Und Kubitschek ist für die Öffentlich-Rechtlichen und die Alt-Medien schon gewohnheitsmäßig das Enfant terrible schlechthin. Mit dessen Anwesenheit meint man, die AfD beschmutzen zu können, wenn man sonst nichts Düsteres findet.
Der Verleger des Antaois-Verlages hat sich diese Rolle nicht ausgesucht, sie wirkt nicht besonders komfortabel. Oder doch?
Es gab mal eine Zeit, da pilgerten nicht nur die AfD-Altvorderen zum Rittergut der Kubitscheks in Schnellroda, es kamen auch aufgeregte Damen der Leitmedien reingeflattert um mal an den schweren neurechten Pheromonen zu schnuppern. Nicht dass man im Leben was verpasst, Ziegenmelken mit dem Hausherrn im Stall inklusive. So in etwa stand es dann auch in den Gazetten: Aufregendes Sündiges aus dem Rittergut.
Wir wollten jenseits der verkappten Schwärmereien der Nicole Diekmanns für alles Neurechte von Kubitschek wissen, wie der Parteitag aus seiner Perspektive aussah.
Schon viel mehr Sand im unteren Ballon der Sanduhr. Wo drückt mittlerweile der Schuh? Was macht der Zahn der Zeit mit Ihnen?
Nichts drückt. Es sammelt sich an. Ich nehme so viel wahr, ich bekomme so viel mit,lese so viel und denke so viel nach, dass mich nicht mehr viel überraschen kann. Ich bin in vielem nüchterner als vor 15, 20 Jahren, in manchem ganz und gar nicht.
Kommt da so eine Alterstraurigkeit dazu?
Nein, Alterssicherheit. Es rückt eine Generation nach, die nun dran ist, die an die Arbeit gehen muss und das auch tut. Manchmal schaue ich zu und sage mir: Das hat nun also ein Jüngerer erledigt, und er hat es gut gemacht.
Sie sind Verleger des Antaios-Verlages. Ich habe eine indirekte Nachricht von Welt-Herausgeber Ulf Poschardt für Sie. Der schrieb via X: „Niemand braucht mehr einen Verlag. Sei dein eigener Verlag“. Er hat keinen Verleger gefunden. Warum wollten Sie ihn nicht verlegen?
Poschardt frage ich nicht. Wenn er vorlegen will, soll er vorlegen. Dann schauen wir, ob das, was er schrieb, in unser Programm passt. Aber ich laufe Leuten, die weltanschaulich so unentschieden sind, nicht hinterher, auch wenn sie prominent sind. Poschardt meint ja nun auch, dass man keine Verleger braucht. Das sagt er aus Leidensdruck, denn er hat keinen. Nun soll es also E-Publishing und direktes Verlegen bei Amazon sein. Es gibt Leute, die sind damit erfolgreich. Aber das ist kein Verlegen. In Verlagen durchlaufen Bücher Stationen. Jedem Buch tut ein Lektorat gut, und jedem Buch tut auch ein echter Setzer gut, der weiß, wie man mit Schrift und Papier und Seitenaufrissen usw. umgeht. Das ist einfach eine ganz andere Ansage.
Ulf Poschardt wurde von Herausgeberin Anna Hamilton aufgefordert, noch einmal nachzuarbeiten. Sein Essay sei eher eine Polemik geworden. Und da hat er dann offenbar ziemlich beleidigt hingeschmissen …
Polemiken ergeben oft sehr gute Bücher. Ich würde mal eher sagen, dass die Probleme bei ihm woanders liegen. Aber das könnte ich nur beurteilen, wenn er mir sein Manuskript vorlegt.
AfD-Parteitag in Riesa. Wer hat Sie eingeladen? Was macht ein Verleger auf einem Parteitag?
