Erinnert sich noch jemand an die Tage vor dem Millenium? Das Raunen wurde immer stärker, je näher der 1. Januar 2000 rückte, alle Computer sollten abstürzen, die Systeme zusammenbrechen und dann passierte … nichts. Das Gleiche noch einmal etwa hundert Jahre zurück, als alle gebannt auf diesen eiskalten Schweif des Halleyschen Kometen schauten, die Menschen alle Hemmungen verloren und auch hier passierte genau nichts. Diese Mischung aus Eis, Staub und lockerem Gestein zog einfach vorbei.
So ähnlich ging es Deutschland gestern, als der reichste Mann der Welt das vermeintliche deutsche Aschenputtel zur Prinzessin machte, indem er ihr mit der Gnade einer Audienz den richtigen Schuh hinhielt. Aschenputtel aber allenfalls deshalb, weil auch Alice Weidel unter den etablierten Stiefschwestern schwer zu leiden hatte.
Was für eine unfassbare Erwartung wurde da aufgebaut! Da saßen Hunderttausende vor ihren Rechnern und anderen Endgeräten, sie sahen nichts, sie hörten nur. Und was sie hörten, war auch noch auf Englisch. Nein, nicht jeder Deutsche ist in der Lage einem Gespräch auf Englisch zu lauschen. Und das Format X-Space war vielen erst seit diesem 9. Januar ein Begriff. Radiosender wie Kontrafunk hatten extra zwei Simultandolmetscher besorgt, aber damit redeten dann nicht nur Elon und Alice, sondern es kamen noch zwei weitere Stimmen dazu.
Das Wunder geschah für Kontrafunk: Weit über 130.000 Zuhörer blieben eine Stunde auf Sendung und viele noch drüber hinaus bei Achim Winter, der das Ganze moderierend einordnete und dabei beinahe ein Zartgefühl für die Dame im Mittelpunkt entwickelte.
Zuvor hatte der Milliardär die AfD-Chefin in seiner weißen X-Stretchlimousine abgeholt. Die rote Rose im Mund hatte er vorher schon abgegeben, als Musk seinen über 211 Millionen Followern auf X erklärt hatte, dass nur die AfD Deutschland retten könne.
Und dann war das Gespräch einfach vorbei. Noch dazu etwas abrupt abgebrochen von der Deutschen, nachdem sie es mit einem einfachen Trick geschafft hatte, mal Luft zu holen, als sie Musk nach seinem Lieblingsprojekt, der Besiedlung des Mars befragte. Der Mars allerdings ist für Herrn Musk schon distanzmäßig zwei Jahre entfernt. Die Bundestagswahl für Frau Weidel nur noch wenige Tage.
Schockierend für manche: Die Stunde war abgelaufen und die Erde drehte sich einfach weiter! Im Nachspann wurde erst richtig deutlich, welche übergroßen Erwartungen viele diesem Ereignis beigemessen hatten.
Ein Nius-Redakteur wurde via X richtig wütend und wollte eine Schlechtleistung bei Alice Weidel erkannt haben. Ebenso erging es dem Bestseller-Nr.1-Anwalt Joachim Steinhöfel, der enttäuscht auflief, als er via X postete:
„Eine wirklich sehr ernüchternde Performance. Ich glaube die 150 EU-Beamten können nach Hause gehen. Das intellektuelle Gefälle zu Musk ist auch einfach zu groß.“
Möglicherweise erschließt sich so etwas nur jenen Menschen, die natives Englisch sprechen wie mutmaßlich Joachim Steinhöfel, der sich laut seiner X-Postings öfter mal in Südafrika aufhält und dort mit Deutsch nicht weiterkommt. Das Urteil eines Enttäuschten. Aber das macht Steinhöfel gegen die Denkrichtung sympathisch, denn es zeigt so unverstellt, welche übergroßen Erwartungen auch der nüchterne Anwalt an dieses Date hatte.
Wagen wir eine Küchenpsychologie: Alice Weidel ist nach zehn Jahren der Dauerdiffamierung emotional in der Tiefe ein brodelnder See. Aber sie hat wie keine Zweite gelernt, in diesem Haifischbecken zu überleben, indem sie sich gewohnheitsmäßig in die nüchternste Person im Raum verwandelt.
Doch, einmal kippelte der stabile Stuhl ein wenig, als die Hetzer und Hater gegen Weidel auch noch den sich später als untauglich erwiesenen Versuch unternahmen, die Doktorarbeit von Dr. Weidel zu beschädigen. Da zeigte Weidel für einen kurzen Moment Nerven, da schob sich der Vorhang der Pupille lautlos auf und dann wieder Stille.
