Berlin (ots)
Das Bundesverfassungsgericht hat letzte Woche mit einer Entscheidung das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz bestätigt und den Gesetzgeber darin gestärkt, Maßnahmen zur Finanzstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu treffen. Dazu sagt die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann:
„Es ist sehr gut, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss noch einmal deutlich hervorhebt, welche Finanzverantwortung der Gesetzgeber – und damit die Politik – gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung trägt. Und ausdrücklich dazu auffordert, die Leistungserbringer daran zu beteiligen, für Beitragsstabilität der GKV zu sorgen. Diese finanzielle Mitverantwortung der Pharmaunternehmen und anderer Leistungserbringer an der Beitragsstabilität kommt derzeit viel zu kurz.
Jüngsten Äußerungen der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken und Andeutungen des Bundeskanzlers Friedrich Merz zufolge hat die Bundesregierung die angespannte Finanzlage von GKV und SPV zwar auf dem Schirm, jedoch bleiben beide konkrete Zusagen oder Maßnahmen, wie man auch die Leistungserbringer in die Pflicht nehmen will, bisher schuldig.
Auf der Einnahmeseite sind lediglich unzureichende Überbrückungsdarlehen verabredet. Und auf der Ausgabenseite gibt es nur die vage Ankündigung vom Kanzler, man wolle über die Frage der Eigenverantwortung der Beitragszahlenden und über das Leistungsniveau für Patientinnen und Patienten sprechen.
Bevor wir hier einsteigen, sollten wir vorher aber über die mangelnde Finanzverantwortung des Bundes gegenüber GKV und SPV sprechen und die zusätzlichen Beitragslasten der letzten Jahre – und darüber, was die Beitragszahlenden dafür eigentlich bekommen haben. Also auch über die Effizienz- und Performanceprobleme unseres Gesundheitswesens, warum etwa für die Mega-Summe von rund 340 Milliarden Euro, die die Beitragszahlenden in diesem Jahr bereitstellen werden, keine qualitativ exzellente und bedarfsgerechte stationäre und ambulante Versorgung sichergestellt werden kann. Um den Vergleich des Kanzlers aufzugreifen: Wir bezahlen einen Mercedes und bekommen nicht mal einen Golf!
Warum wird den Arzneimittelherstellern, die an der GKV blendend verdienen kein Beitrag abverlangt, um die GKV-Finanzen mit zu stabilisieren? Sie profitieren von einem der einfachsten Marktzugänge der Welt und nutzen dies mit „Mondpreisen“ aus? Warum muss die GKV den Krankenhäusern jetzt noch sogenannte „Soforttransformationskosten“ in Höhe von zusätzlichen vier Milliarden Euro erstatten, obwohl damit veraltete Krankenhausstrukturen nicht „transformiert“, sondern nur konserviert werden?
Statt weiter nach dem Prinzip „Mit der Gießkanne in die Sickergrube“ zu agieren, muss die Bundesregierung endlich echte Effizienzsteigerungen auf den Weg bringen.“
Hintergrund:
Zwei pharmazeutische Unternehmen hatten Verfassungsbeschwerde gegen zentrale Regelungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes eingelegt – darunter der temporäre Herstellerabschlag (12 %), die Verlängerung des Preismoratoriums sowie der Kombinationsabschlag (20 %). Ziel der Klagen war es, diese Regelungen als unzulässige Belastung pharmazeutischer Unternehmen zu kippen. Dies wurde mit der Entscheidung des BVerfG nun zurückgewiesen.
Wesentliche Punkte der Entscheidung des BVerfG:
- Der Gesetzgeber darf Maßnahmen zur Begrenzung der Arzneimittelausgaben treffen – selbst dann, wenn diese zu Einschnitten bei pharmazeutischen Unternehmen führen;
- Eingriffe wie der erhöhte Herstellerabschlag, das Preismoratorium oder Kombinationsabschläge sind verfassungsrechtlich zulässig – der Eingriff in die Berufsfreiheit ist gerechtfertigt (geeignet, erforderlich und verhältnismäßig);
- Leistungserbringende in der GKV genießen nur eingeschränkten Vertrauensschutz, wenn es um die Sicherung der GKV-Finanzierung geht;
- Die Richter betonten, dass die Pharmaindustrie in Deutschland weiterhin hohe Umsätze erzielt, von einem strukturellen Rückzug aus Deutschland oder einer ernsthaften Existenzgefährdung könne keine Rede sein;
- Die Leistungserbringenden sind vom Gesetzgeber bei Kostendämpfungsmaßnahmen zu beteiligen (Rdnr. 99);
- Der Senat betont mehrfach (Rdn. 87, 98, 99), dass der Gesetzgeber die Verantwortung für die finanzielle Stabilität der GKV hat, er sich dieser Aufgabe auch nicht entziehen darf;
- Pharmazeutische Unternehmer haben kein schutzwürdiges Vertrauen in die Beständigkeit der Preisgestaltung (Anm. RE: dürfte auf andere LE übertragbar sein);
- Aufgrund der Komplexität der GKV gilt eine zurückgenommene Plausibilitäts- und Evidenzkontrolle der Maßnahmen (Rdnr. 89).
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