfrage nach europäischen Industrieprodukten und weniger Investitionen in Ostmitteleuropa dürfte die Region im Falle hoher US-Zölle gegen die EU aber leiden“, so Grieveson.

Nicht zu vergessen sind auch die negativen Auswirkungen einer möglichen Abwendung der USA von der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland. „Wenn Trump die Ukraine fallen lässt, könnte das ein sicherheitspolitisches Vakuum in Ostmitteleuropa entstehen lassen, die NATO schwächen und Investoren abschrecken“, meint Grieveson.

Aussichten für die Ukraine trüben sich ein

Obwohl das wiiw nach wie vor nicht von diesem Negativszenario ausgeht, verdüstern sich die Aussichten für die Wirtschaft der Ukraine. Im ersten Quartal 2025 wuchs das Land Schätzungen zufolge annualisiert nur mehr um 1% gegenüber noch 2,9% im vergangenen Jahr. Für 2025 prognostiziert das wiiw dem Land ein Wachstum von 2,5%, eine Revision nach unten um 0,5 Prozentpunkte gegenüber dem Frühling. Positive Impulse durch die starke Konsumnachfrage und eine robuste Industrieproduktion – vor allem in der Rüstungsindustrie – können die Schäden durch den russischen Angriffskrieg aber nicht kompensieren. „Die Ukraine leidet unter einem Mangel an Luftabwehrraketen, was zu enormen Zerstörungen bei der kritischen Infrastruktur durch russische Drohnen- und Raketenangriffe führt. Auch der sich zuspitzende Arbeitskräftemangel durch die Mobilisierung für den Krieg lastet schwer auf der Wirtschaft“, sagt Olga Pindyuk, Ukraine-Expertin des wiiw.

Die Inflation hat sich zwischen April und Mai weiter beschleunigt und liegt nun bei rund 16%. „Das hat die Notenbank dazu gezwungen, den Leitzins bei hohen 15,5% zu belassen, was das Wachstum natürlich dämpft“, so Pindyuk. Dazu kommen die Auswirkungen einer heuer aufgrund von Trockenheit erwartbar schlechten Ernte und das vorläufige Ende der Zollerleichterungen für Agrarexporte in die EU. Für das stark von der Landwirtschaft abhängige Land sind das schlechte Nachrichten. „Die Wirtschaftsentwicklung in der Ukraine steht und fällt aber letztlich mit der finanziellen und militärischen Unterstützung durch den Westen. Sollte sich Trump davon verabschieden und sollten die Europäer einen Ausfall der USA nicht kompensieren können oder wollen, hätte das sehr negative Konsequenzen“, warnt Pindyuk.

Russlands Wachstum halbiert sich

Auch bei Aggressor Russland trüben sich die Wachstumsaussichten ein. Nach zwei starken Jahren durch die hohen Ausgaben für den Krieg dürfte sich das Wachstum 2025 gegenüber dem Vorjahr (4,3%) auf 2% halbieren. Für 2026 rechnet das wiiw mit einer weiteren Abschwächung auf 1,8%, eine Revision nach unten um 0,7 Prozentpunkte gegenüber dem Frühjahr. In den ersten vier Monaten des laufenden Jahres wuchs die Wirtschaft auf Jahresbasis nur mehr um 1,6% und die Industrieproduktion um 1,2%. „Der Zuwachs bei der Industrieproduktion ist zum Großteil auf die Rüstungsindustrie zurückzuführen, während viele andere Industriebranchen stagnieren oder gar schrumpfen“, sagt Vasily Astrov, Russland-Experte des wiiw.

Hauptverantwortlich für den Wachstumseinbruch ist die geldpolitische Vollbremsung der Zentralbank, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Diese ist mittlerweile auf annualisiert rund 6% gesunken. Zwar hat die Notenbank in einem ersten Schritt die hohen Zinsen bereits wieder um einen Prozentpunkt gesenkt, allerdings liegen sie damit immer noch bei exorbitanten 20%. „Die hohen Zinsen würgen die Wirtschaft ab, weil Kredite damit unerschwinglich sind und auch ein hoher Anreiz besteht, Geld auf Bankkonten zu horten“, so Astrov. „Wenig überraschend droht auch eine Pleitewelle bei Unternehmen, die teilweise auch große Konzerne und Leitbetriebe erfassen könnte.“

Hatte es im Frühjahr noch so ausgesehen, als ob die US-Sanktionen im Windschatten der Annäherung zwischen Trump und Putin beim Ukraine-Krieg bald gelockert oder aufgehoben werden könnten, hat sich diese Hoffnung für Russland vorerst in Luft aufgelöst. „Das ist ein weiterer wesentlicher Grund dafür, warum Russland 2026 langsamer wachsen dürfte, als noch vor kurzem angenommen“, erklärt Astrov. Dazu kommen die gesunkenen Einnahmen aus dem Ölgeschäft angesichts gefallener Preise und der Umstand, dass die Substitution von Importen aus dem Westen durch eigene Produktion zunehmend an ihre Grenzen stößt.

Sinkende Energie- und Steuereinnahmen werden 2025 auch das Budgetdefizit auf 1,8% des BIP steigen lassen, anstatt der ursprünglich von der Regierung veranschlagten 0,5%. „Das ist aber nicht bedrohlich. Die russische Regierung hat nach wie vor genügend finanziellen Spielraum aufgrund der noch vorhandenen fiskalischen Reserven und der Möglichkeit, bei heimischen Banken Kredite aufnehmen zu können“, sagt Astrov.

Pressekontakt:

Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw)
Mag. Andreas Knapp
Telefon: +43 680 1342 785
E-Mail: [email protected]

Original-Content von: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), übermittelt durch news aktuell

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