• 6. Februar 2025

Pläne des Finanzministeriums: Nur berufsbezogene Weiterbildung künftig umsatzsteuerfrei? BMF ignoriert Interessen von Unternehmen und Bürgern – DVV fordert Dialog über zeitgemäßes Bildungsverständnis

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Feb. 6, 2025

Bonn (ots)

Mit einem Entwurf zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses nimmt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Träger der allgemeinen Weiterbildung ins Visier – und demonstriert Unverständnis für die Herausforderungen der agilen Arbeits- und Lebenswelt. So erklärt das Ministerium den Erwerb fachübergreifender Kompetenzen, die heute in jedem Unternehmen gebraucht werden, zur Freizeitbeschäftigung. Entsprechende Lernangebote könnten somit künftig besteuert werden. Steuerfrei soll Weiterbildung nur bleiben, wenn sie unmittelbaren Bezug zu einem Beruf oder der Berufswahl hat. Der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) warnt eindringlich davor, Bildung so eng zu definieren, und fordert das Ministerium zu einem konstruktiven Dialog über Weiterbildung in Zeiten der KI-Revolution, des globalisierten Arbeitens und starker gesellschaftlicher Spannungen auf. Bildungsexpert*innen und Wirtschaftsfachleute sind sich längst einig, dass es heute im gesellschaftlichen Leben wie auch am Arbeitsplatz auf die von der allgemeinen Weiterbildung vermittelten überfachlichen Kompetenzen ankommt.

Hintergrund der Pläne aus dem Ministerium ist die Anpassung des deutschen Umsatzsteuergesetzes an EU-Recht. Nur: Auf eine Besteuerung der allgemeinen Weiterbildung zielte der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung gar nicht ab! „Das BMF muss seine Erklärungen zur Anwendung des einschlägigen Paragrafen im Umsatzsteuergesetz noch einmal überdenken“, sagt Julia von Westerholt, Direktorin des Deutschen Volkshochschul-Verbands (DVV). „Eine Steuererhebung auf Weiterbildungsangebote würde den ständigen Appell aus Politik und Wirtschaft zur Notwendigkeit lebenslangen Lernens zur Worthülse verkommen lassen“. Mit europarechtlichen Vorgaben hätten die Pläne des BMF nur wenig zu tun, sie seien im Wesentlichen hausgemacht, merkt Julia von Westerholt an.

Ministerieller Alleingang

Konkret geht es in den strittigen Ausführungen aus dem Ministerium um einen Anwendungserlass zu dem mit Wirkung zum 1. Januar 2025 geänderten Paragrafen 4 Nr. 21 im Umsatzsteuergesetz. Die erklärte Absicht des Gesetzgebers war laut der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, dass auch nach der Gesetzesänderung „die bislang umsatzsteuerfreien Leistungen unverändert umsatzsteuerfrei bleiben“. Das BMF setzt sich mit seinem Entwurf für den Anwendungserlass im Prinzip darüber hinweg, indem es nur direkt berufsbezogene Weiterbildungsangebote als Bildungsleistungen anerkennt. Vermitteln Angebote hingegen Kenntnisse und Fähigkeiten, die auch im Privaten zur Anwendung kommen, fallen sie nach Lesart des Ministeriums in die Kategorie Freizeit und würden damit steuerpflichtig.

Schmalspur-Bildung

Aus Sicht des DVV bewegt sich das Ministerium mit seinem engen Bildungsbegriff fernab jeder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Realität. „Die Trennung zwischen ‚privaten‘ und ‚beruflichen‘ Kompetenzen ist gerade aus heutiger Sicht absurd“, sagt Julia von Westerholt. „Inzwischen weiß jeder, dass Problemlösungskompetenz, Kommunikationsfähigkeit oder soziale Kompetenz sowohl im Privatleben als auch am Arbeitsplatz unentbehrlich sind“. Weiterbildungsangeboten, die der Stärkung der Demokratie und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienen, spreche das Ministerium den Bildungswert ab. Das sei unhaltbar und stehe auch im Widerspruch zu den von Bund und Ländern erarbeiteten Kriterien für eine Bildungsveranstaltung, die der Anwendung des wichtigen Paragrafen 4 Absatz 22a im Umsatzsteuergesetz zugrunde gelegt werden sollen. Diese Regelung erklärt Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art, die von bestimmten Einrichtungen, unter anderem Volkshochschulen, erbracht werden, für steuerfrei.

Die reduzierte Definition von Bildung in dem BMF-Papier diskriminiert nach Einschätzung des DVV zudem ganze gesellschaftliche Gruppen, zum Beispiel alle diejenigen, die ihr Berufsleben schon hinter sich haben, sich aber im vitalen persönlichen wie auch gesellschaftlichen Interesse weiterbilden wollen. Auf die europäische Rechtsprechung kann sich das BMF mit seinem eigenwilligen Bildungsverständnis nicht berufen. Für den EuGH zählt bei der Definition von Bildung eben nicht die unmittelbare berufliche Verwendbarkeit: Wie der DVV in seiner Stellungnahme zum BMF-Papier festhält, ist für den Gerichtshof vielmehr die „Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen“ maßgeblich.

Auf welche Abwege die Pläne aus dem Ministerium führen können, zeigen Beispiele für steuerfreie Angebote, die das BMF in seinem Entwurf für den Umsatzsteueranwendungserlass anführt. Befreit von der Umsatzsteuer bleibt etwa der Musikunterricht für Kinder ab 3 Jahren – mit dem Argument, dass dieser potenziell auf eine Aufnahmeprüfung an einer Hochschule oder Fachhochschule vorbereite. Dies soll unabhängig von den persönlichen Voraussetzungen der Lernenden gelten. Hingegen muss bei Kursen für Jugendliche, „bei denen Wissen vermittelt wird oder Fähigkeiten, soziale Kompetenzen und Werte erlernt werden“, für eine Umsatzsteuerbefreiung erst einmal nachgewiesen werden, dass es sich um Erziehungsleistungen handelt.

Mit bürokratischem Eifer in die soziale Schieflage

Haarspalterische Formulierungen in dem Papier des BMF lassen erahnen, wie sehr es die Programmplanung von Weiterbildungseinrichtungen verkomplizieren würde: So unterscheidet das Ministerium zwischen steuerfreien Veranstaltungen mit Berufsbezug und solchen mit der „bloßen Möglichkeit eines Berufsbezugs“, die besteuert werden sollen. „Der Entwurf des BMF ist in dieser Form schädlich“, stellt Julia von Westerholt fest. „Er würde eine Lawine von Bürokratie auslösen. Schlimmer noch: Die Autor*innen des Papiers treiben damit schlussendlich die Preise für Weiterbildung in die Höhe.“ Dies benachteilige zahllose Personen, die sich gerade in Krisen- und Umbruchszeiten weiterbilden wollen, um den Anschluss nicht zu verpassen. Die vom BMF geplante Besteuerung großer Teile des Angebotes in der allgemeinen Weiterbildung wirke dem positiven Trend bei der Weiterbildungsbeteiligung entgegen. „Hürden für Weiterbildungsinteressierte frustrieren die Menschen und schaden dem Bildungsstandort Deutschland.“

Weitere Informationen

Zur Stellungnahme des DVV zur Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses

Zur Themenseite „Weiterbildung muss umsatzsteuerfrei bleiben“

Pressekontakt:

Deutscher Volkshochschul-Verband e. V.
Sabrina Basler, Referentin Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 0049 228 97569 26, [email protected]

Original-Content von: Deutscher Volkshochschul-Verband, übermittelt durch news aktuell

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