Ein Gastbeitrag von Vera Lengsfeld
Die jüngsten Entgleisungen linker Journalisten, Politiker und sonstiger Aktivisten nach der Ermordung von Charlie Kirk zeigen, dass freie Meinungsäußerung, zu der Rede und Gegenrede gehören, in Deutschland nicht mehr existiert. An Debatte sind diejenigen, die bunt, tolerant und für eine offene Gesellschaft zu sein behaupten, nicht interessiert.
Während es in den USA noch Leute wie Bernie Sanders und Barack Obama gibt, die als echte Demokraten wissen, dass man andere Meinungen nicht denunzieren, sondern aushalten und wenn nötig mit besseren Argumenten bekämpfen muss, hat Deutschland Politiker wie Daniel Günther (CDU), der auf offener Bühne herumhampelt und „Nazi, Nazi“ schreit, oder Journalisten wie der Typ vom NDR Hamburg, der sich in einem Video wie ein Irrer aufführt, um die Ermordung von Kirk zu feiern. (Das Video wurde offensichtlich schnell wieder gelöscht.)
Der Meinungskorridor ist in Deutschland verschlossen, aber die Gesinnungswächter haben Angst. Diese Angst ist so groß, dass sie ununterbrochen damit beschäftigt sind, jeden auch nur vermuteten Widerspruch im Keim zu ersticken. Das Kampfmittel ist die Denunziation, rechts, rechtsextrem, Verschwörungstheoretiker oder alles miteinander zu sein.
In Halle, der Stadt, die so große Geister wie den Pädagogen August Hermann Francke, der im 17. Jahrhundert eine Frau unterstützt und verteidigt hat, die als Mann lebte, und den Naturforscher und reformierten Pastor Johann Reinhold Forster, Vater des berühmteren Georg, hervorgebracht hat, sind diese großen Traditionen in Vergessenheit geraten. Das kann man öffentlich nachprüfen. In der Galerie berühmter Hallenser in einer Unterführung nahe des Bahnhofs ist Georg Forster aufgeführt, obwohl der nichts mit Halle zu tun hatte, höchstens hier seinen Vater besuchte, was selten der Fall war.
Um jeden Rest von freiem Geist aus der Stadt zu vertreiben, haben sich 40 Institutionen, Vereine, Initiativen und Privatpersonen zusammengetan, um eine Buchmesse zu verhindern, die am 8. und 9. November hier stattfinden wird.
Die Initiatorin des sogenannten „Wir-Festivals“, Buchhändlerin Theresa Donner, verkündete am 22. September im MDR Kultur, dass es nicht darum gehe, die Buchmesse zu verbieten, sondern ein „alternatives Angebot“ für die Hallenser aufzubauen. Sie verschweigt allerdings, dass der anfängliche Plan, die Betreiberin der Messe Halle unter Druck zu setzen, damit sie ihren Vertrag mit der Buchhändlerin Susanne Dagen, der Organisatorin von „Seitenwechsel“, kündigt, gescheitert ist.
Nun soll die Hallenser Stadtgesellschaft in einer ganzen Serie von Veranstaltungen darüber desinformiert werden, was sich in ihrer Stadt abspielen soll.
Die Einladung von „Seitenwechsel“ liest sich so:
„… und ein gutes Buch, so meinen wir, kann den Leser schöpferisch
und damit unser Miteinander wieder besser werden lassen!
So soll die neue Büchermesse SEITENWECHSEL ein Angebot an
jene sein, für die Bücher in unübersichtlichen Zeiten vor allem ein
Gesprächsanfang sind. Zwei Tage für die Lust an Geistesblitzen und
Neuentdeckungen – ein Fest für freies Denken und perspektivisches
Sehen am Ende eines jeden (Lese-)Jahres.
Das neue Format in dem privaten Messegelände in der Mitte
Deutschlands versteht sich als Ergänzung zu den riesigen internatio-
nalen Buchmessen und wird Besucher in einem überschaubaren
Rahmen mit Büchern, Gesprächen und Lesungen überraschen.“
Ist das typischer „rechter Szene-Treff“-Jargon? Kaum, das hindert die Aktivisten aber nicht, das einfach zu behaupten. Sind Uwe Tellkamp, Uwe Steimle und ich rechte Dunkeldeutsche?
