Zum dritten Jahrestag der großangelegten Invasion Russlands in die Ukraine werden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und viele andere Spitzenpolitiker in Kiew erwartet. Die Gäste planen an einem von Präsident Wolodymyr Selenskyj heute organisierten Gipfel zur Unterstützung der Ukraine teilzunehmen und ihre Solidarität zu zeigen. Russland griff die Hauptstadt auch in der Nacht mit Drohnen an.
Das Treffen in Kiew gilt als besonders wichtig, seitdem US-Präsident Donald Trump klargemacht hat, dass die Ukraine nicht mehr auf umfangreiche Militärhilfen der Vereinigten Staaten setzen kann. Trump will die Ukraine und Russland stattdessen in Verhandlungen über ein Ende des Krieges zwingen.
Zugleich laufen Versuche, Trump weiter von einer Unterstützung der Ukraine wie von einem militärischen Engagement der USA in Europa zu überzeugen. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron will sich in Washington mit Trump treffen. Vorher stimmte sich Macron mit dem britischen Premierminister Keir Starmer ab, der ebenfalls diese Woche in die USA reisen wird.
Die Nacht auf Montag begann für weite Teile der Ukraine erneut mit Luftalarm, weil am Himmel russische Kampfdrohnen geortet wurden. Betroffen war auch die Hauptstadt Kiew. Trümmer einer Drohne fielen in einen Stadtbezirk, wie der Chef der Kiewer Militärverwaltung, Tymur Tkatschenko, auf Telegram schrieb. In der Nacht auf Sonntag hatte Russland die bislang größte Drohnenattacke mit mehr als 270 unbemannten Fluggeräten unternommen.
Wie ist die Lage nach drei Jahren Krieg?
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte im Morgengrauen des 24. Februar 2022 seinen Truppen den Einmarsch in das Nachbarland befohlen. Gegen die Einschätzung vieler Experten und Politiker hielt die ukrainische Armee aber stand, Selenskyj führte den Widerstand an, die Eroberung von Kiew scheiterte.
Seitdem verteidigt sich die Ukraine mit massiver ausländischer Hilfe, trotzdem ist ihre Lage nach drei Jahren Krieg prekär. Die russischen Streitkräfte rücken im Osten immer weiter vor und haben dort in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Ortschaften erobert. Knapp ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes einschließlich der Halbinsel Krim ist russisch besetzt. Viele Städte im Süden und Osten sind stark zerstört. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind im Land oder ins Ausland geflüchtet.
Russland setzt weiter auf politische Maximalforderungen, die auf eine Teilung und politische Unterwerfung der Ukraine hinauslaufen. Angesichts der russisch-amerikanischen Annäherung unter Trump muss die Ukraine befürchten, dass die großen Atommächte sich zu ihren Lasten einigen.
Kiew fordert für den Fall eines Endes der Kämpfe Sicherheitsgarantien der USA und der Europäer – zumal die Bitte um eine Nato-Mitgliedschaft derzeit aussichtslos erscheint. Die Ukraine in der Nato wäre für alle Seiten die günstigste Lösung, schrieb Selenskyj auf der Plattform X. Wenn dies nicht gehe, müsse die «Nato in der Ukraine» geschaffen werden mit einer starken Armee.
Von der Leyen und Costa bekennen sich zur Unterstützung
Von der Leyen rief kurz vor dem Treffen mit Selenskyj zu weitere Unterstützung für die Ukraine auf. «Eine freie und souveräne Ukraine liegt im Interesse der gesamten Welt», sagte die deutsche Spitzenpolitikerin. Nachdem man die Haushaltslücke der Ukraine für das Jahr 2025 geschlossen habe, müsse man nun die sofortige Lieferung von Waffen und Munition beschleunigen. Sie wolle zeitnah einen umfassenden Plan vorstellen, wie die Rüstungsproduktion und die Verteidigungsfähigkeiten der EU ausgebaut werden könnten. Davon werde auch die Ukraine profitieren.
