Die folgende Geschichte ist reine Fiktion. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
War das alles geplant? Wer hat ein Interesse am Niedergang Deutschlands?
Vorhang auf: Das Stück beginnt an einem kalten Winterabend in einem dieser nüchternen Beton-Konferenzräume im Bundeskanzleramt, das sich immer noch im nie vollendeten Umbau befindet. Plastikplanen statt Türen. Es riecht nach nassem Beton und nach Toilette. Die sanitären Anlagen streiken schon seit Wochen, sie wurden nur notdürftig und überbrückt in Betrieb genommen.
Die gläsernen Rauchertürme sind stärker frequentiert als noch vor wenigen Wochen. Ein Berater liest aus einem Dossier vor. Der Bericht trägt den dystopisch anmutenden Titel „Der orchestrierte Untergang“ und will nicht zur nüchternen Art des Vortrags passen. Der Berater liest mit emotionsloser Stimme, während sich der Kanzler vom Konferenztisch weggedreht und Fingernägel kaut.
Er bemüht sich nicht einmal mehr, es noch zu verbergen, denkt sich der Berater und liest weiter:
„Internationale Akteure hatten strategische Entscheidungen getroffen, die ein klares Ziel hatten: Die wirtschaftliche und politische Stellung Deutschlands innerhalb Europas und in der Welt zu brechen.“
Der Bericht ist bei der Analyse des Dieselskandals angekommen. Was 2015 als Enthüllung von Umweltmanipulationen durch Volkswagen begann, habe sich rasch zu einer globalen Krise für die deutsche Automobilindustrie entwickelt. Andere Automobilnationen wie die USA, Japan oder Frankreich hatten weitaus weniger mit ähnlichen Enthüllungen zu kämpfen, obwohl vergleichbare Praktiken existiert haben.
Das Dossier berichtet vom Volkswagenwerk Chattanooga, als dort die enge Zusammenarbeit mit den im Werk untergebrachten US-Prüfinstituten von einem zum anderen Tag zerbrach und die Amerikaner binnen Stunden alle Unterlagen mitnahmen – auch jene, die ihre Empfehlungen hätten belegen können.
Der Kanzler sitzt wieder am Tisch. Jetzt reißt er kleine Papierschnipsel aus einem leeren Blatt, das vor ihm liegt und dreht daraus mit etwas Spucke kleine Kügelchen. Der Fußboden unter ihm ist schon bedeckt damit.
Hinter den Enthüllungen steckten, so der Berater, gezielte destruktive Maßnahmen, um den größten Konkurrenten der US-Autoindustrie – die deutsche Ingenieurskunst – ins Wanken zu bringen. Das Ergebnis sei bekannt, so das Dossier weiter: Die massiven milliardenschweren Strafzahlungen und ein gigantischer Vertrauensverlust weltweit zerstörten die deutsche Automobilindustrie. Währenddessen gewannen bis dato vollkommen unbekannte E-Auto-Hersteller Marktanteile und Ford stellte wieder auf Hybrid-Technik um. Eine Technik, die Volkswagen auf den Weg zur Marktführerschaft gebracht hatte.
Aber nun sei alles zerstört, so der Berater. Klang da ein emotionaler Zwischenton mit? Der Kanzler schaut kurz irritiert auf.
Zusätzlich habe das US-Justizministerium über Jahre hinweg ein hundertköpfiges Team bei Volkswagen eingeschleust, das den Generalschlüssel und damit bis in die hinterste Schublade Zugang zu jedem Betriebsgeheimnis hatte. Als die Hundertschaft Deutschland und Volkswagen viel später nach dem Dieselgate-Skandal wieder verließ waren keine Geheimnisse mehr über. Die Knowhow-Schatzkammer so leergeräumt, wie das deutsche Gold, das bis heute in den USA verschollen bleibt.
Draußen vor dem Kanzleramt fahren Mannschaftswagen auf. Die neuesten Kampfausrüstungen haben besonders hohe Plastikanteile. Aber die Stabilität soll dank neuester Materialentwicklungen härter sein als Stahl – auch eine deutsche Entwicklung, die aber in China Furore machte, denn den deutschen Regulierungsbehörden war sie nicht nachhaltig genug. Ganz Deutschland war zu Kalifornien geworden. Aber ohne Sonne fühlte es sich für die Menschen nur wie ein Leben in Rumänien 1975 an.
Deutschland, so das Dossier weiter, habe alle Trümpfe in der Hand gehabt. Mit Nord Stream 2 habe man sich eine Energieversorgung gesichert, die dem Land über Jahrzehnte auch ohne Atomkraft eine wirtschaftliche Blütezeit gesichert hätte. Zeitgleich habe die Bundesregierung in der EU dafür gesorgt, dass Atomkraft geächtet wurde. Aber dann wurde die Pipeline im Herbst 2022 gesprengt.