Nein, Steimle ist ein in der Wolle gefärbter Linker, ich eine Libertäre, und Tellkamp einer der meistgelesenen Gegenwartsautoren, dessen Schlüsselroman zur DDR-Geschichte ein Publikumsrenner war und erfolgreich verfilmt wurde. Wer von uns dreien hat „Lügen, Hass und Hetze“ verbreitet, Frau Donner? Das behaupten Sie ohne jegliche Belege, denn die gibt es nicht. Das sollen die Hallenser aber nicht erfahren. Deshalb ist keiner von uns als Diskutant auf eine Ihrer vielen Veranstaltungen eingeladen. Für einen Schlagabtausch mit uns sind Sie und Ihre Mitstreiter zu feige.
Unwahrheiten werden dagegen nicht von uns, sondern von den Unterstützern des „Wir-Festivals“ verbreitet.
Anfang Juni teilte Bettina Erzgräber, Rektorin der Kunsthochschule Burg Giebichenstein, auf Anfrage von MDR Kultur mit: “Ich bin fassungslos über die Planung dieser Buchmesse. Wir sind uns sicher, dass ihr die Hallenser Stadtgesellschaft mit kritischer Vernunft und zahlreichen Initiativen entgegentreten wird.“ Nur steht das Programm bis heute noch nicht fest, weil es immer noch Anmeldungen gibt und die Aussteller frei sind, was sie präsentieren wollen. Die Hallenser sollen also gegen etwas sein, von dem sie keine Ahnung haben. Aber so läuft das inzwischen im „besten Deutschland aller Zeiten“. Hass und Hetze ist es übrigens, Andersdenkende mit unbewiesenen Unterstellungen zu diffamieren, aber das scheint der Rektorin nicht klar zu sein.
Man kann sich mit seinem furor teutonicus auch selbst der Unwahrheit überführen.
„Der Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verlags, Roman Pliske, kommentierte mit Blick auf die geschichtsrevisionistischen Strategien der Neuen Rechten, verkündet seine Nicht-Einladung mit Ironie: ‚Gerne hätten wir unsere Neuerscheinungen zum Widerstand im Dritten Reich gezeigt, unsere Bücher zu jüdischem Leben in Deutschland präsentiert und die große Frage, wie Migration gelingen kann, dem geneigten Publikum gestellt‘, teilte Pliske mit“, so MDR Kultur.
Allerdings war Pliske eingeladen, will sie aber nicht bekommen haben. Es fällt leider schwer, ihm zu glauben, denn die prompte Wiederholung der Einladung durch Susanne Dagen und das Angebot, sogar einen kostenlosen Tisch zur Verfügung gestellt zu bekommen, ließ Pliske unbeantwortet. Ich hätte ihn gern gefragt, ob meine kompromisslose Unterstützung Israels gegen die Hamas meine „geschichtsrevisionistische Strategie“ ist. Wenn die Antwort richtig gewesen wäre, dass diese Feststellung nichts mit mir zu tun hat, bleibt die Frage an MDR Kultur, wieso ich namentlich unter solch einer ehrabschneidenden Behauptung genannt werde.
Zu den Kritikern von „Seitenwechsel“ gehört auch Alexander Suckel, Geschäftsführer des Literaturhauses Halle. Suckel hält die geplante Messe, so MDR Kultur, „für eine Inszenierung“. Es gehe darum, sich als das „vermeintlich Andere“, als Alternative zu präsentieren und unter sich zu sein, um damit jedweden Diskussionen aus dem Weg zu gehen.
Allerdings geht Suckel jeglicher Diskussion aus dem Weg, denn er hat eine Einladung dazu von „Seitenwechsel“ abgesagt.
Ja, Frau Donner hat recht, wenn sie sagt, dass es ein Ziel des „Wir-Festivals“ sei, zu demonstrieren, dass sie unter Meinungsfreiheit etwas anderes verstehen als „Seitenwechsel“.
„Wir“ ist so meinungsfrei, wie die DDR demokratisch war.
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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Und ich bin der Ansicht, dass gerade Beiträge von streitbaren Autoren für die Diskussion und die Demokratie besonders wertvoll sind. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Vera Lengsfeld, geboren 1952 in Thüringen, ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages, zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Sie betreibt einen Blog, den ich sehr empfehle. Das neue Buch „Ist mir egal“ zu Merkel können Sie hier vorbestellen.
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