Wie kaputt ist dieses Land eigentlich, dass so viele schon in einer wackeligen X-Space-Inszenierung einen Messias-Erwartung legen müssen? Das ist die bestürzende Erkenntnis des gestrigen Abends.
Und eine weitere folgt: Die letzten zehn Jahre haben auch bei jenen Spuren hinterlassen, bei denen die unzähligen Diffamierungen gewirkt haben! Die im Familien- und Bekanntenkreis und am Arbeitsplatz lernen mussten, zu schweigen, das Maul zu halten. Eine bittere Lektion. Die sich seit Jahren nicht mehr offen zu sagen trauen, was ihnen wichtig ist und welche Politik ihnen nahe ist.
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Aber erstaunlich war gestern noch etwas ganz anderes. Wenigen Beobachtern ist aufgefallen, wie selbstverständlich Alice Weidel als strahlende Siegerin vom Platz gegangen ist. Einer dem es zuerst aufgefallen war, ist der Kolumnist Gabor Steingart. Er war der Schnellste und hat im Focus eine schon deshalb sehr kluge Analyse hingelegt, weil sie so nüchtern war.
Das muss man auszugsweise wiedergeben:
„Wenn Elon Musk nicht Alice Weidel, sondern Robert Habeck zum Interview geladen und in einem flammenden Wahlaufruf (‚Grün ist Deutschlands letzte Rettung‘) zu seiner Wahl aufgerufen hätte: Viele deutsche Medien wären nicht verstört, sondern erregt gewesen. ‚Taz‘, ‚Spiegel‘ und die ‚Süddeutsche Zeitung‘ hätten Musk um die Nachdruckrechte ersucht, derweil ARD und RTL sich mutmaßlich beim Livestream von X dazu geschaltet hätten. Das Ganze hieße dann nicht mehr Propaganda, sondern Bildungsfernsehen.“
Warum war Alice Weidel gestern – und das, trotzdem der Komet einfach weiterzog – die Siegerin des Abends? Weil sie in besonderem Maße das passive Potential dieses Abends genutzt hat: Ihr ging es zuerst um eine Entdämonisierung der AfD. Um den Kampf für eine Normalität gegen dieses schmutzige Abseits, in das die AfD von den Etablierten immer und immer wieder gestellt wird. Warum? Weil sich die AfD dem steten grün-woken Zug nicht anschließen mag.
Der sogenannte Mainstream hatte im Vorfeld um diesen Termin gerungen und geschimpft wie die Rohrspatzen. Und dabei übersahen sie das Entscheidende: Das Konzept von Dr. Weidel ist aufgegangen. Schon kurze Zeit nach Ende des X-Space mit Musk stand die AfD-Chefin im n-tv/RTL-Studio bei Politikchef Nikolaus Blome, bis dato einer der größten Hetzer überhaupt und der begrüßte Frau Weidel mit kreideweicher – oder kreidebleicher? – Stimme und den Worten:
„Herzlich Willkommen Alice Weidel, schön, dass es geklappt hat.“
Dieser Kniefall von Blome war aber nicht nur klar vernehmbar, er spiegelte sich auch auf dem Gesicht von Alice Weidel, die es mit Genugtuung vernahm und diesen Weidel-Gesichtsausdruck einer spöttischen Reserviertheit auflegte, noch garniert mit einer gehörigen Prise Mitleid, den sie in den letzten Jahren so perfektionieren musste (Unnötig hier zu erwähnen, dass Blome im Verlauf des Gesprächs weiterhin alle Register seiner Hetzklaviatur zog).
Daniel Tapp, der besonnene Pressesprecher von Alice Weidel hatte es gestern schon im Interview mit Alexander-Wallasch.de zusammengefasst:
„Wir können uns vor Presseinterviewanfragen kaum retten. Da können wir uns nicht beschweren, Das ist tatsächlich eine andere Qualität geworden mittlerweile.“
Während sich die verwirrten Mainstreammedien also noch an der Analyse oder schon wieder gewohnt an der Diffamierung versuchen – Weidel hatte Hitler gesagt! – haben sie alle etwas übersehen:
Die AfD-Chefin war gestern nicht das aufgeregte Aschenputtel vor dem vermeintlichen Milliardärsprinzen: Alice Weidel hat so kurz vor der Bundestagswahl eine bedeutende Ziellinie überschritten: Sie hat sich und ihre Partei mit Hilfe der muskschen Raketenstufe an den Hetzern vorbei in die Normalität geschoben.
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Author:
Alexander Wallasch