Ulf Poschardt – Chefredakteur, Feuilletonist, Freiheitsapostel. Er gibt sich liberal, urban, schnell. Ein Mann der Geschwindigkeit, der Form, der Pose. Aber was steckt hinter der Rasanz?
Poschardt ist kein Führender. Er ist ein Spiegel. Ein gut polierter, blitzender Spiegel der spätbürgerlichen Elite, die von Freiheit spricht, während sie längst im Geflecht ihrer eigenen Eitelkeit gefangen ist.
Er ist der Archetyp des ästhetisierten Tricksters, eine Figur zwischen Glanz und Bedeutungslosigkeit, der inmitten des Untergangs noch daran glaubt, dass ein eleganter Satz die Zivilisation retten könnte.
Doch Worte retten nicht, wenn sie sich nur um sich selbst drehen.
Poschardt liebt den Widerspruch – aber nur als Stilmittel. Er spielt mit Kontur, um Tiefe zu vermeiden. Er ist der Intellektuelle im Maßanzug: moralisch ungebunden, aber moralisch empört, distinktionssüchtig, aber weltentrückt.
Er fährt Porsche, aber spricht von Bürgerlichkeit. Er lebt Elite, aber schreibt von Rebellion. Während der Coronazeit war er systemfromm – anpassungsfähig, affirmativ, medienkompatibel. Kein Widerspruch, keine Grenzüberschreitung, kein Risiko.
Und jetzt, mit seinem „Shitbürgertum“, verkauft er sich als Querdenker im Smoking. Doch das Buch ist kein Bekenntnis – es ist ein Bühnenstück, in dem er sich selbst als Opposition inszeniert, während er weiter an den Rändern der Macht entlangflaniert.
Was darin fehlt, ist nicht Argumentation – es ist Konfrontation mit dem eigenen Schatten. Die wahren Ausgestoßenen, die wahrhaft Widerspenstigen – jene, die in den Jahren des medialen Exorzismus geopfert wurden – kommen nicht vor.
Denn Poschardt ist kein Rufer aus der Tiefe. Er ist der Narziss am Rednerpult, der sich in seiner Haltung spiegelt und den Abgrund verwechselt mit der Bühne.
Tiefenpsychologisch ist er ein kompensierender Typus: Getrieben von der Angst vor Bedeutungslosigkeit, überspielt er Tiefe mit Tempo, Verantwortung mit Eleganz, Wirklichkeit mit Ironie.
Er gehört zur Klasse der „medialen Hofnarren“, die jede Wahrheit in die Form des Kommentars gießen, damit sie nicht brennt.
Doch Wahrheit, die nicht brennt, ist keine Wahrheit – sie ist Dekor.
Poschardt ist nicht das Problem. Er ist das Symptom. Ein Repräsentant jener medialen Kaste, die das Spiel noch spielt, obwohl der Ball längst geplatzt ist.
Er fühlt, dass die Ordnung wankt – aber er redet weiter, als ginge es um Stilfragen.
Dabei ist die Frage längst: Was bleibt, wenn die Pose fällt? Was bleibt, wenn Worte nicht mehr blenden, sondern entschleiern müssen?
Poschardt ist der Ästhet im Maschinenraum. Er hört die Zahnräder kreischen, doch statt anzuhalten, legt er Chopin auf.
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Author:
Alexander Wallasch