Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
Deutschland ist am Ende, da kann man nichts machen. Aber warum?
Nicht etwa wegen Friedrich Merz, dem fleischgewordenen inneren Widerspruch, auch nicht wegen Olaf Scholz, der wohl schon lange vergessen hat, was er einst in seinem Amtseid schwor, oder gar wegen Angela Merkel, zu deren Wirken ich mich jeden Kommentars enthalte, weil meine Haustür noch zu neu ist, um von staatlichen Überfallkommandos zertrümmert zu werden. Auch an Donald Trump liegt es nicht, dem Teufel aus Washington, und selbst Putin, der Gottseibeiuns aus dem Kreml, kann nichts dafür.
Nein, es war Dieter Hallervorden. 88 Jahre alt musste er werden, um das Grundgefüge des Deutschen Staates und der deutschen Kultur, sofern man davon noch sprechen darf, bis ins Mark zu erschüttern. Und das mit einem einfachen Fernsehauftritt, genauer gesagt mit einem einzigen Satz.
Geschehen ist es während der Gala zu dem ebenso aufregenden wie aufwühlenden Thema „75 Jahre ARD“ – ein Jubiläum, das man sinnvoll mit einer punktgenauen Abschaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hätte feiern können, aber bedauerlicherweise glaubte, mit einer Gala würdigen zu müssen, bei der man sich selbst beweihräucherte und das Publikum gemäß seiner Altersstruktur zur rechtzeitigen Nachtruhe bewog.
Aber nicht nur. Einer wagte es, ein wenig echte Satire anzubieten, der Älteste an Jahren war es und vielleicht auch der Frischeste an Geist: Dieter Hallervorden eben, der seinen in die Jahre gekommenen und altbekannten Sketch „Palim, Palim“ aufführen durfte, in dem es um eine Flasche Pommes Frites geht – sollte es doch noch Leser geben, an denen der Sketch während der letzten 40 oder 50 Jahre vorbei gegangen ist, so können sie sich das Original jederzeit ansehen.
Am Sketch selbst, an der eigentlichen Pointe hat Hallervorden nichts geändert, aber er stellte einen neuen Anfang voraus. Bevor die beiden Protagonisten, im Hauptberuf gelangweilte Insassen eines Gefängnisses, sich die Zeit ein wenig mit einem Spiel über einen Kaufmannsladen versüßen, äußert der von Hallervorden dargestellte Gefangene die Worte: „Mann, Mann, Mann, du. Knast, du. Wenn ick det gewusst hätte, dat man det nicht mehr sagt, ,Zigeunerschnitzel‘ und so, und ,Negerkuss‘ und so, Indianer und Cowboy kann man auch nicht mehr spielen. Wusste ich doch nicht, verstehste?“ Noch kann man das Video bei youtube sehen; wer weiß, wie lange noch.
Denn die Empörung brach sofort herein über die verwerfliche Neuerung. „Zigeunerschnitzel“ hatte er gesagt und „Negerkuss“ und auch noch „Indianer“, doch nicht nur das: Hallervorden hatte offenbar in seinem neuen Sketchanfang deutlich gemacht, dass sein fiktiver Häftling genau wegen der Äußerung der Worte „Zigeunerschnitzel“ und „Negerkuss“ inhaftiert worden war. Das war zu viel für die empfindlichen Seelen des deutschen Schmierlappen-Journalismus. Nicht für alle, das gebe ich zu. In der FAZ kommentierte man beispielsweise mit sanfter Ironie: „Und dann hielt Hallervorden das Stöckchen hin, über das nun all jene springen, die meinen, die ARD habe den Geist des Rassismus aus der Pommesflasche gelassen.“
Denn gesprungen sind sie und nicht zu knapp. Beginnen wir mit der Wochenzeitung „Die Zeit“, die einst ein linksliberales Blatt gewesen sein mag, inzwischen jedoch eine linkstotalitäre Überflüssigkeit ist, die man entsprechend ihrer Hamburger Herkunft bestenfalls zum Einwickeln der Einkäufe vom Fischmarkt verwenden kann. In ihrer Online-Ausgabe liest man: „Schlimmer noch, in der Mitte der Sendung kam es zu einem rassistischen Ausfall, der mehr als erklärungsbedürftig ist.“ Was sie damit meinen, erläutern die Autoren kurz darauf: „Und dann spricht Hallervorden das Z-Wort (für ein Schnitzel) und das N-Wort (für eine Süßigkeit) aus. Der Sketch beginnt also mit der Behauptung, er sei für die Verwendung dieser Worte eingesperrt worden.“
Sie schaffen es nicht einmal, die Worte „Zigeunerschnitzel“ und „Negerkuss“ zu schreiben und geben auch noch Unfug von sich, denn die Formulierung „N-Wort“ verwenden allzu zart Besaitete als Umschreibung für das Wort „Neger“, doch die Süßigkeit heißt Negerkuss und nicht Neger. Aber im Beschweren sind sie groß, sonst können sie ja nicht viel. Die Show, so wird dem Leser mitgeteilt, sei schließlich aufgezeichnet worden: „Die Verantwortlichen hätten diese Sequenz problemlos herausschneiden können. Sie hätten den erst nach dieser Einleitung richtig beginnenden Sketch auch dann noch ausstrahlen können.“ Sicher, das hätten die Verantwortlichen tun können. Die Verantwortlichen der „Zeit“ hätten auch ihre Autorin davon abhalten können, sich derartig lächerlich zu machen, aber das hat man auch nicht getan. Hallervordens Auftritt, so meint die begabte Dame noch, sei der Tiefpunkt des Abends gewesen und er verwundere ganz besonders deshalb, weil sich der „Sendeverbund“ in den letzten Jahren bemüht habe, „Themen wie Queerness, Rassismus und Diversität abzubilden“. Die interessieren zwar keinen außer vielleicht der Autorin des Artikels, aber das musste einfach mal gesagt werden.
