• 10. Januar 2025

Die Gedanken sind frei – aber eingemauert

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Jan. 9, 2025
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von Meinrad Müller

Das Lied „Die Gedanken sind frei“ gab einst Hoffnung, wenn Unterdrückung und Zensur allgegenwärtig waren. Es erinnerte daran, dass niemand in die Köpfe der Menschen dringen kann, um ihre Gedanken zu knebeln. Doch was bedeutet diese Freiheit, wenn die Gedanken zwar frei sind, wir uns aber nicht trauen, sie auszusprechen? Unsere Köpfe mögen frei sein, aber um sie herum hat sich eine unsichtbare „Berliner Mauer“ gebildet.

Die unsichtbare Mauer der Angst

Stellen wir uns vor, wir begegnen jemandem, mit dem wir uns gut verstehen. Wir lachen, reden über das Wetter, über den Alltag – doch sobald es ernst wird, ziehen wir innerlich die Handbremse an. Warum? Weil wir nicht wissen, wie der andere denkt. Politische Meinungen und gesellschaftliche Überzeugungen sind ein Minenfeld. Ein unbedachtes Wort könnte reichen, um die Sympathie zu zerstören. Statt ehrlich zu sprechen, tasten wir uns vorsichtig heran, prüfen jeden Satz, jede Reaktion.

Das Tragische daran: Oft könnte der andere genau das Gleiche denken, aber auch er schweigt aus Angst. Zwei Menschen, die Gleichgesinnte sein könnten, verpassen die Chance, sich zu verbinden, weil sie sich beide hinter der unsichtbaren Mauer der Vorsicht verstecken.

Die Gefahr des Schweigens

Diese Mauer schadet nicht nur dem Einzelnen, sondern der gesamten Gesellschaft. Wenn Gedanken nicht geteilt werden, verkümmern sie. Wenn Menschen sich nicht trauen, miteinander zu sprechen, entsteht kein Austausch, keine Veränderung. Eine freie Gesellschaft lebt davon, dass Ideen, Meinungen und Überzeugungen laut ausgesprochen werden können – ohne Angst vor sozialer, beruflicher oder rechtlicher Repression.

Doch genau das passiert heute: Menschen verlieren unter Umständen ihren Job, werden ausgegrenzt oder sogar vor Gericht gezerrt, nur weil sie ihre Meinung geäußert haben. Auch Unternehmen, die öffentlich Stellung beziehen, riskieren, Aufträge zu verlieren. Die Angst, die Wahrheit zu sagen, lähmt die Gesellschaft.

Mut zur Freiheit

Es ist Zeit, diese Mauer zu durchbrechen. Freiheit beginnt im Kopf, aber sie muss nach außen getragen werden. Das erfordert Mut – den Mut, sich der Angst zu stellen und ehrlich zu sprechen. Das bedeutet, im kleinen Kreis die Stimme zu erheben und für die eigene Überzeugung einzutreten. Es bedeutet, anderen beizustehen, die sich trauen, ihre Gedanken zu teilen. Nur so können wir die unsichtbaren Mauern einreißen, die uns trennen.

Niemand ist allein mit seinen Gedanken. Es gibt mehr Gleichgesinnte, als wir oft glauben. Das Lied „Die Gedanken sind frei“ erinnert uns daran, dass Unterdrückung nur funktioniert, wenn wir uns in Isolation zurückziehen. Wenn wir zusammenstehen, verschwindet die Angst.

Freiheit ist mehr als ein privates Recht – sie ist eine Verantwortung. Wir schulden es uns selbst und den kommenden Generationen eine Welt zu schaffen, in der nicht nur Gedanken frei sind, sondern auch Worte und Handlungen. Lassen wir uns von dem Mut inspirieren, den das Lied seit Jahrhunderten verkörpert. Jetzt ist die Zeit, die Gedanken aus dem Kopf heraus in die Welt zu tragen.

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Author: Gast Autor
Journalistenwatch

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