• 11. Februar 2025

Bekommt Italien mit „Bella Stronza“ seine „Delilah“? Marco Masini und Fedez besingen die „bella stronza“ in San Remo trotz Kritik politisch Korrekter

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Mögen Sie italienische Popmusik?
Verfolgen sie das „Festival della canzone italiana“, das Musikfestival, das vom italienischen Sender RAI organisiert und im Fernsehen übertragen, das jedes Jahr in San Remo abgehalten wird und an dem jeder, der als Größe in der italienischen Popmusik zählen will, teilgenommen haben muss, wenn nicht den Wettbewerb (mindestens) einmal gewonnen haben muss.

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Auch in diesem Jahr finden sich bekannte Namen in der Liste der Protagonisten, die während des diesjährigen San Remo-Festivals in Wettbewerb zueinander treten werden.

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https://eurovision.tv/story/2025-sanremo-lineup-revealed

Der diesjährige Wettbewerb ist gleichzeitig der 75. seit seines Bestehens und findet vom 11. bis zum 15. Februar unter der künstlerischen Leitung von Carlo Conti statt. Der 14. Februar ist dem Wettbewerb der Duette von Cover-Versionen gewidmet, und er dürfte von vielen Zuschauern in diesem Jahr mit besonderer Spannung erwartet werden, denn ein Duett werden auch der Rapper Fedez und der Alt-Meister des italienischen Pop-Songs, Marco Masini, präsentieren; sie werden „Bella Stronza“, zu Deutsch: etwa „Schönes Miststück“, „Schönes Biest“ oder „Schöne Schlampe“, singen.

https://www.rainews.it/articoli/2025/01/sanremo-2025-tra-alleanze-vecchie-amicizie-e-ospiti-inaspettati-i-duetti-della-serata-cover-faf2bc03-ac87-44bc-8d7d-ae7091c8ad68.html

Das Lied wurde von Giancarlo Bigazzi und Marco Masini gemeinsam geschrieben und von Letzterem gesungen und im Jahr 1994 als Maxi-Single zunächst in der Schweiz und ein Jahr später in ganz Europa veröffentlicht. Es war und ist bis heute eines der erfolgreichsten Lieder von Marco Masini, so erfolgreich, dass es Marco Masinis erste Single war, die im Jahre 2019 von der Federazione Industria Musicale Italiana (FIMI), d.h. vom Verband der italienischen Musikindustrie aufgrund der Anzahl ihrer Verkäufe seit 2010 als goldene Single ausgezeichnet wurde.

Und dies trotz der Irritation, die manche Leute bereits im Jahr 1994 bezüglich des Liedtitels und –textes gezeigt haben, das mit „stronza“ ein Schimpfwort enthält, das erstens mild ist, genau wie „Miststück“, „Biest“, „Zicke“ oder „Schlampe“ im Deutschen, und in Italien in aller Munde ist und im Übrigen – dies sei für Feministen angemerkt – mit „stronzo“ ein Gegenstück maskulinen grammatischen Geschlechtes hat.

Aber das ist nicht alles.

Der Liedtext enthält manches, was einige Leute vulgär oder gewalttätig, jedenfalls nicht politisch korrekt, finden mögen wie z.B. „Bella stronza che ti fai vedere in giro per alberghi e ristoranti con il culo sul ferrari di quell’essere arrogant“, d.h. etwa „Schöne Schlampe, die sich in Hotels und Restaurants/Bars herumtreibt mit dem Arsch auf dem Ferrari dieses arroganten Typen“, oder „bella stronza che hai chiamato la volante quella notte e volevi farmi mettere in manette solo perché avevo perso la pazienza…la speranza…, d.h. „schönes Biest“ [ist hier im Kontext des Satzes die treffendere Übersetzung], das in dieser Nacht die Polizei gerufen hat und mich in Handschellen legen lassen wollte, nur, weil ich die Geduld verloren hatte … die Hoffnung …“

(Wer den Text auf Italienisch oder Englisch ganz lesen möchte, der findet ihn hier)

Es ist ein Lied mit einem Text aus Sicht eines Mannes, der von einer Frau verlassen wird, deren Verhalten er als das eines sogenannten Goldgräbers sieht, was er u.a. an ihren quei vestiti da puttana, vielleicht am ehesten mit „Hurenklamotten“ zu übersetzen, festmacht, und es basiert nach Aussage des Ko-Texters Bigazzi auf einer realen Erfahrung von Masini in Sachen Liebesbeziehung. Und Masini hat seinerseits bereits 1994 festgehalten:

„Sono una persona sincera, che non interpreta un personaggio ma dice sempre quello che prova. Io scrivo canzoni esattamente come parlo … Oggi il linguaggio che parliamo noi ragazzi e‘ questo. E poi mi chiedo se esiste davvero chi non dice nemmeno una ‚parolaccia‘ al giorno’“.

D.h.

„Ich bin eine ehrliche Person, die keine Figur spielt, sondern immer sagt, was sie fühlt. Ich schreibe Lieder genau so wie ich spreche … Heute ist die Sprache, die wir Jungs sprechen, eben so. Und dann frage ich mich, ob es wirklich jemanden gibt, der nicht ein ‚Schimpfwort‘ pro Tag‘ sagt“.