Es war der sehr professionelle Parteitag einer Partei, die einen gereiften Eindruck macht und die aus meiner Sicht sogar in manchem fast zu beamtig wird mittlerweile. Ich war noch nie auf einem Parteitag, bin dieses Mal sehr gerne hingegangen, weil die Atmosphäre sich verändert hat und weil ich mir das alles mal anschauen und viele kleinere und größere Gespräche führen wollte. Und das hat auch gut geklappt. Abenteuerlich war die Anreise.
Inwiefern?
Da waren ja tausende Gegendemonstranten in Riesa unterwegs, zum Teil gewaltbereite Gegendemonstranten. Man fuhr also an. Aber keiner der drei möglichen Zufahrtswege zur Halle, die für die AfD ausgewiesen waren, blieb offen. Man fuhr immer in irgendwelche Sackgassen, war irgendwann umringt von Gegendemonstranten. Ein bisschen Polizei war da. Und dann musste man wenden und gucken, ob man irgendwie anders durchkommt. Wir sind im Konvoi dann Kreise um Riesa gefahren, also große Kreise, irgendwann auf eigene Faust weiter, dann wieder im Konvoi und irgendwann ging es dann zur Halle. Aber das Ganze mit dreieinhalb, vier Stunden Verspätung.
Ein kalkuliertes Staatsversagen um die passenden Bilder zu kriegen?
Da bin mir hundertprozentig sicher und das wissen wir alle. Denn der Corona-Maßnahmenstaat, der ein Polizeistaat war, den haben wir wirklich gründlich kennengelernt. Wenn der politische Wille da gewesen wäre, hätte man eine Zufahrt auch offenhalten können. Die Polizeiführung und die politische Führung wollten das eben nicht. Und das ist eine Unverschämtheit.
Und wenn Sie überlegen, dass ein Fraktionsvorsitzender oder Chef wie Christoph Berndt in einem Konvoi fuhr, abgehängt wurde, weil sich die Antifa vor die Autos gestellt hat, dann eingekesselt war und am Ende mit einem ordentlichen Veilchen am rechten Auge aus der Sache wieder rauskam, dann ist es ein Skandal erster Güte.
Nicole Diekmann von T-Online war auch da und postete später ein Bild von Ihnen und Höcke in trauter Runde und schrieb dazu: „Zu Gast auf dem AfD-Parteitag: der so genannte Vordenker Götz Kubitschek.“ Was denken sie vor?
Mich fasziniert eher diese Abhängigkeit solch wirklich mächtiger Journalisten von kleinen Begegnungen dieser Art. Ich war im Gästebereich zwischen den Delegierten und der Presse – das war ein ganz schmaler Streifen. Und Höcke kam dann zu mir, weil ich ja nicht zu ihm durfte, denn das ist ganz klar geregelt. Höcke kam zu mir, weil wir uns verabredet hatten für ein Gespräch. Und dann kamen noch zwei, drei andere Landeschefs dazu, eine kleine Runde wurde gebildet.
Die Journalisten, die waren wie verschüchtert von dieser Normalität, dass man sich zusammensetzt, ein Bierchen trinkt und mal eine halbe, dreiviertel Stunde redet. Das ist für die skandalös, dass Leute, die nachdenken und Leute, die Politik machen und Leute, die Politik machen und dabei lesen usw. sich im Rahmen eines solchen Parteitags treffen und sprechen.
Das klingt mir ein bisschen zu harmlos nach Plauderei. Warum sind Sie nicht in der Lage zur Mäßigung? AfD-Personal, das mit Ihnen in Verbindung gebracht wird – von Höcke bis Krah – sorgt regelmäßig dafür, dass die AfD in Schieflage kommt, insbesondere im Vorfeld von Wahlen. Da gibt es Skandale, die provoziert werden …
In die Koalitionsverhandlungen, die irgendwann auf die AfD zukommen werden, muss man mit hohem Einsatz gehen. Oder man muss so tun, als hätte man viel in der Hand, damit am Ende überhaupt was rausspringt. Der Kompromiss ist ja vorprogrammiert, darauf ist die parlamentarische Demokratie angelegt. Aber man muss hoch pokern.