Der Kanzler legt die flache Hand auf den Tisch und drückt sie so stark nach unten, dass der überraschenderweise haarlose Handrücken kalkweiß und blutleer erscheint. Als er die Hand endlich wieder anhebt, bleibt ein dunkler Handabdruck auf der schieferfarbenen Tischplatte zurück. Möglicherweise ist es sogar Schiefer, aber dann muss er so intensiv behandelt worden sein, dass man das Ursprungsmaterial nur noch erahnen kann.
An einer verdeckten Stelle in einer Vertiefung ist eine kleine kupferne Plakette eingelassen: „Deutsche Werkstätten Hellerau“. Aber lesen kann man es nicht mehr, irgendwer hat ein Kaugummi genau in die Vertiefung gedrückt. War es damals von Trump oder von Musk dort heimlich platziert worden? Der Kanzler denkt kurz darüber nach, wie wahnsinnig es jetzt wäre, diesem Kaugummi wieder Leben einzuhauchen. Würde man herausschmecken, wer es dort entsorgt hat? Dann verwirft er den Gedanken wieder.
Das Dossier nennt einen Masterplan der USA als wahrscheinliche Ursache für die Sprengung der Pipeline. E-Mails werden zitiert. Der Kanzler schaut müde auf und winkt dann ermattet ab, so, wie man eine lästige Fliege noch ein letztes Mal wegscheucht, weil sie einfach nicht aufgeben will.
Dem Kanzler erscheint die Begründung zu dünn, dass es nur um das amerikanische Flüssiggas gehen soll, an das man Deutschland laut Dossier habe binden wollen. Auf jeden Fall schadeten die hohen Energiepreise, die nach dem Verlust von Nord Stream 2 folgten, der deutschen Wirtschaft massiv und zwangen Unternehmen, aufzugeben oder ihre Produktion ins Ausland zu verlagern.
Als der Berater zu der Stelle im Dossier kommt, welche die Elektrifizierung der deutschen Autoindustrie erzählt, stöhnt der Kanzler schmerzhaft auf und sagt mit verzerrtem Gesicht etwas Unverständliches. Nur „China“ ist zu verstehen und „kein Schlüssel“ oder vielleicht „Reisschüssel“.
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Der Berater schaut auf und liest erst weiter, als der Kanzler mit einer Handbewegung zur Eile mahnt. Der Lärm draußen wird lauter. An diese dumpfen Knallgeräusche der neuen Waffen wird man sich noch gewöhnen müssen. Glas zerbricht irgendwo tief im Inneren des Kanzleramts. So leise und entfernt, dass es klingt, als sei eine Vase in einem Flokati-Teppich gefallen und trotzdem zersprungen, denkt der Berater und hätte darüber fast gelächelt, aber dann war der Gedanke schon wieder flüchtig und dann ganz verschwunden.
Das Dossier berichtet vom Kampf um seltene Erden wie Lithium, Kobalt und Nickel, der die deutsche Wirtschaft vor unlösbare Herausforderungen gestellt habe, als die E-Mobilität in einem feierlichen Akt zur einzigen deutschen Fortbewegungsform erklärt wurde. Die Rohstoffmärkte wurden schon zu Beginn großen Transformation von Ländern dominiert, die viel enger mit den USA kooperieren.
Der Berater ist heiser geworden, traut sich aber offenbar nicht, um ein Glas Wasser zu bitten. Also liest er heiser einfach weiter:
„Die USA und China haben sich frühzeitig Zugänge zu den Rohstoffen gesichert, während Deutschland auf ein „grünes“ Image und technologische Innovationskraft setzte. Doch ohne stabile Rohstofflieferungen und mit hohen Produktionskosten verlor Deutschland den Anschluss an die Märkte.“
Der nächste Abschnitt beschäftigt sich mit der illegalen Massenmigration ab 2015. Der Kanzler hört jetzt konzentrierter zu, seine blassen Hände sind nicht mehr in ständiger Bewegung, sie ruhen ineinander.
Die anhaltende illegale Zuwanderung in Kombination mit den Masseneinbürgerungen Ende der 2020er Jahre habe die soziale Stabilität in Deutschland auf ein Weise zerstört, dass es schon damals Jahrzehnte gebraucht hätte, alleine die Rückführungen zu organisieren, wen man dabei Mindeststandards hätte einhalten wollen.
