Es ist das Jahr 1850, und Sie reisen in der neuen Eisenbahn quer durch Deutschland, beispielsweise von Breslau nach Köln. Während die Landschaft gemächlich vorbeizieht, scheint ihre Taschenuhr ständig falsch zu gehen. Der Grund? In jeder Stadt zeigen die Bahnhofs-, Kirchturm- oder Rathausuhr jeweils eine andere Zeit.
Gastbeitrag von Meinrad Müller
Damals war Zeit ein Flickenteppich aus Minuten. Jede Stadt berechnete ihre Uhrzeit anhand des Standes der Sonne. Während in Breslau die Uhren bereits 12:28 Uhr anzeigen, läuten in Köln gerade erst die Kirchenglocken zu Mittag. Warum? Weil Breslau auf 17 Grad östlicher Länge liegt, Köln aber auf 7 Grad. Da sich die Erde pro Längengrad um 4 Minuten weiterdreht, entsteht eine Zeitdifferenz von 10 Grad, also um 40 Minuten zwischen diesen Städten.
Mit der Eisenbahn wurde eine einheitliche Zeit wichtig
Ab den 1840er-Jahren wurden Städte durch ein Netz aus Schienen verbunden, und plötzlich musste man Fahrpläne koordinieren. Doch wie plant man Züge, wenn jede Stadt ihre eigene Uhrzeit hat? Dieses Chaos führte zu endloser Verwirrung. Verpasste Umstiege machten das Reisen zu einer Herausforderung.
Die Lösung: Eine einheitliche Zeit
Am 1. April 1893 wurde in Deutschland die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) eingeführt. Diese richtete sich nach dem 15. Längengrad östlich von Greenwich in England, der ungefähr durch Görlitz verläuft. Von Aachen bis Breslau tickten plötzlich alle Uhren gleich.
Richtig herumgesprochen hat sich diese „Bahnzeit“ bei der heutigen Bundesbahn offensichtlich noch nicht. Züge fahren, wenn sie nicht gerade ausfallen, nach eigenem Takt. Mal zur früh, doch meistens zu spät. Will man uns orientalische Geduld nahebringen oder uns nur zermürben?
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Author: Rasender Reporter
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