Das heißt, ich beuge mich noch stärker nach rechts, als meinen Rücken guttut, damit ich mich am Ende nicht zu sehr in der Mitte und zu weit links wiederfinde?
Beispielsweise. Denn wenn man gleich signalisiert, dass man eigentlich gar nicht so besonders viel will, dann wird man von diesem Wenigen, das man noch will, fast gar nichts bekommen.
Wenn also grundsätzlich denkende und handelnde Leute auftreten und sagen, schaut her, das kann es nicht gewesen sein, dieses Land muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden, das braucht eine andere Staatsidee, man muss wieder Politik fürs Volk machen – dass diese Leute dann von den Medien durchleuchtet und angeschossen werden, liegt doch auf der Hand. Bei fast jedem gibt es eine verunglückte oder skandalträchtige Äußerung.
Lesen Sie mal die Texte, die ich geschrieben habe in den letzten Monaten. Sie könnten nachvollziehen, wie realpolitisch auch wir hier über die Dinge nachdenken. Und dennoch fänden Sie ganz sicher einen Halbsatz, der für einen Skandal taugte.
Sie sagten, Sie saßen getrennt von Herrn Höcke. Jetzt haben Sie auf „Sezession“ geschrieben, dass Sie in Ihrem Auto noch einen EU-Abgeordneten sitzen hatten. War das Herr Krah?
Nein. Ich sage Ihnen auch nicht, wer es war, und es war ein reiner Zufall. Ich fuhr mit meinem Auto in eine Sackgasse, in der schon AfD-Leute parkten und vollkommen ratlos waren. Und dann hieß es von der Polizeiführung aus: Wir müssen jetzt einigen Mannschaftswagen hinterherfahren, um vielleicht irgendwo durchzukommen, mit so wenigen Autos wie möglich. Und da habe ich den EU-Abgeordneten und seine Mitarbeiterin eingepackt. Wir sind dann zu dritt drei Stunden lang in der Gegend rumgefahren.
Haben Sie Alice Weidel gesprochen oder darf man nicht darüber sprechen? Wenn Sie sie gesprochen hätten, worüber spricht man?
Ich habe sie nicht gesprochen auf dem Parteitag. Ich habe mit Ihrem Büroleiter lange und intensiv gesprochen, weil mich vieles interessiert hat und weil ihn auch meine Einschätzung interessiert hat. Wichtig ist mir eines: Keines dieser Gespräche ist eine Inszenierung. Ich kann nichts dafür, dass hinter dem schmalen Gästebereich fünfzig Journalisten saßen, die nichts anderes zu tun hatten, als Fotos zu machen, wenn ich mich mit dem einen oder anderen unterhielt. Jetzt darauf zu drängen, mit Alice Weidel oder mit Tino Chrupalla zu sprechen, dass wäre eine Art Inszenierung gewesen.
Aber der Grund ist doch der, dass die Medien besonders auf sie achten, in der Hoffnung, die AfD-Führung mit einem Götz Kubitschek kontaminieren zu können. Warum ist das denn nach zehn Jahren immer noch so? Machen Sie was richtig oder was falsch? Wie würden Sie sich selbst einsortieren? Warum sind Sie verdammt, dauerhaft den Bösewicht zu geben?
Ich bin halt ein Grundsätzlicher. Und das ist auch bei Höcke so, der ist auch ein Grundsätzlicher, ebenso Christoph Berndt, Oli Kirchner, die ganzen guten Landeschefs. Das sind diejenigen, die weltanschaulich stabil sind.
Wissen Sie, die Korrumpierungskraft des Systems ist stark. Man fühlt sich in so einer parlamentarischen Atmosphäre einfach nicht unwohl. Aber das hindert die guten Leute nicht daran, zu sagen: Wir sind nicht hier, um irgendwie mitzumachen, sondern, um sehr vieles in Frage zu stellen und neu aufzusatteln.
