• 15. Januar 2025

Trumps apokalyptische Milliardäre: Die Offenbarung des Peter Thiel

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Jan. 15, 2025

Haben Sie schon mal von Peter Thiel gehört? Vielleicht zufällig oder über eines seiner Unternehmen. Thiel ist ein US-amerikanischer in Deutschland geborener Milliardär, dessen Eltern in die USA auswanderten als Peter ein Jahr alt war.

Peter Thiels Geschäfte begannen mit Paypal und Facebook. Hier hat er seine Milliarden verdient. Peter Thiel gehört zum illustren Kreis der Trump-Adepten. Thiel ist auch ein schwergewichtiges Portemonnaie hinter dem Wahlkampf des designierten US-Vizepräsidenten JD Vance, den er mit zehn Millionen Dollar unterstützt hatte.

Besagter Thiel hat jetzt eine Art Leitartikel für die Financial Times geschrieben, der geeignet ist, einen Scheinwerfer auszurichten auf den Überbau – oder soll man Unterbau sagen? – der Bewegung um Trump und Musk.

Wer hier Nüchternheit erwartet, dem soll der Schreck in die Glieder fahren über eine Welt voller Gespenster und Mittelalterszenen. Symbolisch dafür stehen die schon stilistisch unschönen Bataillone an Fragezeichen in diesem Text. Ein großes Raunen, was nun kommen mag irgendwo verloren im Nebel einer erwarteten großen Aufklärung 2.0.

Aufklärung heißt bei Thiel „Apokálypsis“. Thiels Text trägt den Untertitel „Trumps Rückkehr ins Weiße Haus ist ein Vorbote der „Apokálypsis“ der Geheimnisse des Ancien Régime“.  Übersetzt: Die Zeit der Enthüllung aller Geheimnisse des alten Regimes sei nahe. Wenn einem diese latente Grundreligiosität der sekten-christlichen US-Amerikaner schon grundsätzlich nervt, der stolpert in diesem Text unentwegt über ihre Hinterlassenschaften.

Apokalypse, Wahrheit, Versöhnung – die Leitplanken der Predigt eines Internet-Milliardärs. Thiel schreibt über die Chancen des zweiten Trump-Durchgangs:

„Wiederaufbau kann mit Versöhnung einhergehen. Doch damit Versöhnung stattfinden kann, muss zuerst die Wahrheit ans Licht kommen. (…) Die Apokálypsis ist das friedlichste Mittel, um den Krieg der alten Garde gegen das Internet zu beenden, einen Krieg, den das Internet gewonnen hat.“

Für europäische Ohren klingt das mittelalterlich. Wie ein Widergänger von Robert Mitchum als psychopathischer Wanderprediger in „The Night of the Hunter“, ein Schwarzweißfilm über die Zeit der großen Depression. Oder soll man der ersten großen Depression sagen, wenn man schon eine zweite mitdenkt?

Aber Thiels Text, der am ehesten ein lautes Nachdenken über einen noch unausgegorenen – das macht es so faszinierend – großen Weltplan ist, ist nicht nur düster, er wirkt stellenweise auch einfach nur bekifft. Thiel nennt sich einen Libertären. Er investierte beispielsweise Millionen von Dollar in eine Firma, die schwimmende Städte vor der Küste errichten will, eine Art libertäres Paradies, das frei ist von den Gesetzen und Einschränkungen des Festlandes. Die Mars Mission von Elon Musk hier in einer weltlichen, wenn auch sehr feuchten Version, ein feuchter Traum.

Was aber Thiel wie Musk eint, ist der Wunsch, von den Zwängen der drohenden Vergesellschaftung ihres so gigantisch aufgeblähten Ichs zu fliehen. Sie träumen von einer neuen Welt mit neuen Gesetzen, die sie unabhängig und frei macht von einer Schuld gegenüber einer Gesellschaft, in welcher sie erst zu diesen unwirklichen Milliardärs-Kolossen geworden sind.

Das ist im Großen, was wohl Leute wie der X-Libertäre Markus Krall im Kleinen erträumen: Freiheit ist hier immer die konsequente Abwehr des Andersdenkenden. Libertär ist hier, wem die Probleme des Anderen lästig sind, der sie aber nicht einfach verbieten will. Eine Art Wohlstandsautismus Marke Lindner und Poschardt. Oder noch weiter auf die 1980er Jahre heruntergebrochen: Ich bin FDP, na und?

Markus Krall sei hier nur erwähnt, weil auch der vermeintlich nüchterne Wirtschaftslehrer auch nicht ohne seine düsteren Dämonen kann. Er ist Mitglied des päpstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab und für eine Stiftung der Benediktiner tätig oder tätig gewesen, wie er via Facebook 2020 mitteilte. Krall schrieb damals unter anderem, es sei ihm dabei vollkommen gleichgültig, „dass manche Menschen mich deshalb für altmodisch, inkonsequent, unlogisch, widersprüchlich oder bekloppt halten.“

Bei Peter Thiel ist das freilich alles feingeistiger. Seine Religiosität ist viel komplexer und kennt keine kirchlichen Leitplanken. Thiel hat sich irgendwann selbst befreit von einer Grundnüchternheit und steht damit exemplarisch für diese neue Welt des Raunens, die sich auf besondere Weise fundamentiert hat etwa in der Figur von Robert Kennedy Jr. Dieses Raunen ist entstanden aus der Offenbarung der x-ten Verschwörungstheorie, die wahr geworden ist oder nun wahr scheint.

