• 16. Juni 2025

NGOs fordern Bundesregierung für mehr Einsatz gegen Antipersonen-Minen auf / Ottawa-Konvention muss gestärkt werden

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Juni 16, 2025
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Berlin (ots)

Die Organisationen Handicap International, Human Rights Watch, Internationale Kampagne gegen Landminen (ICBL), medico international und Save the Children wenden sich in einem offenen Brief an die Minister Wadephul und Pistorius. Anlässlich des Treffens der Mitgliedstaaten der Ottawa-Konvention in Genf ab dem 17. Juni äußern die Organisationen ihre große Sorge, dass Antipersonen-Minen vermehrt eingesetzt und produziert werden, obwohl sie seit 1997 geächtet sind. Estland, Finnland, Lettland, Litauen und Polen überlegen oder haben bereits beschlossen, die Konvention zu verlassen.

Hier folgt der Offene Brief vom 12.06.2025:

Sehr geehrter Minister Dr. Wadephul, sehr geehrter Minister Pistorius,

mit diesem offenen Brief wenden wir uns an Sie in großer Besorgnis um die Zukunft der Ottawa-Konvention von 1997 über ein Verbot von Antipersonen-Minen, einer der großen Errungenschaften der humanitären Abrüstungspolitik.

Nach der Ankündigung der Verteidigungsminister Polens, Litauens, Estlands und Lettlands im März und April dieses Jahres, dass sie beabsichtigen, sich aus dem Übereinkommen zurückzuziehen, haben nun die Parlamente Litauens, Lettlands und Estlands diesen Schritt bestätigt. Auch in Finnland und Polen sind entsprechende Gesetzgebungsverfahren im Gange. Angesichts dieser Entwicklungen wächst die Sorge vor der Rückkehr einer Waffe, die aus gutem Grund seit fast dreißig Jahren international geächtet ist. Wir bitten Sie dringend, sich gegen diese Entwicklung und für die Ottawa-Konvention stark zu machen!

Gerade im Blick auf die in der kommenden Woche anstehende Konferenz zur Ottawa-Konvention in Genf (Intersessional Meetings) bitten wir Sie dringend, diese fünf Länder öffentlich und unmissverständlich dazu aufzurufen, im Übereinkommen zu verbleiben. Ebenso fordern wir Sie auf, den Einsatz, die Herstellung und die Weitergabe von Antipersonen-Minen – durch wen auch immer und unter welchen Umständen auch immer – zu verurteilen. Außerdem sollte Deutschland alle diplomatischen Anstrengungen unternehmen, um seine europäischen Partner und andere Vertragsstaaten zu mobilisieren, damit die Integrität und Wirksamkeit der Ottawa-Konvention gewahrt bleibt.

Antipersonen-Minen achten weder Waffenstillstände noch Friedensabkommen. Unabhängig von ihrer Bauart oder Technologie verstümmeln und töten sie bis zu ca. 85% Zivilistinnen und Zivilisten, darunter viele Kinder. Die menschlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen belasten die Zivilbevölkerung langfristig, insbesondere in benachteiligten und geschwächten Regionen, in denen die Menschen oft keine andere Wahl haben, als dort zu leben und ihr Land trotz der Verminung zu bewirtschaften.

Die Rückkehr zu Antipersonen-Minen darf keine Antwort auf die gestiegene Sicherheitsbedrohung in Europa sein, denn diese Waffen aus dem letzten Jahrtausend bieten in Wirklichkeit keinen Schutz für die Bevölkerung. Aufgrund ihrer Bauweise treffen sie unterschiedslos und verstoßen somit gegen ein Grundprinzip des humanitären Völkerrechts. Sie dienen nicht der Verteidigung von Grenzen, da Minenfelder von modernen Streitkräften schnell durchbrochen werden können. Sie verwandeln jedoch Grenzen in Todesfallen für die Zivilbevölkerung und gefährden sie über Generationen hinweg. Ihre humanitären Folgen stehen in keinem Verhältnis zu ihrem begrenzten strategischen Nutzen, für den es zudem Alternativen gibt.

