Von Kai Rebmann
Fast jede zehnte Stelle im Beamtenapparat der Bundesverwaltung sollte dem Rotstift zum Opfer fallen. Bei den Beauftragten für alles Mögliche, deren Zahl besonders unter der Ampel ins Uferlose wuchs, sollte gar die Hälfte eingespart werden. So zumindest das großtönige Versprechen von Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag. Nach noch nicht einmal zwei Monaten im Amt ist davon aber schon nichts mehr übrig – ganz im Gegenteil.
Aller früherer Kritik am Gebaren ihrer Amtsvorgänger schöpfen auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Minister aus dem Vollen, wenn es um die Besetzung und vor allem Schaffung neuer Posten und Pöstchen geht. Aktuell hat die Bundesregierung genau 208 solcher Stellen neu ausgeschrieben, teilweise in Kategorien bis hinein in die Besoldungsgruppen B3 oder B6. Alleine dafür schlagen die Kosten für den Steuerzahler mit bis zu 11.370 Euro (B6) pro Stelle und Monat zu Buche.
Nun werden die Anwälte von Schwarz-Rot, als die sich die üblichen Verdächtigen offenbar verstehen, ins Feld führen, dass rund drei Viertel dieser künftigen Frühstücksdirektoren im neu geschaffenen Digitalministerium von Karsten Wildberger (CDU) eingeplant sind. Schließlich müsse dieser sein Haus „komplett neu aufbauen“, verteidigt etwa der „Tagesspiegel“. Und außerdem seien 208 neue Planstellen und Stellen angesichts der Dimensionen des bereits bestehenden Staatsapparates „überschaubar wenig“ und der Personalzuwachs mache „weniger als ein Prozent“ aus.
Bundesregierung nur für Schönwetter-Politik gerüstet?
Das ist eine in der Tat interessante Argumentation: Nur weil in den Bundesministerien ohnehin schon rund 34.000 Beamte angestellt sind, wird es auf 208 weitere wohl auch nicht mehr ankommen. Und das Ganze wird auch nicht deshalb besser – oder weniger schlecht – weil die neuen Posten „in vollem Umfang durch den Wegfall von derzeit nicht besetzten Stellen eingespart“ werden, wie ein Sprecher des Finanzministeriums zu beschwichtigen versucht und dazu betont: „Die Bundesregierung muss bei den aktuellen Herausforderungen schnell voll arbeitsfähig sein.“
Letzteres sollte eine Bundesregierung eigentlich immer. Weder das noch die Schaffung eines neuen Ministeriums noch aktuelle Entwicklungen auf der politischen Weltbühne rechtfertigen die fortwährende Aufblähung des bundesdeutschen Beamtenapparates in den zuletzt gesehenen Ausmaßen. Richtig ist, dass auch der neue Digitalminister frisches Personal braucht. Zu dieser Wahrheit gehört aber auch, dass die jetzt anfallenden Aufgaben des Wildberger-Ressorts nicht aus heiterem Himmel gefallen sind, sondern vorher eben – je nachdem – im Verkehrs-, Innen-, Wirtschafts- oder anderen Ministerien verwaltet wurden.
Und natürlich verweisen sowohl die Bundesregierung als auch viele Medien etwa auf den Krieg in der Ukraine, der für so ziemlich alles als Ausrede herhalten muss. Dabei handelt es sich aber weniger um eine „aktuelle Herausforderung“ als vielmehr um eine seit drei Jahren bekannte Realität, an der kein führender Player in der internationalen Politik – als der sich Deutschland gerne selbst sieht – den Personalbedarf in seinen Ministerien auslegen kann oder darf.
Auffällig ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ausgerechnet das Verteidigungsministerium mit gerade einmal einer (!) neuen Stelle plant, nämlich der eines Staatssekretärs für Hausherr Boris Pistorius (SPD). Im krassen Gegensatz dazu stehen sage und schreibe 40 neue Stellen für das Kanzleramt – alleine acht davon für Altkanzler Olaf Scholz (SPD). Diese Anzahl geht weit über die eigentlich übliche Ausstattung eines eigenen Büros mit Fahrer, Sekretariat, einem Referenten und einem Sachbearbeiter hinaus. Auch dieser Luxus wird mit dem Ukraine-Krieg begründet, da dessen Beginn in Scholzens Amtszeit gefallen sei.
Derartige Verschiebungen sind keine unvorhersehbaren Naturereignisse oder höhere Gewalt, sondern Dinge, mit denen man rechnen muss – und die in der einen oder anderen Form ständig passieren. Verglichen mit früheren Generationen von Kanzlern und Ministern agieren bzw. agierten Merz, Scholz und Co. in geradezu einfach zu händelnden Zeiten.
Opposition kritisiert ‚kräftigen Schluck aus der Flasche‘
Deshalb: Wer bis zum Jahr 2029 acht Prozent des Beamtenapparats abbauen will, so wie es Schwarz-Rot dem Steuerzahler und Wähler versprochen hat, der muss irgendwann damit anfangen. Wer dann aber offenbar nicht benötigte Stellen einfach in ein anderes Ressort umschichtet und obendrauf noch ganz neue Stellen schafft, nur weil es sich bei 208 neuen Posten und Pöstchen um „überschaubar wenig“ oder „weniger als ein Prozent“ des schon bestehenden Apparates handelt, der sendet ein falsches Signal zur falschen Zeit.
So sieht das naturgemäß auch die Opposition, namentlich die aus der AfD. Alice Weidel sieht den Staat als „Selbstbedienungsladen der etablierten Parteien“ missbraucht und AfD-Haushaltsexperte bescheinigt der neuen Bundesregierung, „einen kräftigen Schluck aus der Flasche“ zu nehmen bzw. dem Steuerzahler einmal mehr tief in die Tasche zu greifen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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