Der Bundeskanzler steht seit Amtsantritt im Schatten seines Innenministers. Das verschaffte ihm bisher Luft. Alle Augen waren auf die Entscheidungen von Alexander Dobrindt gerichtet, der die Begrenzung der illegalen Migration in Angriff genommen hat oder meint, genommen zu haben.
Der Aktionismus seines CSU-Ministers überlagert die Rolle von Merz in Zeiten des Krieges. Deutschland ist zwar nicht offiziell im Krieg, das Gemetzel in der Ukraine und im Gazastreifen stellt allerdings unmittelbare Anforderungen an deutsche Politik.
Heute wurden zwei bedeutende Ankündigungen von Friedrich Merz bekannt, die sich jeweils auf einen der beiden verheerenden Kriege beziehen. Geäußert hatte sie der Bundeskanzler beim „WDR Europaforum 2025“ auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin.
Merz setzt die Politik des bedingungslosen Beistands seines Vorgängers gegenüber der Ukraine nicht nur fort, der Kanzler knüpft das Schicksal unseres Landes bindungslos an jenes der Ukraine, ohne dass es dafür im Vorfeld irgendwelche Bündnisverpflichtungen oder Ähnliches gegeben hätte.
Merz verkündete jetzt offiziell, dass Reichweitenbeschränkungen von Deutschland an die Ukraine gelieferter Waffen für ihn keine Rolle mehr spielen sollen:
„Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten, noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht.“
Per X bestätigte Merz seine Aussage noch, was es ihm morgen noch schwieriger machen dürfte, wieder einmal zurückzurudern:
„Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Ukraine weiter zu unterstützen. Das bedeutet auch keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die wir liefern. Die Ukraine kann sich jetzt auch verteidigen, indem sie militärische Stellungen in Russland angreift.“
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Wie wird Russland reagieren, wenn der von Merz und Selenskyj angestrebte und erhoffte Schaden mit deutschen Waffen auf russischem Territorium angerichtet ist? Glaubt ernsthaft jemand, dass Russland so in die Knie gezwungen werden könnte? Fakt ist: Ein Zurück zu einer ernstzunehmenden diplomatischen Lösung wäre damit für lange Zeit ausgeschlossen. Insbesondere für Deutschland wäre damit jede irgendwie vermittelnde Position verwirkt.
Die zweite vielbeachtete Aussage von Friedrich Merz betrifft die bedingungslose deutsche Staatsräson gegenüber Israel, die zuvor noch von jedem Kanzler während seiner Kanzlerschaft mindestens einmal verbal erneuert wurde.
Friedrich Merz schloss sich hier zwar unmittelbar an, kündigte aber angesichts von 50.000 Toten im Gazastreifen – davon viele Zivilisten – 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz die Bedingungslosigkeit dieser deutschen Staatsräson auf. Wörtlich erklärte der Bundeskanzler:
„Das, was die israelische Armee jetzt im Gazastreifen macht – ich verstehe offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel. Die Zivilbevölkerung derart in Mitleidenschaft zu nehmen, wie das in den letzten Tagen immer mehr der Fall gewesen ist, lässt sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen.
Vielleicht darf ich das auch noch dazu sagen: Dieses Land Deutschland muss sich nun mit Ratschlägen – öffentlichen Ratschlägen – an Israel so weit zurückhalten wie kein zweites auf der Welt. Und ich glaube, ich brauche das nicht zu erläutern. Aber wenn Grenzen überschritten werden, wo einfach das humanitäre Völkerrecht jetzt wirklich verletzt wird, dann muss auch Deutschland, da muss auch der deutsche Bundeskanzler dazu etwas sagen.
Und ich tue das auch, tue das hier heute. Ich habe das in den letzten Tagen schon getan, tue das auch in dieser Woche. Wir haben ein hohes Interesse daran, an der Seite Israels zu bleiben. Und Israel, glaube ich, umgekehrt auch, dass Deutschland der wichtigste Partner bleibt – aus Europa jedenfalls. Und ich möchte, dass das auch so bleiben kann. Aber die israelische Regierung darf nichts tun, was nun irgendwann ihre besten Freunde nicht mehr bereit sind zu akzeptieren.“
Auch hier zeigte Merz die Bedeutung, die er seinen Worten gibt, indem er explizit diesen Ausschnitt des Gesprächs via X mit seinen Followern teilte.
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Author:
Alexander Wallasch