In der EU beginnt das finale Abstimmungsverfahren über die geplante riesige Freihandelszone mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur. Die EU-Kommission leitete die Vertragstexte für die Vereinbarungen mit den Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay jetzt an die Regierungen der EU-Staaten und das Europäische Parlament weiter. Die Brüsseler Behörde hofft, dass diese spätestens bis Jahresende zustimmen und damit den endgültigen Abschluss des Abkommens ermöglichen.
Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und soll auch ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump setzen. Geplant ist, Zölle und Handelsbarrieren zwischen der EU und den Mercosur-Staaten weitestgehend abzubauen.
Die EU-Kommission schätzt, dass das Abkommen die jährlichen EU-Exporte nach Südamerika um bis zu 39 Prozent (49 Milliarden Euro) steigern kann – und damit mehr als 440.000 Arbeitsplätze in ganz Europa unterstützt. Besonders große Chancen werden für die Autoindustrie, den Maschinenbau und die Pharmabranche gesehen. Auf Autoimporte in die Mercosur-Länder wird beispielsweise derzeit ein Zoll in Höhe von 35 Prozent fällig.
Kein Vetorecht bei Zollregeln
Das Abkommen wurde so angelegt, dass der Handelsteil mit den neuen Zollregelungen per Mehrheitsentscheidung beschlossen und auch nicht von nationalen Parlamenten verhindert werden kann. So will die Kommission verhindern, dass die geplante Freihandelszone am Widerstand einzelner Mitgliedstaaten scheitert. Ein Vetorecht hätten einzelne Mitgliedstaaten dann nur noch bei den geplanten Vereinbarungen zum politischen Dialog und zur Kooperation. Das gleiche Vorgehen ist auch für eine vorgesehene Ergänzung des bereits bestehenden Handelsabkommens mit Mexiko geplant. Für sie wurde nun ebenfalls das Abstimmungsverfahren gestartet.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von wichtigen Meilensteinen für die wirtschaftliche Zukunft der EU. «Wir diversifizieren unseren Handel weiter, fördern neue Partnerschaften und schaffen neue Geschäftsmöglichkeiten», sagte sie. EU-Unternehmen und der europäische Agrar- und Lebensmittelsektor würden unmittelbar von niedrigeren Zöllen und geringeren Kosten profitieren, was zu Wirtschaftswachstum und Beschäftigung beitrage. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas betonte, dass das Abkommen auch ein Schlüssel für mehr globalen Einfluss Europas sei.
Die EU-Kommission hatte die Verhandlungen über das Mercosur-Abkommen im vergangenen Dezember trotz anhaltender Kritik aus Ländern wie Frankreich abgeschlossen. Zuletzt brachte der Zollstreit der EU mit den USA noch einmal neue Dynamik in den Prozess. Viele Länder wollen jetzt zeigen, dass die Zeiten des fairen Handels nicht vorbei sind – zu ihnen gehört insbesondere auch Deutschland.
Sorge vor Preiskampf in der Landwirtschaft
Kritiker der Pläne befürchten allerdings, dass europäische Landwirte in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden könnten und die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird. Die EU-Kommission und die Bundesregierung sehen das als Panikmache. So betont die Brüsseler Behörde etwa, dass wegen Mengenbegrenzungen nur ein Teil der Agrareinfuhren aus den Mercosur-Staaten von dem Abkommen profitieren wird. Bei Rindfleisch liege das Limit beispielsweise bei 1,5 Prozent der EU-Produktion, bei Geflügel bei 1,3 Prozent.
Zudem schlägt die EU-Kommission den Mitgliedstaaten den Aufbau eines Sicherheitsnetzes gegen unerwartete Marktstörungen vor. Es soll unter anderem aus einem 6,3 Milliarden Euro schweren Topf für Krisenmaßnahmen bestehen.
Vertreter der deutschen Wirtschaft appellierten an die politischen Entscheidungsträger, das Abkommen nun schnell abzuschließen. «Dies ist Europas historische und zugleich letzte Chance, im südamerikanischen Markt als gleichberechtigter Partner aufzutreten», kommentierte etwa der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura. Wer jetzt noch zögere, opfere Arbeitsplätze und Wohlstand in Europa zugunsten politischer Partikularinteressen.
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