Das ist für diejenigen, die ihre Staatsidee durchgesetzt haben, also diese grüne, woke, linksliberale Staatsidee, diese transformatorische Staatsidee, für die ist das natürlich dann das Böse. Die kommen mit einer moralischen Kategorie, obwohl sie es eigentlich um politische Auseinandersetzung handelt.
Ich hatte neulich was am Abend gepostet. Soll ich das besser löschen? Es klang mir plötzlich so nach Schnellroda: „Diese deutsche Psychose muss jetzt aufhören, zu glauben wir hätten als Volk kein Recht auf Glück. Wir seien nicht mal ein Volk, als hätte es die Summe unserer parallel verlaufenden Familiengeschichten nie gegeben. Wird Zeit, mit diesen ganzen Habecks abzuschließen.“
Nein, das ist sehr gut. Ich finde den Ausdruck der parallel verlaufenden Familiengeschichten ausgezeichnet. Ist der von Ihnen?
Ist von mir. Ich meinte, endlich eine Begrifflichkeit gefunden zu haben, die man niemandem negativ nachtragen kann, der über sein Deutschsein nachdenkt …
Ja, ich finde ihn stark. Das notiere ich mir jetzt.
Sie machen mir Gänsehaut, lieber Herr Kubitschek. Nein, Spaß. Letzte Frage: Die AfD-Jugend wurde eingehegt. Stimmt es, dass eine Reihe dieser jetzt an die Kette gelegten junge Leute bei Ihnen bzw. beim Institut in die Kaderschmiede gegangen sind? War die jetzt eingehegte Radikalisierung am Ende Ihr Werk? Mit welchem Ziel?
Natürlich lernen die jungen Leute hier, grundsätzlich zu denken und nicht geschmeidig zu sein. Aber schauen Sie, jede Jugendorganisation jeder Partei ist radikaler, grundsätzlicher, lauter und experimenteller als ihre Mutterpartei. Das ist kein Wunder, denn es handelt sich um junge Leute. Die Einzige, die anders war und ist, das ist die Junge Union. Die Junge Union war immer liberaler als ihre Mutterpartei.
Und deswegen war ich sehr froh darüber, dass die Jungen Alternative radikaler, experimenteller, grundsätzlicher, rechter ist als Mutterpartei. Jetzt hat die AfD da den Stecker gezogen. Sie wird die Jugendorganisation einhegen, dazu habe ich einiges geschrieben. Ich glaube, dass das eigentlich Experimentelle, die notwendigen Reibeflächen, das kreative, fast ungebremste Potential, das in jungen Leuten steckt, also: der Impuls – dass das nun in Bereiche außerhalb der Partei sich verlagern wird.
Aber ist es denn nicht doch eher so, dass nicht die AfD-Führung das entschieden hat, sondern am Ende Herr Kramer und Herr Haldenwang, indem sie die Junge Alternative als „gesichert rechtsextrem“ markiert haben? Ist das nicht der Auslöser, dass die AfD gesagt hat, von der Seite brauchen wir jetzt nicht auch noch einen Angriff des übergriffigen Staates?
Ich würde mal sagen, das ist der Versuch, den der Inlandsgeheimdienst unternommen hat. Den hat er ja auch mal im Bereich der Jusos und der Grünen Jugend unternommen. Nicht ganz so hart wie bei der JA, aber schon auch wahrnehmbar.
In solchen Lagen stellt sich die Frage, mit welch breiten Rücken sich die Mutterpartei hinstellt und sagt: Da wir ja sowieso den Inlandsgeheimdienst und seine politische
Instrumentalisierung infrage stellen, kümmert es uns nicht groß, was er mit der von uns anerkannten Jugend macht. Diese Stellung hielt die AfD jahrelang. Nun ist sie zermürbt, vielleicht auch nur genervt, und sie verkauft die Einhegung als Professionalisierung. Was sie nicht sieht: Es geht dabei wohl eine Menge verloren
Danke für das Gespräch!
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Author:
Alexander Wallasch