Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger
„Seht euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“ So heißt es im siebten Kapitel des Matthäus-Evangeliums. Und einige Verse später: „Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Darum, an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.“
Nun behauptet die CDU und mit ihr die CSU, eine christliche Partei zu sein, das C im Namen steht nicht für „Chaos“, sondern für „Christlich“, und so muss sie sich an diesem Anspruch messen lassen. Kommen die Propheten – das heißt: die Kandidaten – in Schafskleidern daher, obwohl sie inwendig „reißende Wölfe“ sind? Das lässt sich leicht herausfinden: An ihren Früchten kann man sie erkennen.
Was teilen sie uns mit, die Propheten der CDU? In ihrem Wahlprogramm kann man hehre Ziele bestaunen. Sie haben einen Plan, so heißt es, „für ein neues Wohlstandsversprechen“. „Deutschland braucht wieder eine Politik für die hart arbeitende Bevölkerung – eine Agenda für die Fleißigen. Es kommt jetzt auf breite Entlastungen an. Leistung muss sich wieder lohnen.“ Auch der Wirtschaft soll es endlich wieder besser gehen, das Programm verspricht einen „Aufbruch für die Wirtschaft“: „Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts. Deshalb setzen wir auf Wachstum, Investitionen, Freiräume für unsere Unternehmen und gute Arbeitsplätze.“ Um dann im letzten Unterpunkt zu versprechen, man werde die deutsche Übererfüllung von deutschem Recht zurücknehmen und sie künftig unterbinden. Selbstverständlich wird auch ein Wort über die Energiepolitik verloren: „Energie bezahlbar machen, Klima marktwirtschaftlich schützen“, das verspricht uns die Union und ergänzt in einem der Unterpunkte: „Wir setzen auf den Emissionshandel. Er ist das richtige Instrument, um die Emissionsmenge effizient zu begrenzen und damit das Klima bestmöglich zu schützen.“
Ich bitte darum, diese Versprechen für einige Momente nicht aus dem Gedächtnis zu verlieren. Sie klingen so schön, so viel versprechend. Sind es nun wirklich freundliche Schafe, mit denen wir es zu tun haben, oder eben doch reißende Wölfe im Schafspelz? Handelt es sich um einen guten Baum, der gute Früchte bringt, oder eben doch um einen schlechten, den man nach Matthäus abhauen und dem Feuer übergeben muss?
An ihren Früchten werden wir sie erkennen. Am 31. Januar 2025 hat der Deutsche Bundestag einen Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes“ an die Änderung einer europäischen Richtlinie, deren genaue Bezeichnung nichts zur Sache tut, angenommen. Damit werden nach Auskunft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, geleitet von Robert Habeck, dem unverdrossenen Urheber unfassbaren Unheils, „die Vorgaben der geänderten EU-Emissionshandels-Richtlinie im Wesentlichen 1:1 in deutsches Recht umgesetzt“. Bedauerlicherweise haben einige Leute, die mehr von der Sache verstehen als unsere Volksvertreter – von Ministern ganz zu schweigen – die Folgen dieses Gesetzes nachgerechnet. Man muss damit rechnen, dass der Preis für eine Tonne CO2 ab dem 1. Januar 2027 bei mehr als 200 € liegen wird, derzeit sind es 55 €. Laut Berechnungen von „Cicero“ ergibt das eine Steigerung des Kraftstoffpreises von 40 bis 45 Cent pro Liter, andere kommen unter etwas anderen Voraussetzungen auf immerhin 38 Cent. Für jeden Liter, der in den Tank fließt. Geht man von einer Füllmenge von etwa 60 Litern aus, wird die Haushaltskasse bei jedem Volltanken um etwa 24 € zusätzlich belastet, und gerade für pendelnde Arbeitnehmer ist ein Tank schnell leer. Doch das ist erst der Anfang, denn die folgenden Jahre verheißen nichts Gutes, bis 2030 ist ohne weiteres ein CO2-Preis von 300 € pro Tonne denkbar mit den entsprechenden Folgen für die Kosten einer Tankfüllung.
Mit dem Tanken ist es nicht getan. Die meisten Menschen pflegen ihre Häuser bei niedrigen Außentemperaturen zu heizen, und auch hier schlägt der CO2-Preis zu Buche; über eine zusätzliche Belastung von mehr als 100 € darf sich der durchschnittliche Besitzer oder Mieter eines durchschnittlichen Einfamilienhauses freuen, sofern er die Jahreskosten auf den Monat umrechnet. Monat für Monat. Aber nicht Jahr für Jahr, denn der CO2-Preis soll ja weiter steigen, um den verwerflichen Autofahrer und Hausbeheizer vom Fahren und vom Heizen abzuhalten, was aber für die meisten Menschen kaum eine Option darstellen dürfte.
