Von Kai Rebmann
Was können ein französischer Mathematiker und Datenanalyst oder ein chinesischer Oppositioneller zur Aufklärung des wahrscheinlichen Ursprungs der Corona-Krise beitragen? Eine ganze Menge, jedenfalls dann, wenn sie sich mit Gleichgesinnten zu einem internationalen Netzwerk zusammenschließen, in dem jeder die spezifische Expertise aus seinem Bereich einbringt. Es ist genau dieser interdisziplinäre Austausch der wirklich unabhängigen Wissenschaft, die der Welt in den vergangenen Jahren womöglich einiges hätte ersparen können – und der von Regierungen und der WHO so lange unterdrückt wurde.
Gilles Demaneuf und Billy Bostickson, der der Öffentlichkeit zum eigenen Schutz nur unter diesem Pseudonym bekannt ist, gehören einer Gruppierung namens „DRASTIC“ an (Decentralized Radical Autonomous Search Team Investigating Covid-19) und haben jetzt der „Berliner Zeitung“ ein leider hinter der Bezahlschranke verstecktes Interview gegeben.
Die beiden Experten schrecken auch nicht davor zurück, den Kollegen aus der Hauptstadt zumindest zwischen den Zeilen den Spiegel des eigenen Versagens in dieser Phase auszudrücken. Bostickson drückt das so aus: „Viele etablierte Journalisten und Wissenschaftler versäumten es, grundlegende Fragen zu stellen.“ Stattdessen haben sich die allermeisten Mainstream-Medien von Beginn an bereitwillig dem von Regierungen weltweit und allen voran der WHO diktierten Narrativ einer natürlichen Übertragung auf einem Wildtier-Markt in Wuhan unterworfen. Dies habe, so ergänzt Demaneuf, „international zu einer Kultur der Selbstzensur“ geführt.
Mehr noch: Den ganz großen Fischen, namentlich erwähnt wird die „Washington Post“, wurde eine ganz besondere Rolle zugedacht. Der Oppositionelle aus China bezeichnet sie als einen „Gatekeeper des Systems“, deren Aufgabe bei Fragen insbesondere zum Ursprung von Sars-CoV-2 darin bestanden habe, „unbequeme Informationen abzumildern oder zu ignorieren.“ So sei es zum Beispiel bei einem von DRASTIC veröffentlichten und als „Project Defuse“ bekannt gewordenen Papier der Fall gewesen. Die „Washington Post“ und zahlreiche weitere Medien brachten kurz darauf eine stark „verwässerte Version“ des Papiers, beklagt Bostickson, offenkundig mit dem Ziel, den befürchteten Schaden in Grenzen zu halten.
‚Project Defuse‘ wurde zum Wendepunkt
Und der Inhalt dieses Papiers ist in der Tat hochbrisant – es bestätigt genau das, worauf unter anderem Professor Roland Wiesendanger nicht zuletzt bei reitschuster.de in den vergangenen Jahren schon mehrfach hingewiesen hat (siehe hier und hier). Billy Bostickson spricht von einem „Wendepunkt“ in der öffentlichen Debatte und führt dazu aus: „In dem DARPA-Vorschlag [Defense Advanced Research Projects Agency = Behörde für Forschungsprojekte zur Verteidigung] von 2018, eingereicht von der EcoHealth Alliance und dem Wuhan Institute of Virology, wurde vorgeschlagen, Furin-Spaltstellen in Sars-ähnliche Coronaviren einzufügen – genau dieses Merkmal macht Sars-CoV-2 einzigartig.“
Der Antrag sei damals zwar abgelehnt worden, dennoch sei der Inhalt „explosiv“ gewesen: „Er zeigte, dass sowohl das technische Know-how als auch das Interesse vorhanden waren, ein solches Virus zu konstruieren.“ Die Informationen habe DRASTIC damals von einer Quelle mit Verbindungen zur US-Navy erhalten, so Bostickson.
Einen nicht minder wichtigen Beitrag leistete Gilles Demaneuf, wenn auch auf einem gänzlich anderen Feld. Als Mathematiker, der der Datenanalyst aus Paris von Haus aus ist, versuchte er die Debatte schon im Frühjahr 2020 „von spekulativen molekularbiologischen Argumenten“ hin zu „einer risikobasierten Bewertung“ zu lenken und schließlich zur Fragestellung: „Welches Szenario ist bei objektiver Betrachtung plausibler – ein natürlicher Spillover oder ein Laborunfall?“
Aufarbeitung politisch nicht gewünscht
Das Ergebnis fasst der Wissenschaftler von der École centrale Paris so zusammen: „Selbst mit extrem konservativen Annahmen lag die Wahrscheinlichkeit eines Laborunfalls bei 55 Prozent. Mit objektiveren Annahmen stieg sie auf 80 bis 90 Prozent. Das alles ohne genetische Spekulationen auf dünner Datenbasis – rein auf Grundlage relevanter Risikofaktoren und des singulären Ausbruchsorts.“
Als Lehre aus der Vergangenheit fordern die Mitglieder von DRASTIC vor allem internationale, verbindliche Regeln für die hochumstrittene Gain-of-Function-Forschung sowie „mehr Druck von unten“. Soll heißen: Mehr Kooperationen derartiger Initiativen, genannt wird etwa die Zusammenarbeit von DRASTIC mit „US Right to Know“ oder „Biosafety Now“, um mit Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz „mehr Licht ins Dunkel zu bringen“, wie Bostickson fordert: „Wissenschaft braucht Aufsicht – durch Transparenz, öffentliche Kontrolle und unabhängige Strukturen.“
Dass es bis zu diesem wünschenswerten Zustand aber noch ein weiter Weg ist, ahnt zumindest auch Gilles Demaneuf. Der Franzose glaubt zwar, dass es innerhalb der nächsten zwei Jahre zu einem wissenschaftlichen Konsens kommen werde, wonach ein Laborunfall als wahrscheinlichste Erklärung anerkannt werde, aber: „Eine wirklich unabhängige Untersuchung wird es nicht geben – es fehlt am politischen Willen.“
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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