Die ehemalige langjährige ARD-Moskaukorrespondentin Gabriele Krone-Schmalz war Mitte Januar dieses Jahres Gastrednerin an der Universität Hamburg. Der Allgemeine Studentierendenausschuss (AStA) setzte sich über die Diffamierungen gegen die Vortragende hinweg. Die klassische Friedensbewegung fand hier offenbar zu ihren Ursprüngen zurück und widerstand mit ihrer Einladung an Frau Krone-Schmalz allen grün-roten Kriegstreibereien.
Thema des Vortrags:
„Mit Friedensjournalismus gegen ,Kriegstüchtigkeit‘. Wie kann Journalismus angesichts des Ukraine-Kriegs zur zivilen Entwicklung beitragen?“
Den Vortrag in ganzer Länge gibt es hier zum Nachschauen.
Hier ein Auszug der Rede der Russland-Expertin Gabriele Krone-Schmalz:
„Vor dem Hintergrund dieses Krieges, der seit 2014 tobt, spielte sich dann vor dem russischen Angriff noch Folgendes ab: Etwa ein Jahr vor Kriegsbeginn hat der ukrainische Präsident Selenskyj ein Dekret erlassen, in dem die Rückeroberung der Krim quasi angeordnet wurde. Dann gab es Truppenbewegungen. Je nach Quelle wurden zwischen 60.000 und 80.000 Soldaten im Süden und Osten der Ukraine zusammengezogen. Parallel dazu fanden zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee diverse NATO-Manöver statt und die Zahl der Aufklärungsflüge der USA an der ukrainisch-russischen Grenze stieg nennenswert.
Im November 2021, also drei Monate vor dem russischen Angriff, haben die USA und die Ukraine ein Abkommen über strategische Partnerschaft geschlossen, in dem sowohl die NATO-Perspektive der Ukraine als auch die Rückeroberung der Krim als Ziele genannt wurden.
Im Januar 2022, also einen Monat vor dem russischen Angriff, hat die NATO die Ukraine eingeladen, an der NATO Agenda 2030 mitzuarbeiten, also dem Strategiepapier der NATO. Und das, obwohl die Ukraine überhaupt kein NATO Mitglied ist.
Und wie man jüngst in der New York Times lesen konnte: Die USA betreiben seit etwa acht Jahren zwölf geheime CIA-Basen unmittelbar an der ukrainisch-russischen Grenze. Dieses Engagement amerikanischer Geheimdienste soll, so die New York Times, eine Schlüsselrolle gespielt haben bei der Entscheidung des russischen Präsidenten, im Februar 2022, in die Ukraine einzumarschieren.
Moskau habe nämlich befürchtet, so kann man da lesen, dass sich die Ukraine mithilfe der CIA, des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 und weiterer westlicher Dienste in ein Sprungbrett für Operationen gegen Russland verwandelt.
Der Noch-Außenminister Anthony Blinken der USA (Red.: Bis 20. Januar 2025) hat jetzt eingeräumt – dass ist noch gar nicht so lange her – dass die Ukraine ab September 2021 geräuschlos, wie er das nannte, geräuschlos eine Menge Waffen aus den USA bekommen habe. Und dann noch mal das Gleiche im Dezember, also genau in dem Monat, in dem der russische Präsident förmlich um Sicherheitsgarantien gefleht hat. Aber man wollte ja nicht mit ihm reden.
Und ich spreche jetzt nicht von den Treffen zwischen Bundeskanzler Scholz und Putin oder dem französischen Präsidenten Macron und Putin an diesem überdimensional langen Tisch, sondern ich rede davon, wie in den USA darauf reagiert wurde bzw. eben nicht reagiert wurde.
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Das alles rechtfertigt nichts. Aber es erklärt eine Menge. Und man muss es einfach wissen, um es seriös einordnen zu können. Und das betrifft Journalisten genauso wie Politiker.
Die Grundsatzfrage, die es zu beantworten gilt, lautet: Geht es Russland um einen angemessenen Platz in einer globalen Sicherheitsarchitektur? Oder ist Moskau schon seit langem auf einem imperialistischen Trip, der befürchten lassen muss, dass die Russen in fünf Jahren in Berlin stehen. Solche Zeitschienen werden ja von Experten entwickelt und von Politikern aufgegriffen.
Wer sich intensiver mit diesen Fragen beschäftigt – analytisch, nicht ideologisch – wer sich intensiver mit diesen Fragen beschäftigt, der wird zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass es sich mit Blick auf die russische Bedrohung für Westeuropa weniger um eine nüchterne Lageanalyse handelt, sondern dass da etwas ganz anderes im Spiel ist. Die nüchternen Lageanalysen, die finden Sie in US-Strategiepapieren. Und da ist von russischer Bedrohung für weitere europäische Staaten nicht die Rede.
Worum es eigentlich geht, ist – und ich will das auch so deutlich sagen: Wenn die enormen Kraftanstrengungen fortgesetzt werden sollen, um die Ukraine im Krieg gegen Russland finanziell und mit Waffen zu unterstützen, dann muss die Angst vor einem russischen Angriff über die Ukraine hinaus geschürt werden, damit die Bevölkerung das alles ohne zu murren mitmacht.
Zu diesem Komplex gehört ja auch die Behauptung, unsere Freiheit, unsere Demokratie würde in der Ukraine verteidigt. Das stimmt diesmal genauso wenig, wie es damals in Afghanistan gestimmt hat, als es hieß, unsere Freiheit, unsere Demokratie würde am Hindukusch verteidigt.
Es finden sich leider immer wieder Beispiele in der Geschichte, die zeigen, dass Freund-Feindbilder und die Dämonisierung des Gegners dazu dienen, eine ganze Gesellschaft kriegsbereit zu machen.“
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Author:
Alexander Wallasch