Da nun aber die Leute gelegentlich auch etwas konsumieren, werden sie auch mit den CO2-Abgaben der Hersteller, der Transporteure, der Händler konfrontiert, denn der Diesel des Spediteurs, die Heizung des Händlers, der Energieverbrauch des Herstellers – sie alle werden nicht preiswerter, nur weil der Wirtschaftsminister so wenig von Wirtschaft und Kosten versteht wie die Mehrheit des Deutschen Bundestages. Diese Preissteigerungen werden die Beteiligten jedoch nicht stillschweigend auf sich nehmen, um gehorsamst das Klima zu schützen: Sie werden sie an die Kunden weitergeben, so weit das möglich ist, und wo es nicht möglich ist, muss man befürchten, dass sie nicht mehr rentabel arbeiten können und ihre Betriebe schließen. Aber deshalb gehen sie ja nicht gleich in Insolvenz, sie hören nur auf zu produzieren, zu transportieren und zu handeln, wie uns einer der führenden Ökonomen unserer Zeit erklärt hat.
Das sind die Früchte, an denen man die Propheten erkennen soll: unmäßige Belastungen für Bürger und Wirtschaft. Aber wer waren sie denn nun, welche Parteien haben für dieses unsägliche Gesetz gestimmt? Beim Bundestag kann man es nachlesen: Das Parlament hat es „gegen die Stimmen von AfD und FDP bei Enthaltung von BSW und Die Linke“ angenommen. Dass die beiden Linksparteien es nicht über sich bringen konnten, gegen ein Bürgerverarmungsgesetz zu stimmen, sagt alles über ihre Ausrichtung: Der kleine Mann, die kleine Frau, der, die oder das kleine Diverse interessiert sie nicht und hat sie schon lange nicht mehr interessiert. Da war die FDP nach drei Jahren des Festhaltens an einer ruinösen Regierung immerhin etwas klüger, aber es ist nicht anzunehmen, dass ihr dieser plötzliche Schwenk in Richtung Vernunft noch etwas nützen wird.
Nicht enttäuscht hat die AfD – sehr im Gegensatz zu den Unionsparteien. Dass SPD und Grüne alles daransetzen, das Einkommen der Bürger zu schmälern und der Wirtschaft zu schaden, ist nichts Neues. Aber CDU und CSU haben doch so schöne Ziele in ihrem Wahlprogramm versammelt und dennoch für den Gesetzentwurf gestimmt. Breite Entlastungen für die arbeitende Bevölkerung haben sie versprochen, „Leistung muss sich wieder lohnen“. Das mag sein, es fragt sich nur, für wen. Sicher nicht für die arbeitende Bevölkerung, die man noch mehr ausplündern will als bisher. Und was die Wirtschaft betrifft, so setzt das Wahlprogramm auf „Wachstum, Investitionen, Freiräume für unsere Unternehmen und gute Arbeitsplätze“ – alles leicht durchführbar, wenn man den Kostendruck noch weiter ansteigen lässt. Aber wollten sie nicht die Energie bezahlbar machen? Das macht man allem Anschein nach am besten, indem man sie drastisch verteuert.
Nur in einem Punkt haben sie Wort gehalten. „Wir setzen auf den Emissionshandel. Er ist das richtige Instrument, um die Emissionsmenge effizient zu begrenzen und damit das Klima bestmöglich zu schützen.“ Er ist vor allem das richtige Instrument, um die Menschen auszuplündern, aber das dürfte auch in der Union niemanden interessieren.
Große Versprechen geben sie und brechen sie noch vor der Bundestagswahl ganz unverhohlen. Niemand hat die Unionsfraktion daran gehindert, gegen das Bürgerausplünderungsgesetz zu stimmen. Sie wollten es so. Sie sind im Sinne von Matthäus genau die „falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe“. Ihre Früchte sind schlecht, und um den Evangelisten ein letztes Mal zu bemühen: „Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.“
Direkt ins Feuer werfen muss man weder Merz noch seine treuen Abgeordneten. Es genügt, sie abzuwählen.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
Bild: Shutterstock
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