Zum gestrigen Messerattentat am Hamburger Bahnhof meldet das Presseportal der Polizei Hamburg unter anderem:
„Nach derzeitigen Erkenntnissen hat eine 39-jährige Deutsche allein handelnd und offenbar wahllos auf Passanten eingestochen und diese zum Teil lebensgefährlich verletzt. Einsatzkräfte der Polizei haben die Tatverdächtige vorläufig festgenommen.“
Bekanntgegeben werden hier Alter und Nationalität der Messerattentäterin. Das verwundert zunächst, denn die Nationalität als ergänzende Täterbeschreibung wurde in der Vergangenheit seltener genannt und thematisiert.
Der „Pressekodex“ (Richtlinie 12.1) des „Presserats“ schreibt dazu:
„In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Nun sprechen laut „Pressekodex“ durchaus auch eine Reihe von Gründen für eine Nennung. Solche Gründe werden allerdings in den allermeisten Fällen nicht berücksichtigt.
Der Anteil von Ausländern an Messerdelikten liegt vielfach deutlich über ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung. Im vergangenen Jahr hatte der „Presserat“ explizit einer etablierten überregionalen Zeitung eine Missbilligung ausgesprochen, weil diese Fakten über Ausländerkriminalität verzerrt dargestellt habe:
Die Zeitung habe es versäumt, ihre Zahlen über die Herkunft von Messerangreifern in Relation zum Ausländeranteil zu setzen. Oder anders: Wenn ich sage, die ausländischen und einheimischen Messerstecher seien in etwa gleich verteilt, ist zu ergänzen, dass der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung wesentlich geringer ausfällt.
Nachdem mutmaßlich die Süddeutsche Zeitung – Google-Recherche, der Name wird nicht explizit genannt – eine Korrektur vorgenommen hatte, meldete der Beschwerdeausschuss des Presserats:
„Der Beschwerdeausschuss beschließt einstimmig eine Missbilligung wegen Verstößen gegen die Wahrhaftigkeit und das Ansehen der Presse nach Ziffer 1 sowie gegen die Sorgfaltspflicht nach Ziffer 2 des Pressekodex. Die beanstandete Passage stellt die zugrundeliegenden Fakten verzerrt dar, da sie den tatsächlichen Bevölkerungsanteil außer Acht lässt.“
Der Ausschuss des Presserats hält diese Irreführung sogar für wesentlich, da die Redaktion hier über einen zentralen Aspekt hinweggegangen sei und der Sachverhalt passend gemacht – also eine eigene Wahrheit produziert – werden sollte. Weiter heißt es dann:
„Auch die Korrektur hält der Beschwerdeausschuss für nur halbherzig. Zum einen wurde sie nicht transparent gemacht. Zum anderen ist die neue Formulierung ‚Damit sind Taten von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit statistisch überrepräsentiert, was Experten aber eben vor allem auf Faktoren wie Geschlecht, Armut und Alter zurückführen‘ nach Meinung eines Ausschussmitglieds nicht für jeden verständlich.“
Die Bedeutung der Nationalität spielt demnach durchaus eine entscheidende Rolle. Dennoch hatten eine Reihe von Pressestellen der Polizei entschieden, Nationalitäten nicht mehr zu nennen. So behauptete Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) Mitte 2024, es gebe überhaupt „keinen Zusammenhang […] zwischen Nationalität und Straftat“. Die Ministerin führte damals weiter aus, solche Details würden missbraucht, um Menschen zu diskriminieren. Dieses Vorgehen stehe im Pressekodex und habe sich bewährt. Dort steht allerdings nichts von einem generellen Verbot.
Die Gewerkschaft der Polizei Niedersachsen sprang der Innenministerin dennoch zur Seite: Es bringe Unruhe, wenn die Herkunft der Verdächtigen thematisiert werde, und das bedeute dann mehr Arbeit.
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Aber wie verhält es sich im aktuellen Hamburger Fall mit der Nennung der Nationalität? Denn von dort heißt es ja explizit: „Nach derzeitigen Erkenntnissen hat eine 39-jährige Deutsche …“. Soll hier transparent werden, dass es sich nicht um eine Ausländerin gehandelt hat? Und soll das wiederum helfen, „Unruhe“ zu vermeiden?
Der „Stern“ titelte gestern: „Nationalität in Polizeimeldungen erzeugt Vorurteile statt Transparenz“. Dabei bezieht sich das Magazin auf eine Anweisung des Innenministeriums in Schleswig-Holstein, wo die Nennung der Nationalität jetzt ausdrücklich vorgesehen sein soll. Der „Stern“ fragt zunächst:
„Man wird über die Nationalität des mutmaßlichen Messerstechers informiert. Wozu soll das gut sein?“
Das Hamburger Magazin befindet abschließend, das sei „Irrsinn“. Es handle sich hier tatsächlich um eine Maßnahme, „die Türen aufstößt zu mehr Diskriminierung – und einer Hetze Vorschub leistet, von der Rechtsextreme leben.“
Das muss man zwei Mal lesen, um es zu verstehen: Transparenz und Wahrheit leisten Rechtsextremismus Vorschub? Das passende Etikett dazu: „Die Wahrheit kann verunsichern“.
Noch einmal der Stern:
„Eine Gesellschaft, die Kriminalität bekämpfen will, kann kein Interesse an Diskriminierung haben. Und die fängt bei der Nennung der Nationalität von Verdächtigen an.“
Zur Erinnerung: Jetzt heißt es in der eingangs erwähnten Pressemeldung der Hamburger Polizei zum aktuellen Messerattentat am Bahnhof, eine Deutsche habe zugestochen. Ist das keine Diskriminierung? Kann man Teilnehmer der Mehrheitsgesellschaft nicht diskriminieren, so wie man nicht rassistisch gegen Weiße sein kann, wie behauptet wird?
Oder ist es dann wieder eine gültige Diskriminierung, wenn Deutsche in bestimmten Kommunen, Stadtvierteln und Straßenzügen zur Minderheit geworden sind?
Auch Nordrhein-Westfalen will die Nationalität der Täter zukünftig melden. Rheinland-Pfalz stellt sich explizit dagegen. Hier heißt es:
„Gibt es gezielte Nachfragen der Presse in der Pressestelle eines Präsidiums, entscheiden die Kolleginnen und Kollegen in den Präsidien im Einzelfall, ob die Nationalität auf die gezielte Nachfrage hin genannt werden kann.“
Der Beamte wird hier also wider Willen zum Experten für Fragen zum Pressekodex? Die Debatten und Diskussionen mit den anfragenden Medienvertretern mag man sich lebhaft vorstellen.
Nun muss man die Hamburger Polizei allerdings explizit vom Verdacht der Diskriminierung freisprechen. Denn hoch im Norden wird die Nationalität offenbar unabhängig davon genannt, wie relevant die Herkunft für den Fall ist.
So hieß es gestern in einer „Bilanz eines Schwerpunkteinsatzes der Hamburger Fahrradstaffeln“ im Zusammenhang mit einem frisierten Pedelec (E-Rad mit Fußunterstützung):
„Damit stellt das Pedelec faktisch ein Kraftfahrzeug dar, sodass gegen den 35-jährigen Ghanaer Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz eingeleitet wurden.“
Dass es sich hier um einen radelnden Afrikaner handelt, dürfte auch im Sinne einer höheren Transparenz vollkommen irrelevant sein.
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Author:
Alexander Wallasch