„Die illegale Massenmigration wurde nicht allein durch Deutschlands Politik verursacht wurden.“ Die USA, so das Dossier weiter, habe durch ihre anhaltenden Interventionen im Nahen Osten maßgeblich zur Destabilisierung ganzer Regionen beigetragen. Im Ergebnis seien die Flüchtlingsströme nach Europa in Gang gekommen und wären nicht mehr versiegt. Die US-Regierung habe die Situation noch zusätzlich befeuert, als sie feststellten, wie perfekt ihr Plan aufging. Jedenfalls nachdem sie der deutschen Regierung unmissverständlich mitgeteilt hatten, was es von ihr erwarten. Die Kanzlerin begann damals öffentlich zu zittern. Man schob es in den Nachrichten auf eine Privatangelegenheit. Andere Blätter schrieben von einer Unterzuckerung.
Der Kanzler malt einen Kreis in das Schwitzwasser seiner Handabdrücke. Dann zieht er mit der Fingerspitze der linken Hand weitere Linien und betrachtet anschließend das Feuchte. Mit etwas Mühe könnte man es für ein missglücktes Ying-Yang-Zeichen halten. Aber dann wischt es der Kanzler schon wieder weg und der Berater muss nicht länger darüber nachdenken, während er weiter so teilnahmslos aus dem Dossier vorliest, als sei es eine besonders lästige Pflichtaufgabe.
Der Kanzler schaut kurz auf, bald so, als wolle er abschätzten, wie viele Seiten es noch sein könnten. Der Berater hatte begonnen etwas schneller zu lesen, als sei ein baldiges Ende in Sicht:
„Der Ukraine-Krieg und Sanktionen gegen Russland traffen Deutschland stärker als alle anderen westliche Staaten. Die USA profitieren von gestiegenen Energiepreisen und Waffenexporten, während Deutschland seine Waffen verschenkte und noch hunderte von Milliarden Euro zusätzlich in die Ukraine umleitete.“
Eine Untersuchung habe ergeben, dass bis zu 75 Prozent der Gelder überhaupt nicht angekommen seien, heißt es weiter.
„Die Sanktionen wurden bewusst so gestaltet, dass sie Deutschland und seine Industrie besonders hart treffen“, liest der Berater weiter vor. „Die Abwanderung energieintensiver Industrien in die USA und die zunehmende Abhängigkeit von amerikanischem LNG waren die nächste Stufe der Deindustrialisierung.“
Der Kanzler unterbricht an der Stelle überraschend und beginnt einen Monolog darüber, dass der ukrainische Geheimdienst den syrischen Rebellen in den Monaten vor Assads Sturz logistische und operative Unterstützung geleistet habe. Aber wem erzählt er es und was hat das mit dem Dossier zu tun? Der Berater ist irritiert. Er hat einen kleinen dunklen Punkt auf der Wange des Kanzlers entdeckt und bemüht sich seinen Blick genau auf diesem Punkt ruhen zu lassen und dabei so teilnahmslos wie möglich auszuschauen.
Ein neuer Drohnenschwarm ist gerade außerhalb des Kanzleramtes aufgestiegen. Früher waren sie leiser, wundert sich der Berater. Der Kanzler erzählt gerade von Angriffen im Donbass und über die Grenzen Russlands hinaus. Zuletzt seien die vielen sekundären Schlachtfelder noch hinzugekommen. Sein alleiniger Verdienst sei es gewesen, so der Kanzler weiter, dass es zuletzt nur noch eine Schlacht der Maschinen war. Er habe so viele Menschenleben gerettet, murmelt der Kanzler selbst ganz verwundert über seine Worte noch hintendran und bittet dann den Berater per Handzeichen weiterzulesen. Aber da ist das Dossier nach fünfeinhalb Stunden doch noch zum Ende gekommen.
Das Fazit ist denkbar nüchtern. Und es hätte wohl einen viel früheren Zeitpunkt gebraucht, um wirklich spektakulär oder sonst irgendwie beeindruckend zu sein:
Jede einzelne der Krisen sei auf ein orchestriertes Vorgehen zurückzuführen. Das Zusammenspiel der einzelnen Maßnahmen habe eine zur Hilfe genommene KI sogar zu der eindeutig emotionalen Äußerung veranlasst: „Elegant“ gelöst sei es.
Zusammengenommen ergibt sich das Bild einer internationalen Dynamik, in der die USA eine Schwächung Deutschlands bewusst herbeigeführt habe. Der Kanzler verlässt den Konferenzraum. Beim Aufstehen wirbelt er die vielen kleinen Papierkügelchen auf. Der Berater schaut einen Moment herunter und meint sogar ein fernes Sternbild zu erkennen. Aber dann verwirft er die Idee wieder.
(Dieser Text ist rein fiktional und basiert auf einer spekulativen Interpretation von Ereignissen.)
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Author:
Alexander Wallasch