Von Kai Rebmann
„Berlin hat sich dem Ziel der Vision Zero verpflichtet. Einer Stadt ohne Verkehrstote und Schwerverletzte.“ So steht es in einem aktuellen Positionspapier der Berliner Grünen mit dem Titel „Verkehrssicherheit für alle: Sicher unterwegs, entspannt ankommen“.
Was sich durchaus wünschenswert anhört, wird in der Realität freilich reine Utopie bleiben. Denn schon der ehemalige Kanzler Helmut Schmidt wusste: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!“ Gemeint waren damit vor allem solche Luftschlösser, die die Grünen jetzt ganz offensichtlich bei ihrer Verkehrswende in der Hauptstadt vorschweben. Denn klar ist: Null Verkehrstote und Schwerverletzte würde es nicht einmal dann geben, wenn man das Autofahren ab morgen komplett verbieten würde.
Letzteres hat sich die Öko-Partei jetzt aber ganz offensichtlich auf die Fahnen geschrieben, natürlich ohne eine solch totalitäre Bevormundung der Bürger offen auszusprechen. Das Mittel der Wahl besteht vielmehr darin, den Menschen die Nutzung des eigenen Pkw mehr und mehr madig zu machen – sodass diese dann irgendwann ganz „freiwillig“ darauf verzichten.
Tempo 50 in der Stadt ‚unverantwortlich‘
Am Dienstag stellten die Grünen ihr Konzept vor. Zu den Kernpunkten gehören die durchgängige Ausweisung von Tempo-30-Zonen, Blitzer an jedem (!) Ampelmasten und Poller gegen den Durchgangsverkehr in Wohngebieten. Folge: Autofahrer müssten teils erheblich Umwege in Kauf nehmen, könnten sich vielerorts nur noch im Schneckentempo durch den Straßendschungel der Hauptstadt kämpfen und würden über kurz oder lang ihr Punktekonto in Flensburg füttern.
Nein, dies soll kein Plädoyer für rücksichtslose Raser in Berlin werden; sehr wohl aber eines für ein Verkehrs- und nicht zuletzt Mobilitätskonzept mit Augenmaß. Denn gerade die individuelle Mobilität ist ein hohes Gut, welches die Grünen bereit sind, auf dem Altar einer von sehr viel Ideologie durchtränkten Agenda zu opfern.
Einige Punkte aus dem Positionspapier sind zudem ganz offensichtlich nicht zu Ende gedacht worden. Nehmen wir das Beispiel der Poller in Wohngebieten. Diese würden nicht nur den Durchgangsverkehr draußen halten, wie die zuständige Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) gegenüber der „Berliner Zeitung“ zu Bedenken gibt: „Wenn Poller Rettungswege blockieren, müssen diese entfernt werden. Es kann ja nicht sein, dass Einsatzkräfte womöglich dadurch behindert werden und so Menschenleben gefährdet werden.“ Alternativ seien auch leichtere Maßnahmen wie etwa eine Änderung der Straßenführung denkbar.
Antje Kapek und Oda Hassepaß, verkehrspolitische Sprecherinnen der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, sehen das naturgemäß anders. Viele Bürger würden sich in der Hauptstadt inzwischen gar nicht mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf die Straße trauen, so die Grünen mit Blick auf die Verkehrsstatistik. Dort werden für das Jahr 2024 55 Tote und rund 15.000 Verletzte bei insgesamt etwas mehr als 134.000 Verkehrsunfällen aufgeführt, darunter 24 tote Radfahrer und 11 getötete Fußgänger. „Diese Angst muss aufhören“, fordert Hassepaß.
Tempo 50 im Stadtgebiet bezeichnen die Grünen als „unverantwortlich“ und machen sich deshalb für die flächendeckende Ausweisung von Tempo-30-Zonen als „günstigste und wirksamste“ Sofort-Maßnahme stark. Der Autoverkehr sei der Hauptverursacher von Unfällen, weshalb es diesen „konsequent einzuschränken“ gelte, ergänzt Kapek.
Blitzer-Marathon in Berlin bald an 365 Tagen im Jahr?
Schon heute wird der Verkehr in Berlin durch 119 Blitzer überwacht, 83 mobile Anlagen und 36 stationäre Anlagen. Viel zu wenig, finden die Grünen und wollen deshalb den Weg zur faktischen Totalüberwachung einschlagen: „Wir fordern, alle Ampelmasten in Berlin mit Blitzern zu versehen, die sowohl Rotlicht- als auch Tempoverstöße feststellen.“
Bei dieser Forderung widersprechen sich die Grünen sogar selbst, zumindest wenn es um die praktische Umsetzbarkeit geht. Schon jetzt sei es kaum möglich, Verkehrssünder zu belangen, weil die Bußgeldstelle unter Personalmangel und veralteten Prozessen leide, wie in dem Positionspapier kritisiert wird. Allein im Jahr 2022 seien deshalb 50.000 Knöllchen liegengeblieben, dem Land deshalb Einnahmen in Höhe von 1,2 Millionen Euro entgangen.
Doch auch mit all diesen Punkten scheint das Ende der Fahnenstange der Totalüberwachung auf Berlins Straßen – und womöglich auch anderswo – noch nicht erreicht. In der Hauptstadt wurde bereits ein Modellversuch durchgeführt, um mittels entsprechender Technologie Falschparker quasi im Vorbeifahren zu erfassen. Abgebrochen wurde die Aktion dann nicht etwa aufgrund moralischer Bedenken, sondern einzig und allein aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken.
Die Berliner Grünen fordern, das umstrittene Projekt dennoch wieder aufleben zu lassen, „auch wenn noch nicht alles wasserdicht in Bundesrecht gegossen ist.“ Ein Halbsatz, der durchaus aufhorchen lassen sollte und viel über das Verständnis der Grünen von Recht und Ordnung in einem demokratischen Rechtsstaat aussagt.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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