Kürzlich habe ich darüber geschrieben, warum hochintelligente Menschen besonders anfällig für Propaganda sind. Nun habe ich diesen Gedanken weiterentwickelt – und bin zu einer noch bittereren Erkenntnis gekommen.
Jahrelang habe ich mich gefragt, warum so viele Menschen, von einfachen Bürgern bis hin zu Politikern und Journalisten, die Realität nicht wahrnehmen wollen. Warum sie Fakten ignorieren, sich an Narrative klammern und selbst angesichts offenkundiger Widersprüche nicht aus ihrer Illusion erwachen.
Jetzt verstehe ich es. Nicht abstrakt, sondern am eigenen Leib.
Denn genau das ist mir passiert – nur nicht in der Politik, sondern in meinem Privatleben. Ich habe eine Manipulation nicht erkannt, die so offensichtlich war, dass ich sie aus der Außenperspektive bei jedem anderen sofort durchschaut hätte. Erst als die Situation unerträglich wurde, als ich fast daran zerbrochen wäre, konnte ich mir eingestehen, dass ich die Realität verwechselt habe. Dass ich mich in ein Lügenkonstrukt verstrickt hatte, das ich mit aller Macht aufrechterhalten wollte – weil die Wahrheit zu schmerzhaft gewesen wäre.
Und genau das ist es, was in der Gesellschaft geschieht.
Verdrängung als Überlebensstrategie
Verdrängung ist kein intellektuelles Problem. Es ist ein emotionales. Menschen halten an falschen Überzeugungen fest, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie jahrelang betrogen wurden – oder sich selbst betrogen haben. Das hat evolutionäre Wurzeln: Wer in einer Gruppe lebt, passt sich an deren Überzeugungen an, um nicht ausgeschlossen zu werden. In früheren Zeiten konnte Isolation den sicheren Tod bedeuten. Also halten viele an der Gruppenmeinung fest, selbst wenn sie offensichtlich falsch ist.
Die Mechanik der ’späten Erkenntnis‘
Die meisten Menschen können Einsicht erst dann akzeptieren, wenn sie keine andere Wahl mehr haben. Die Mechanik dahinter ist simpel: Der menschliche Geist schützt sich selbst vor einer zu abrupten Konfrontation mit der Realität, weil sie ein inneres Chaos auslösen würde. Erst wenn die kognitive Dissonanz zu groß wird, wenn das Kartenhaus zusammenbricht, ist ein Umdenken möglich.
Historische Parallelen: Gesellschaften im Realitätskollaps
Deutschland 1945. Der „Endsieg“ wurde noch beschworen, als die Bomben längst fielen und die Rote Armee vor Berlin stand. Warum? Weil es leichter war, sich an die Propaganda zu klammern, als zuzugeben, dass alles, woran man geglaubt hatte, eine Lüge war.
Die DDR 1989. Noch im September hielten Funktionäre Reden über die „unverbrüchliche Freundschaft mit der Sowjetunion“, während immer mehr Menschen in den Westen flohen. Auch sie wollten nicht wahrhaben, dass ihr System längst dem Untergang geweiht war.
Die Finanzkrise 2008. Noch kurz vor dem Kollaps sprachen Experten von einer „stabilen Wirtschaftslage“. Selbst als Banken fielen, hielten viele an der Illusion fest, dass alles unter Kontrolle sei.
Persönliche vs. kollektive Verdrängung
Es gibt keinen Unterschied zwischen den Mechanismen der Verdrängung in einer Beziehung und denen in einer Gesellschaft. Der Partner, der verdrängt, dass er in einer toxischen Beziehung lebt, ist dasselbe Prinzip wie der Bürger, der verdrängt, dass sein Land in den Abgrund steuert. In beiden Fällen wird die Realität erst akzeptiert, wenn das Leid zu groß wird.
Die ‘Realitätskeule‘
Die meisten Menschen wachen erst auf, wenn es zu spät ist.
Und das ist genau der Punkt: Die Realität setzt sich immer durch. Immer. Nur nicht sofort. Sie schlägt erst dann mit voller Wucht zu, wenn die Verdrängung nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Wenn das Kartenhaus einstürzt. Dann wachen die Menschen plötzlich auf – und tun so, als hätten sie es nie anders gewusst. Dann heißt es: „Ja, das war ja klar, dass es so kommt.“
Aber bis dahin?
Bis dahin werden die Warner verlacht, bekämpft, diffamiert. Bis dahin werden offensichtliche Probleme ignoriert, umgedeutet, schöngeredet. Bis dahin werden unbequeme Wahrheiten als „Verschwörungstheorien“ abgetan.
Es ist ein Prozess, der sich immer und immer wiederholt. Weil Menschen erst dann die Wahrheit akzeptieren können, wenn sie keine andere Wahl mehr haben.
Das ist die bittere Wahrheit, die ich jetzt verstanden habe. Und es ist eine Erkenntnis, die mich – so tragisch sie ist – auch erleichtert. Denn ich verstehe jetzt, dass es nichts bringt, gegen Verdrängung anzukämpfen. Man kann die Realität nicht aufzwingen. Man kann sie nur dokumentieren – und darauf warten, dass sie sich von selbst durchsetzt.
Von dem russische Komiker Michail Schwanetsky stammt die in Russland legendäre Redensart: „Mit seinem Hintern kann man keine Wellen brechen.“ Und genau so ist es. Die Wellen kommen trotzdem. Gewaltige Wellen, die an einen Tsunami erinnern. Und alles ändern werden. Die Frage ist nur, wann.
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Bild: Shuttesrtock
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