So weit das Flagschiff des linkstotalitären Denkens. Andere sind nicht besser. Bei T-Online zum Beispiel, dem wokesten unter den woken Portalen, wird die verzweifelte Frage gestellt: „Warum hat der Sender die Entgleisungen Hallervordens gesendet?“ Auch sie hatten offenbar gemerkt, dass es sich um eine Aufzeichnung handelte, man muss sie ja auch schon für Kleinigkeiten loben, und erklären ebenfalls: „Es wäre also ein Leichtes gewesen, die kontroversen Äußerungen Hallervordens zu entfernen.“ Kontrovers waren sie also, die Äußerungen Hallervordens, aber vermutlich nur unter den Freunden der linksgrünen Blase, die sich so gerne im angeblichen Journalismus tummeln, allen anderen dürfte es möglicherweise an der nötigen Empörung fehlen. Und auch bei T-Online ist man nicht in der Lage, zwei Worte in die Tastatur zu schreiben, egal was man von ihnen halten mag, sondern behilft sich auf neudeutsche Weise: „Anschließend verwendete er die genannten Z- und N-Begrifflichkeiten.“
Die Focus-Autoren waren immerhin noch des Schreibens unkomplizierter Worte kundig und verkünden: „Dann folgen die Begriffe „Negerkuss“ und „Zigeunerschnitzel“. Begriffe, die heute als rassistisch gelten und längst aus dem Sprachgebrauch verschwunden sind – zumindest bei den meisten. Im Sketch wird suggeriert, Hallervorden sei für die Nutzung dieser Worte inhaftiert worden.“ Ich frage mich, woher sie wohl wissen wollen, welche Worte „bei den meisten“ aus dem Sprachgebrauch verschwunden sind. Interessanter als das aufgesetzte Entsetzen des Magazins sind aber manche Leserkommentare; ich zitiere hier nur die ersten drei, die mir beim Aufrufen des Artikels untergekommen sind: „Danke Didi, für die empörten gibt es inzwischen gute Psychologen.“ „Das können nur die Berufsbetroff:innen gewesen sein. Die N….und die Z…. grinsen doch über die so betroffenen Deutsch:innen.“ Und: „Respekt für Hallervorden. Verachtung für die Kommentatoren, die gegen ihn geifern.“ Die Leser scheinen mit dem vom Focus favorisierten Sprachgebrauch nicht zur Gänze einverstanden zu sein.
Damit will ich es gut sein lassen, Reaktionen gleicher oder ähnlicher Art gab es noch bei anderen Hervorbringungen des Gesinnungsjournalismus. Doch auch die ARD reagierte irgendwann auf die Kritik der wohlmeinenden Rächer der Enterbten und der Schützer von Witwen und Waisen. Hallervorden habe „einen leicht veränderten Einstieg in seinen legendären Sketch ‚Palim-Palim’“ präsentiert. „In seiner Rolle als Häftling thematisierte er überspitzt den Wandel der Sprache und verwendete dabei Begriffe, die heute aus guten Gründen nicht mehr zeitgemäß sind – in diesem satirischen Kontext jedoch bewusst als Provokation gesetzt wurden.“ Ja, wen hat er denn da wohl provozieren wollen? Doch genau die, die sich jetzt in ihrem empörten Gebrüll und ihrer eklatanten Geistlosigkeit einig sind und damit zeigen, wie recht er hatte. Oder glaubt man bei der ARD allen Ernstes, damit habe Hallervorden all die bösen Menschen provozieren wollen, die selbst in unseren erleuchteten Zeiten noch immer die inkriminierten üblen Worte verwenden? Indem er sich als Häftling darstellte, der wegen unreinen Sprachgebrauchs eingekerkert wurde? Deutlicher kann man den Sprach-Irrsinn unserer Tage kaum zum Ausdruck bringen, aber es mag schon sein, dass für ARD-Funktionäre selbst das Deutlichste noch lange nicht deutlich genug ist.
Sie merken es nicht, die Vertreter der guten Gesinnung, die doch nur totalitär ist. Sie merken nicht, wie sehr sie sich lächerlich machen mit ihrem empört-aufbrausenden Gejaule. Und vor allem merken sie nicht, dass sie den Provokateur mit jedem ihrer Artikel nur zu sehr bestätigen. Eingesperrt hat man ihn zwar nicht, weil er „Zigeunerschnitzel“ und „Negerkuss“ gesagt hat. Doch ihn medial hinzurichten, das versuchen sie, das hätten sie gerne. Hallervorden hat ihnen erfolgreich den Spiegel vorgehalten und sie verstehen nicht einmal das.
„Ich gender nicht, ich hab einen Schulabschluss“, konnte man vor einiger Zeit von Mario Barth hören. Auch das sorgte für hinreichend viel Empörung unter den üblichen Verdächtigen. Humor verstehen sie nicht, der ist zu schwierig für Ideologen.
Ob sie Schulabschlüsse vorweisen können, will ich lieber nicht wissen.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: Screenshot Youtube
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