Peter Thiel schreibt:

„Mein Freund und Kollege Eric Weinstein nennt die Hüter der Geheimnisse aus der Zeit vor dem Internet den Distributed Idea Suppression Complex (DISC) – die Medienorganisationen, Bürokratien, Universitäten und staatlich finanzierten Nichtregierungsorganisationen, die traditionell die öffentliche Diskussion einschränkten.“

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Dieses ominöse DISC ist schon das erste Kratzen auf dem Papier, dass die neuen Glaubenssätze der Religion der Zukunft aufnehmen soll. Der Deep State aus dem Oliver Stone-Film soll überwunden werden. Er ersetzt den Teufel, den es zu besiegen gilt. Alles ist religiös. Alles ist unabwendbar. Alles ist so furchtbar bekifft.

Unvermeidbar taucht bei Thiel auch der Mord an John F. Kennedy wieder auf. Er ist für Thiel beispielhaft dafür, dass etwas viel zu lange untergärig die amerikanische Gesellschaft vergiftet hat:

„Wir können jedoch nicht sechs Jahrzehnte warten, um die Abriegelung einer freien Diskussion über Covid-19 zu beenden.“

Der Mord an Kennedy wurde laut Thiel demnach vertuscht, so wie jetzt die Verbrechen des Corona-Regimes vertuscht werden sollen. Und weil das für Thiel immer noch nicht genug religiöser Budenzauber ist, geht er zurück ins Mittelalter; die Pest wütete in Europa:

„Nichts“, schrieb Boccaccio in seinem mittelalterlichen Pestepos Das Dekameron, ‚ist so unanständig, dass man es nicht zu einem anderen Menschen sagen könnte, wenn man die richtigen Worte dafür findet‘.

Hier entlang will Thiel, dass der ehemalige medizinische Chefberater der USA, Anthony Fauci und seine Mitarbeiter, Gelegenheit bekommen, „einige unanständige Fakten über unsere eigene jüngste Seuche zu erzählen.“ Damit wird Thiel allerdings bei vielen Corona-Maßnahmen und Impfkritikern auf taube Ohren stoßen, denn der Vergleich der Pest mit Corona adelt einen Virus, den viele Kritiker schlicht für eine einfache Grippe halten.

Und schon der nächste ellenlange Fragenblock:

„Warum haben wir die Arbeit der EcoHealth Alliance finanziert, die Forscher in abgelegene chinesische Höhlen geschickt hat, um neue Coronaviren zu extrahieren? Ist „gain of function“-Forschung ein Synonym für ein Biowaffenprogramm? Und wie hat unsere Regierung die Verbreitung solcher Fragen in den sozialen Medien verhindert? Können wir glauben, dass ein brasilianischer Richter in einer tragikomischen Perversion der Monroe-Doktrin X ohne amerikanische Unterstützung verboten hat? Waren wir mitschuldig an der jüngsten australischen Gesetzgebung, die eine Altersüberprüfung für Nutzer sozialer Medien vorschreibt und den Anfang vom Ende der Internet-Anonymität darstellt? Haben wir auch nur zwei Minuten lang Kritik am Vereinigten Königreich geübt, das jedes Jahr Hunderte von Menschen verhaftet, weil sie sich im Internet geäußert haben und damit unter anderem „Ärgernis, Unannehmlichkeiten oder unnötige Ängste“ ausgelöst haben?“

Fragen sind immer das Fundament neuer Religionen. Ohne Fragen, keine Sehnsucht nach Antworten.

Der Milliardär Peter Thiel glaubt an den reinigenden Effekt der zweiten Trump-Regierung. Zeit also, sich taufen zu lassen, jetzt soll alles auf den Tisch, Großreinemachen, Beichte, Sünde, Ablass, alles dabei:

„Die erste Trump-Administration scheute vor der Freigabe von Informationen zurück, weil sie immer noch an den rechtsgerichteten tiefen Staat aus einem Oliver Stone-Film glaubte. Dieser Glaube ist verblasst.“

Aber der Sieg ist unser, glaubt Thiel: „Es wird keine reaktionäre Wiederherstellung der Vor-Internet-Vergangenheit geben.“ Gott lebt im Internet. Gott ist digital mit uns. Thiel weiter: „Die Zukunft verlangt nach neuen und ungewöhnlichen Ideen.“

Der Schlusssatz von Thiel macht noch einmal die Religiosität dieser neuen Bewegung aus, die mit Trump zweiter Amtszeit nun wie ein reinigendes Gewitter über Amerika und über die Welt hinwegfegen soll:

„Die Apokálypsis (…) kann unsere Streitigkeiten über Covid-19 lösen; sie wird nicht die Sünden unserer ersten Herrscher beurteilen, sondern die Sünden derer, die uns heute regieren. Das Internet wird uns nicht erlauben, diese Sünden zu vergessen – aber mit der Wahrheit wird es uns nicht daran hindern zu vergeben.“

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Author:
Alexander Wallasch

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