EU-Ratspräsident António Costa bekannte sich derweil zu einer Mitgliedschaft des angegriffenen Landes in der Europäischen Union. «Die Zukunft der Ukraine ist in der Europäischen Union. Und die Sicherheit der Ukraine ist die Sicherheit Europas», sagte er in einem in der Nacht auf der Plattform X veröffentlichten und an die Ukrainer gerichteten Video. «Wir wollen einen gerechten, fairen und dauerhaften Frieden wie Sie.» Man stehe seit dem ersten Tag an der Seite der Ukraine und werde weiter an ihrer Seite stehen, sagte Costa und betonte: «Heute sind wir alle Ukrainer.»
Europäische Solidarität für das angegriffene Land
Von der Leyen, die in drei Jahren Krieg häufig in Kiew war, bringt diesmal viele ihrer EU-Kommissare und Kommissarinnen mit zu Beratungen mit der ukrainischen Regierung. Außerdem erwartet Selenskyj nach eigenen Angaben Vertreter von 13 weiteren Staaten in Kiew, darunter Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez. Weitere 24 Länder sollen per Video zugeschaltet werden.
In Brüssel werden die EU-Außenminister tagen, die dabei ein neues Paket mit Russland-Sanktionen beschließen wollen. Es sieht unter anderem neue Handelsbeschränkungen sowie Maßnahmen gegen russische Medien und die sogenannte russische Schattenflotte vor. Damit sind Tanker und andere Frachtschiffe mit undurchsichtigen Eigentümerstrukturen gemeint, die der Kreml benutzt, um Sanktionen etwa beim Öltransport zu umgehen.
Macron bringt europäische Botschaft zu Trump
Frankreichs Präsident Macron hatte sich vergangene Woche mit europäischen Staats- und Regierungschefs zur Ukraine beraten. Bei dem Treffen mit Trump will er zunächst die Gemeinsamkeit ausdrücken, dass auch Frankreich ein Ende des russischen Angriffskriegs unterstützt. Aus dem Élysée-Palast hieß es, er habe konkrete Handlungsvorschläge. Details wurden nicht genannt.
Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu sagte der Zeitung «Le Parisien», Macron verfolge bei Trump zwei Ziele: «Die Gespräche zwischen den Amerikanern und den Russen auf die Sicherheitsinteressen der Ukraine und auch auf die unseren lenken (…) und schauen, wie wir Europäer der Ukraine helfen können, für seine Sicherheit aufzukommen, wenn morgen die Waffen schweigen.» Überlegt wird unter anderem, ob und wie europäische Staaten Soldaten in die Ukraine entsenden könnten, um dort einen Frieden zu sichern.
Macron und Starmer stimmten bei einem Telefonat nach britischen Angaben überein, dass die Ukraine im Zentrum aller Verhandlungen stehen müsse und nicht übergangen werden dürfe. Die europäischen Staaten und das Nicht-EU-Mitglied Großbritannien müssten ihre eigene Sicherheit verbessern und die Ukraine weiter gegen die russische Aggression unterstützen.
USA wollen UN-Resolution ohne Verurteilung Russlands
Auch die Vereinten Nationen in New York werden heute Schauplatz der diplomatischen Auseinandersetzung wegen der Ukraine sein. Die USA vertreten auch dort ihre Linie einer Wiederannäherung mit Russland und versuchen, die Staatengemeinschaft auf diese Linie zu bringen. In einem auffällig neutral gehaltenen Resolutionsentwurf wird Russland nicht als Aggressor bezeichnet.
Neben einem ursprünglichen Resolutionsentwurf der Ukraine soll über den US- Entwurf laut Diplomaten in der UN-Vollversammlung (16.00 MEZ) von 193 Mitgliedsstaaten abgestimmt werden, bevor er dann auch im UN-Sicherheitsrat zur Abstimmung gestellt wird (21.00 Uhr). Es blieb zunächst unklar, wie gut die Chancen für die Annahme in den Gremien sind.
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