Aus all diesen Gründen wurde die Ottawa-Konvention bis heute von 165 Staaten ratifiziert. Vor ihrem Inkrafttreten wurden Antipersonen-Minen massenhaft in bewaffneten Konflikten eingesetzt und forderten zahlreiche zivile Opfer. Durch das Verbot von Einsatz, Produktion und Weitergabe dieser Waffen sowie die Verpflichtung zur Zerstörung der Bestände, zur Entminung und zur Unterstützung der Opfer hat der Vertrag die Bedrohung seither deutlich reduziert: Zwischen 1999 und 2013 sank die Zahl der jährlichen Opfer von weit über 20.000 auf unter 5.000. Die Anzahl der Produzenten und die Einsätze von Antipersonen-Minen ging drastisch zurück. Weite Flächen Land konnten entmint werden, und über 50 Millionen Minen aus Beständen wurden vernichtet. Ein gewaltiger Fortschritt und eine große Erleichterung für die Opfer und die Zivilgesellschaft, deren Mobilisierung 1997 mit dem Friedensnobelpreis für die Internationale Landminenkampagne ausgezeichnet wurde.

Heute nun wankt das Fundament dieses Konsenses. Die Rückzugsankündigungen der fünf osteuropäischen Staaten erfolgen in einem Kontext, in dem der Einsatz von Antipersonen-Minen wieder zunimmt. Nach Jahren des Rückgangs steigt die Zahl der neuen Opfer wieder – insbesondere durch den wiederholten Einsatz in aktuellen Konflikten, etwa durch Russland in der Ukraine, wie aus dem jüngsten Landminen-Monitor der Internationalen Kampagne zum Verbot von Landminen (ICBL) hervorgeht. Im November letzten Jahres sorgte dann die Entscheidung der US-Regierung, Antipersonen-Minen an den Ottawa-Vertragsstaat Ukraine zu liefern, für großes Aufsehen.

Die nun drohende Wiederbewaffnung osteuropäischer Staaten mit Antipersonen-Minen würde auch eine Wiedereinführung einheimischer Produktion erfordern unter erheblichen Investitionen – für eine Waffe, die bis heute von allen EU- und fast allen NATO-Staaten verboten ist. Mit einem solchen Schritt würden sich die Produzenten in eine Reihe mit jenen Staaten stellen, die laut dem Landminen-Monitor weiterhin noch Antipersonen-Minen herstellen, darunter vor allem China, Russland, Iran und Nordkorea.

Angesichts der geschilderten Risiken fordern wir Sie, sehr geehrte Herren Minister, dringend dazu auf, alles dafür zu tun, damit die deutsche Regierung ihr Engagement gegen Antipersonen-Minen bekräftigt und ihre Verbündeten dazu bewegt, diesem Beispiel zu folgen. Deutschland ist heute einer der aktivsten Vertragsstaaten der Ottawa-Konvention und einer der größten Geldgeber für weltweite Entminung und Opferfürsorge. Dieses Engagement darf gerade jetzt nicht zurückgehen – es kann nicht im deutschen Interesse sein, dass die weltweite Verminung wieder zunimmt und die Zahl der Opfer immer weiter steigt.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Inez Kipfer-Didavi, Geschäftsführerin Handicap International Deutschland

Philipp Frisch, Geschäftsführer Human Rights Watch Deutschland

Tamar Gabelnik, Direktorin Internationale Kampagne für das Verbot von Landminen (ICBL)

Tsafrir Cohen, Geschäftsführer medico international

Florian Westphal, Geschäftsführer Save the Children Deutschland

Pressekontakt:

Huberta von Roedern
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 151 73 02 32 06
Email: [email protected]
www.handicap-international.de

Original-Content von: Handicap International e.V., übermittelt durch news aktuell

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