Vielleicht gibt es jemanden, aber es gibt sicher nicht Viele, auf die das zutreffen dürfte. Und was 1994 in Sachen Umgangssprache bereits der Fall war, dürfte heute nicht anders sein. Im Gegenteil: Trotz der Bemühungen um Sprachhygiene, die politisch Korrekte anderen Menschen in der letzten Jahrzehnten gerne aufoktroyiert hätten, ist die Qualität der Rede (und nicht nur der Rede) mancherorts eher noch unverblümter und der Umgangston harscher geworden. Und dennoch hat es im Vorfeld des diesjährigen San Remo-Wettbewerbs Stimmen gegeben, die ein Problem damit haben, „Bella Stronza“ im Duett von Marco Masini und Fedez zum Besten gegeben zu hören:

„Il pezzo scelto ha già creato polemiche perché il testo del brano è considerato misogino ma il direttore artistico ha spiegato che la canzone è stata ri-adattata ai tempi“,

d.h.

„[d]as [von den beiden Sängern auf Initiative von Fedez] gewählte Stück hat bereits Kontroversen ausgelöst, weil der Text des Songs als frauenfeindlich angesehen wird, aber der künstlerische Leiter erklärte, dass das Lied an die Zeit angepasst wurde“,

ganz so, als gäbe es in der heutigen Zeit keine Frauen, die sich als sogenannte Goldgräber betätigen und es geradezu darauf anlegen, ausgestattet mit „Hurenklamotten“ in Hotels und anderen Etalissements herumzulaufen, um möglichst jemanden zu finden, auf dessen Ferrari-Motorhaube sie ihren „Arsch“ plattsitzen können – und als wäre es frauenfeindlich, solche Frauen entsprechend zu beschreiben.

Nun hat die Ankündigung, „Bella Stronza“ nach dem Geschmack der Anhänger poilitischer Korrektheit zu dekontaminieren, ihrerseits für Irritationen gesorgt, so dass Marco Masini es für angezeigt oder gar notwendig hielt, in einem post auf Instagram klarzustellen, dass es keine Veränderungen am ursprünglichen Text von „Bella Stronza“ gegeben habe bzw. geben würde:

„La cover di Bella stronza che io e Federico porteremo sul palco dell’Ariston venerdì non sarà nulla di tutto ciò che sto leggendo sui media: nessuna frase, nessuna parola della canzone è stata modificata», … abbiamo semplicemente unito parti del testo originale con le nuove strofe scritte da Federico per l’occasione. Ne è nato un racconto totalmente nuovo, del quale in tanti stanno parlando senza averlo neanche ascoltato“,

d.h.

„Die Cover-Version von Bella Stronza, die Federico [Federico Leonardo Lucia, der bürgerliche Name von Fedez] und ich am Freitag auf die Bühne des Ariston [des Veranstaltungsortes des Wettbewerbs] bringen werden, wird nichts von dem sein, was ich in den Medien lese: kein Satz, kein Wort des Songs wurde verändert …, wir haben einfach Teile des ursprünglichen Textes mit den neuen Strophen zusammengefügt, die Federico für den Anlass geschrieben hat. Daraus entstand eine völlig neue Geschichte, über die viele reden, ohne sie überhaupt gehört zu haben“.

Nun bleibt abzuwarten, wie die „völlig neue Geschichte“ aussieht, die die beiden Sänger am Freitag präsentieren werden, bzw., ob die „völlig neue Geschichte“ noch die gute alte „Bella Stronza“ in mehr als der einen Hinsicht ihrer Bezeichnung enthalten sein wird oder nicht. Immerhin hat Masini seinen Ruf – und sein Selbtverständnis – als jemand, der singt, wie er spricht -, zu verlieren, und das Publikum, zumindest dasjenige, das per Telefon seine Stimme für das Duett abgeben wird, das ihm am besten gefallen hat, wird seine „Bella Stronza“ sicher vermissen, wenn sie eine Metamorphose in eine „bambina modella di virtù“, ein Musterbeispiel des tugendhaften Mädchens, oder gar eine „femminista“, eine Feministin, durchlaufen haben sollte.

Aber nicht nur das: jede „Säuberung“ des alten Hits dürfte als ein Kniefall der beiden Künstler vor den Sprachtyrannen im Dienst politischer (aber sonst keiner) Korrektheit aufgefasst werden. Wie sie vom italienischen Publikum aufgenommen werden würde, darüber kann jeder spekulieren, aber ich vermute, dass es so reagieren wird wie die walisische Öffentlichkeit angesichts der Versuche, Tom Jones‘ Hit „Delilah“ zu unterdrücken: je stärker die Versuche, das Lied zu unterdrücken, desto mehr hat es den Stellenwert einer Nationalhymne eines freien und selbstbewussten Wales angenommen.

Wir werden sehen, ob „Bella Stronza“ es ggf. „Delilah“ gleichtun wird.

Quelle: Featured Image


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Author: Dr. habil. Heike Diefenbach
Michael Klein

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