Didi Hallervorden wird 90, und er bleibt sich treu. „Geht mir an der linken Arschbacke vorbei“, schleudert er in der ARD-Doku zu seinem Geburtstag seinen Kritikern entgegen, die ihn anklagen, weil er das in Deutschland mittlerweile offenbar verbotene Wort „Neger“ verwendet hat. Man kann solche Ausdrücke geschmacklos finden. Man kann ihn unmodern nennen. Aber man weiß, woran man ist. Da redet einer, der sich nicht verbiegen lässt.
Der Hintergrund: Bei der großen ARD-Geburtstagsshow „75 Jahre ARD“ im April 2024 gab es ein Revival seines berühmten „Palim Palim“-Sketches (siehe hier). Einst Kult in den 1970er-Jahren, als Hallervorden in „Nonstop Nonsens“ die Bundesrepublik zum Lachen brachte, wurde die Nummer nun neu aufgeführt – und mit zwei Worten versehen, die heute wie Sprengstoff wirken. Der Mainstream hyperventilierte und schrieb: „Er sprach sowohl das N-Wort als auch das Z-Wort aus.“
Hallervorden und die ARD wurden an den Pranger gestellt, Social Media explodierte, und der Sender ruderte zurück. Für viele war es ein Beleg, wie wenig Spielraum Satire heute noch hat. Hallervorden konterte damals mit einem deutlichen Statement: „Woke Menschen von heute versuchen ängstlich, nicht aus der Reihe zu tanzen, befolgen akribisch alle Social-Media-Gebote, um keine Likes aufs Spiel zu setzen, und verstehen keine Satire mehr.“
Was ich besonders bizarr finde: Unsere großen Medien sind inzwischen so bigott und auf Linie, dass sie Worte wie „Neger“ und „Zigeuner“ meiden wie im Mittelalter, als man glaubte, schon die Erwähnung des Teufels rufe ihn herbei – und immer nur von „N-Wort“ und „Z-Wort“ sprechen. Deshalb erfährt der Leser nicht einmal, was Hallervorden wirklich sagte, er kann es nur erahnen. Auch das Wort „Arschbacke“ wird nicht ausgeschrieben. Das wirkt wie eine neue Sprach-Inquisition: Worte sind nicht mehr bloße Laute, sondern magische Beschwörungen. Wer sie ausspricht, gilt schon als schuldig. So funktioniert keine Demokratie – so funktioniert nur die Logik des Scheiterhaufens.
In der Geburtstagsdoku tritt nun auch Hallervordens Sohn auf. Johannes Hallervorden, 26, Theaterleiter, wohlmeinend, zumindest dem Anschein nach reflektiert. Er nennt den Auftritt seines Vaters „absolut unnötig“, weil er suggeriere, man dürfe nicht mehr sagen, was man denkt. Dann der Satz, der mich mehr aufschreckt als alle groben Worte des Alten: „Man darf schon sagen, was man denkt – nur nichts, was andere Menschen verletzt, kränkt und diskriminiert. Und das ist auch richtig so.“ Und als ob das nicht schon Realsatire genug wäre, schiebt der Sohn hinterher, sein Vater sei „nicht offen“ für Argumente.
Die freundliche Falle
Klingt modern. Klingt tolerant. Klingt wie ein Satz für den Ethik-Unterricht. Doch bei genauerem Hinsehen steckt darin die freundliche Falle: Wer legt fest, was verletzt? Wer entscheidet, was kränkt? Wer definiert, was diskriminierend ist?
Die Antwort ist so simpel wie beunruhigend: Es sind immer die Lautesten. Die Empfindlichsten. Die Ideologen. Die, die gelernt haben, Kränkung als Waffe einzusetzen. Wenn „Nicht verletzen“ das oberste Prinzip wird, dann bestimmen nicht mehr Argumente den Diskurs, sondern Befindlichkeiten. Und Ideologie.
Ohne Zumutung keine Demokratie
Das ist der Kern: Kritik verletzt immer. Sie muss es sogar. Jede Satire, jede Pointe, jede Analyse trifft jemanden. Demokratie heißt, das auszuhalten. Wer verlangt, dass „Nichts Verletzendes“ gesagt wird, verabschiedet sich damit von der Demokratie und installiert eine neue Sprachpolizei.
Und das eigentlich Bittere ist: Hallervorden junior merkt nicht einmal, wie totalitär diese Denkweise ist. Er glaubt, tolerant zu klingen – dabei ist es die perfideste Form der Intoleranz. Wenn der Sohn dem Vater vorwirft, er sei „nicht offen für Argumente“, dann ist das nichts anderes als eine Umkehrung der Realität. Offen ist der, der aushält. Geschlossen ist der, der alles wegradiert, was irgendwen verletzt.
Es ist kein Zufall, dass solche Sätze so populär klingen. Sie sind bequem. Nett. Konsensfähig. Man kann sie überall sagen, ohne anzuecken. Aber genau darin liegt die Gefahr. Gesellschaften, die nur noch nett reden wollen, sind nicht tolerant – sie sind tot. Und unfrei.
Der rauhe Charme des Alten
Vielleicht braucht es in dieser Zeit genau das Grobe eines 90-Jährigen, um uns daran zu erinnern, was Freiheit bedeutet. Sie ist nicht hübsch verpackt. Sie klingt nicht wie ein Seminar für „gewaltfreie Kommunikation“. Freiheit ist unbequem. Sie kratzt, sie nervt, sie tut weh.
Hallervorden Senior mag mit seinen Worten anecken. Aber ein Land, in dem man nicht mehr anecken darf, ist tot. Und unfrei. Hallervorden senior verteidigt das Prinzip, ohne das jede Demokratie verdorrt: Dass man Dinge sagen darf, die andere verletzen. Lieber eine grobe „Arschbacke“ und ein „Neger“ als ein Land, in dem man nur noch säuseln darf.
Vielleicht ist genau das die Pointe dieser ganzen Debatte: Der Alte sagt „Arschbacke“ und „Neger“ Und bewahrt damit ein Stück Freiheit. Der Junge sagt „nett“, „verletzend“ und „rücksichtsvoll“ – und öffnet damit die Tür in eine Gesellschaft, in der jedes Wort auf die Waage gelegt und jedes falsche Silbengewicht bestraft wird.
Und dann bleibt die Wahl, die viel größer ist als ein Familienstreit: Wollen wir eine Demokratie, die Widerspruch, Debatte und Lebendigkeit aushält – oder ein Watte-Kinderzimmer, in dem schon ein falsches Wort zum Verbrechen wird?
Denn eine Gesellschaft, die nur noch nett klingen will, endet nicht im Paradies der Toleranz. Sie endet in der Hölle der Selbstzensur. Und auf dem Weg dorthin sind wir längst unterwegs – erschreckend weit, gespenstisch weit.
Freiheit heißt, auch harsche Worte und Zumutungen auszuhalten – alles andere ist Unfreiheit.
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