• 30. Januar 2025

„Süßer Opi“ – „Ageismus“ und das Wegschwätzen tatsächlicher Probleme

ByMichael Klein

Jan. 28, 2025

Für alle, die es nicht wissen: Ageismus ist ein unnötiger Begriff, mit dem die Diskriminierung von alten Menschen beschrieben werden soll. Er stammt aus dem woken Kontext und ist wie alles, was in den letzten Jahren aus dieser Ecke gekommen ist, vor allem dazu gedacht, sich selbst zu beweihräuchern und als guten Menschen ausweisen zu können, der Sprache und Denken anderer „kritisiert“.

Und in dieser Funktion hat er Eingang in den Altersbericht der Bundesregierung gefunden.

Der 9. Altersbericht der Bundesregierung wurde veröffentlicht und die öffentliche Diskussion über den 343 Seiten umfassenden Bericht wird von der Bildzeitung bestimmt.

ImageDerartiger BS kommt dabei heraus, wenn durchaus relevante Probleme, die sich im Umgang mit alten Menschen in einer Gesellschaft ergeben, in der Empathie und Respekt nur noch Worte ohne geteilte Bedeutung sind, von politisch korrekten Leuten bearbeitet und mit ihrem woken BS zerstört werden.

Im vorliegenden Fall haben sich die Schreiber des Altersbericht den Begriff des „Ageismus“ zueigen gemacht, einen dieser Diskriminierung gewordenen Begriffe, die erfunden wurden, um von den eigentlichen Problemen abzulenken. Die Schlagzeile der BILD-Zeitung findet ihren Widerpart, ohne dass er dem BILD-Zeitungs-Schreiber bekannt wäre, auf Seite 151 des Altersberichts unter „Gutgemeinter Ageismus“:

Benevolenter („gut gemeinter“) Ageismus:

Ageismus wird oft mit bösartig-feindseligen (hostilen) Denkmustern und exkludierenden Verhaltensweisen gegenüber älteren Menschen in Verbindung gebracht. Es existieren jedoch auch weniger offensichtliche, dafür allerdings weit verbreitete, subtile Ausdrucksformen von Ageismus, die auf dem Stereotyp des gutmütigen oder freundlichen, aber inkompetenten alten Menschen basieren. Dies umfasst „gut gemeinte“ bevormundend-paternalistische Verhaltensweisen, die im Alltag oftmals als Bevorzugung von älteren Menschen oder als Rücksichtnahme auf ältere Menschen auftreten (Cuddy et al. 2005). Ein Beispiel dafür sind Situationen, in denen sich Bezugspersonen in der Versorgung und Pflege älterer Menschen auf Basis eines negativen Altersbildes und daraus resultierenden übermäßigen Mitleids engagieren, ohne die tatsächlichen Fähigkeiten und Präferenzen der älteren Person zu berücksichtigen (Baltes & Reisenzein 1986). Dazu zählen auch zweifelhafte Komplimente („für dein Alter siehst du gut aus“), verniedlichendes Sprechen mit (sogenannter „secondary baby talk“) und über ältere Menschen („süße Omi“) und auch infantilisierende Praktiken, wie Unterhaltungsangebote, die Kindergeburtstagen ähneln (Cary et al. 2017; Ryan et al. 1995). Einer solchen vermeintlich wohlmeinenden Behandlung liegt die Annahme zugrunde, dass ältere Menschen vor allem unattraktiv, inkompetent und hilfsbedürftig sind. Dies verstellt den Blick auf die eigentlichen Bedürfnisse und Wünsche älterer Menschen nach Individualität, Respekt und Autonomie, aber auch auf Potenziale für Selbständigkeit und Selbstbestimmung älterer Menschen. Solche Formen von benevolentem („gut gemeintem“) Ageismus (in der Literatur auch „compassionate ageism“ genannt) müssen daher von genuin positiven – im Sinne von potenzialorientierten – Praktiken und Altersbildern abgegrenzt werden. Mit letzterem sind Einstellungen gemeint, die ältere Menschen nicht (nur) als fürsorgebedürftig, sondern als Individuen mit einem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und eine selbstbestimmte Entwicklung (mit und ohne Unterstützung durch andere) betrachten.“

Diese prätentiöse Sprache, die notwendig ist, weil die Erfinder von Ageismus gaukeln wollen, sie hätten etwas ganz Neues endeckt, basiert auf vorhandenen Problemen und verwässert diese Probleme dadurch, dass eine sprachliche Ebene in reale, handfeste Probleme, die sich aus MANGELNDEM RESPEKT ergeben, eingezogen wird. Denn eine alte Frau oder einen alten Mann, führen wir ihn ein, weil er oben nicht vorkommt, zu einem „süßen Opi“ zu erklären, bleibt solange eine sprachliche Übung, die man vielleicht sogar tolerieren kann, solange damit kein entsprechendes VERHALTEN verbunden ist, eines, das die alten Menschen in ihrer Würde und in ihrer Agency verletzt, sie quasi zu gealterten Kleinkindern, die Arbeit machen, reduziert.

