Man würde denken, dass ein Staat, der die Kontrolle über seine Grenzen, Bahnhöfe und Clans verloren beziehungsweise aufgegeben hat, andere Prioritäten hat. Aber nein – der wahre Feind steht am DJ-Pult. Und heißt Gigi D’Agostino.
Der Schlagermove in Hamburg, einst bunte Alkoholorgie für Junggebliebene und Junggebliebenseinwollende, wird 2025 zum Hochsicherheitsfestival. Nicht etwa wegen Übergriffen oder Diebstählen. Sondern wegen eines Songs – oder genauer gesagt: Wegen der Möglichkeit, dass jemand bei einem bestimmten Song etwas „Falsches“ rufen könnte.
Die Melodie von „L’amour toujours“, einem Eurodance-Hit aus dem Jahr 2000, wurde im vergangenen Jahr bei der Parade durch St. Pauli gespielt. Einige Partygäste – nicht der DJ, nicht der Veranstalter, nicht Gigi selbst – nutzten sie, um die Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ zu grölen. Seitdem ist das Lied de facto auf dem Index. Der Veranstalter entschuldigte sich reumütig und gelobte Besserung. Dieses Jahr sollen „Horchposten“ entlang der Route sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederholt, wie das „Hamburger Abendblatt“ berichtet, schamhaft hinter einer Bezahlschranke versteckt.
Ja, Sie haben richtig gelesen: Horchposten. Keine Ordnungskräfte gegen Gewalttäter, keine Klarheit gegen Clankriminalität – sondern Lauschtrupps gegen Melodien, die irgendjemand missbrauchen könnte. Der DJ wird zum Verdächtigen, das Lied zur Gefahr.
Dabei ist entscheidend: Die Parolen, um die es geht, sind juristisch nicht verboten. So absurd das klingt: Mehrere Staatsanwaltschaften haben erklärt, dass diese Sätze in ihrer pauschalen Form nicht strafbar seien. Das ist auch Stand der Rechtssprechung. Die Parolen sind nicht zweifelsfrei volksverhetzend, so die Begründung. Anders gesagt: Die Justiz hat es geprüft – und keine Anhaltspunkte gefunden, die ein Verbot rechtfertigen.
Und trotzdem wird nun gehandelt, als sei es verboten. Menschen werden verfolgt, Parties gesprengt, Smartphones beschlagnahmt. DJs werden überwacht, Songs de facto indexiert, Veranstaltungen mit Lauschposten durchzogen – wegen Aussagen, die im juristischen Sinne legal sind. Damit wird der Boden des Rechtsstaats nicht nur verlassen – es wird demonstrativ auf ihn gepfiffen. Denn was hier geschieht, ist nichts anderes als eine präventive Gesinnungskontrolle: Nicht mehr das, was jemand tut oder sagt, ist entscheidend – sondern, was er bei passender Gelegenheit denken oder grölen könnte. Selbst wenn es legal ist – „Haltung“ geht vor Gesetz, Gesinnung über Rechtssprechung.
Ein Staat, der so denkt, ist nicht mehr liberal. Und nicht demokratisch. Sondern latent autoritär. Denn er beginnt, Dinge nicht zuzulassen, obwohl sie erlaubt sind – nur weil sie jemanden auf falsche Gedanken bringen könnten. Und das ist der Moment, in dem aus einem Rechtsstaat ein Angststaat wird. Die DDR lässt grüßen.
Schlimmer noch – es wird so getan, als sei das Lied selbst ein Problem. Und es wird faktisch verboten. In Deutschland reicht längst das Potenzial zur falschen Nutzung, um aus einem Song ein Risiko zu machen. Wer beim falschen Lied nicht schnell genug den Regler runterzieht, wird verdächtig. Wer dagegen offen ein Kalifat fordert oder „Wir ficken Deutschland“ skandiert – wie bei einer Berliner Demonstration geschehen – genießt weiterhin Narrenfreiheit. Die Polizei schritt dort nicht ein.
Dafür aber sind die Behörden umso handlungswütiger, wenn etwa auf Sylt ein paar beschwipste Jugendliche die „falsche“ Parole zu einem Lied singen – wohlgemerkt: legal. Dasselbe in Berliner Clubs. Ich habe diese Fälle mehrfach dokumentiert: Polizeieinsätze für Musik – und gleichzeitig Funkstille bei echten Notrufen. Man könnte es Satire nennen. Wäre es nicht Realität (siehe hier, hier, hier, hier und hier).
Der Staat setzt Prioritäten. Und diese Prioritäten verraten mehr über seine Krise als jedes Lied. Er traut sich bei Gewalt nicht mehr, Täter zu benennen. Stattdessen bekämpft er falsche Meinungen. Schafft Merkblätter für DJs, Regelbücher für Veranstalter, installierte Überwachungsteams, die sich nicht mehr für Drogenhandel oder Übergriffe interessieren – sondern für Basslinien.
Das ist der moralische Bankrott einer Exekutive, die lieber Partymusik zensiert, als Parallelgesellschaften anzutasten. Die sich von echten Problemen abwendet – und sich an Nebenschauplätzen abreagiert. Der DJ wird zum Bauernopfer, weil man den Clanchef nicht anrühren will.
„L’amour toujours“ heißt übersetzt: Liebe für immer. Das Lied steht für Eskapismus, Euphorie, Feiern. In Deutschland ist es ein Fall für Polizei und Justiz – weil einige Menschen ihre Parolen darauf legen. Aber nicht der DJ grölt. Nicht die Boxen brüllen. Sondern die, die sowieso brüllen wollen – mit oder ohne Musik.
Wenn ein Staat Musik verbietet, weil jemand dazu etwas Richtiges oder Falsches sagen könnte, und wenn dieses Könnte genügt, um eine Reaktion der Behörden auszulösen – dann regiert nicht mehr das Gesetz. Dann regiert die „Haltung“.
Nicht die Tat zählt, sondern die Deutung.
Nicht das Recht, sondern die Angst.
Und zwar nicht die Angst vor dem Kontrollverlust – sondern die Angst, ihn einzugestehen.
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