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Offenkundig geht es hier um Probleme, wie sie in der sogenannten Altenbetreuung anfallen und diese Probleme sind beileibe keine „sprachlichen Probleme“, es sind handfeste Verhaltensprobleme. Aber die Leute, die sich hier in einer sprachlichen Welt austoben, wissen offenkundig nichts von Problemen, wie sie Lindblom et al. schon 2007 beschrieben haben:

Lindbloom, Erik J., Julie Brandt, Landon D. Hough, and Susan E. Meadows (2007). Elder mistreatment in the nursing home: A systematic review. Journal of the American medical directors association 8(9): 610-616.

Realistische Altenbilder: Fixierung in der Pflege

Reale Probleme von realer Gewalt und realen Übergriffen durch die „Betreuer“ weitgehend schutzloser Menschen in einer mehr oder weniger totalen Institution. Es gibt reale Probleme und die Schwätzer, die alles mit neuerfundenen Begriffen zumüllen, machen diese realen Probleme damit unsichtbar, lassen die Blutergüsse aufgrund betreuerischer Behandlung oder die ans Bett gefesselten Alten, damit sie leichter handhabbar sind, zu einem sprachlichen Problem werden.

Gewalt gegenüber alten Menschen kommt an 61 Stellen im 343-Seiten Bericht vor, sprachlich, es wird definiert, es wird begründet, warum man sich dem Thema „Gewalt in Pflegeheimen“ per Ageismus nähere, ohne dass klar würde, warum man das tut, und es werden die besonderen Bedürfnisse der LSBTIusw, wir alle keinen die schwulen, lesbischen, bi, trans-Grannies in den Pflegeheimen, betont. Die eigentliche Gewalt, das eigentliche Problem, das in Pflegeheimen endemisch ist, es wird in dem folgenden Miniatur-Absatz abgehandelt:

„Einer Studie über Gewalt gegen Bewohner*innen stationärer Pflegeeinrichtungen zufolge, bei der 205 Mitarbeitende aus zwölf stationären Pflegeeinrichtungen befragt wurden, gaben 87 Prozent der Befragten an, Gewalt von Kolleg*innen gegenüber Bewohner*innen beobachtet zu haben. 72 Prozent gaben an, selbst Gewalt gegenüber Bewohner*innen ausgeübt zu haben (Dorn & Blättner 2021). In einer anderen Studie gaben 25 Prozent der befragten Leitungskräfte an, sich an einen Vorfall sexualisierter Gewalt in den letzten zwölf Monaten zu erinnern, wobei in zwei Prozent der Vorfälle die Gewalt durch Mitarbeiter*innen ausgeübt wurde. 19 Prozent der Leistungskräfte gaben an, Kenntnis von konkreten Gewalthandlungen von Pflegepersonal gegenüber Bewohner*innen aus den letzten zwölf Monaten zu haben (Eggert & Teubner 2023)“ (165).

Falls Sie sich danach fragen, was aus diesen „Studienergebnissen“ folgt, fragen Sie sich das weiterhin, den im Altersbericht der Bundesregierung folgt aus der Tatsache, dass 72% von 205 Mitarbeitern aus 12 Pfelegeinrichtungen von sich sagen, sie würden alten Menschen gegenüber gewalttätig, nichts, absolut nichts.

Gewalt gegen alte Mensche, so liest man im Bericht, sei nach wie vor ein Tabuthema. Versuche, die sehr reale Gewalt, den sehr realen Missbrauch von alten Menschen in institutionellen Settings, in denen sie sich nicht zur Wehr setzen können, als Sprachproblem im Kontext von Ageismus zu fassen. tragen sicher nicht dazu bei, den Bereich der Gewalt gegen alte Menschen zu enttabuisieren, sie tragen eher dazu bei, ihn zu verniedlichen und lächerlich zu machen.


Auf die Idee, einen „gutgemeinten Ageismus“ einzuführen und diesen „gutgemeinte Ageismus“ dann zur Vorstufe von Gewalt gegen alte Menschen zu erklären, können auch nur Schwätzer kommen, denen es nicht um soziale Probleme, sondern um sprachliche Onanie geht.


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Author: Michael Klein
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