Die Pläne stimmten „mit dem von uns versprochenen glaubwürdigen Politikwechsel nicht überein“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Das sei „das Gegenteil dessen, was wir vor der Wahl gesagt haben“. Seehofer fügte hinzu: „Offenbar mussten SPD und Grüne die Wahl verlieren, um am Ende das zu bekommen, was sie schon immer haben wollten.“
„Eine so hohe Verschuldung ist immer ein Risiko. Für die wirtschaftliche Stabilität und für die Inflationsrate. Die kleinen Leute zahlen es am Ende. Verschuldung ist unsozial“, sagte der ehemalige bayerische Ministerpräsident.
Die Schuldenbremse war 2009 ins Grundgesetz aufgenommen worden – nun wollen Union und SPD sie lockern. „Wenn wir aus dem gigantischen Steueraufkommen, das wir ja haben, unsere Zukunft nicht mehr finanzieren können, dann läuft etwas falsch“, sagte Seehofer.
Söder weist bei Maischberger Kritik zurück
Seehofers Nachfolger Markus Söder wies die Kritik in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ zurück: Der CSU-Vorstand habe die Beschlüsse der Sondierungen und den Schritt zu Koalitionsverhandlungen „einstimmig beschlossen.“ Er stimme zu, dass einem bei mancher Zahl „schwindelig werden“ könne. Angesichts der Herausforderungen, vor denen Deutschland wegen der internationalen Entwicklung stehe, sei vereinbart worden, die Schuldenbremse an einer Stelle zu öffnen, „was ich für richtig halte“.
Zugleich betonte Söder, dass die Union bei den Sondierungen mit der SPD auch viele zentrale Dinge durchgesetzt habe, die sie im Wahlkampf versprochen hatte. Als Beispiel nannte er den härteren Kurs bei der Migration und verschiedene Steuersenkungen. „Wir tun, was das Beste für das Land ist“, sagte der CSU-Chef.
Seehofer: Brauchen nachvollziehbare Neuanfänge
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten zu Beginn ihrer Sondierungen über eine neue Koalition vereinbart, die Schuldenbremse im Grundgesetz für höhere Verteidigungsausgaben zu lockern und außerdem ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur zu schaffen. Im Wahlkampf hatte die Union sich gegen solche Überlegungen gewandt.
Seehofer nannte es alternativlos, dass die Union in Kernthemen, die ihr wichtig sind, nachvollziehbare Neuanfänge durchsetze, „allen voran auf den Mega-Feldern Migration, Bürgergeld, Bürokratieabbau und Kürzungen der öffentlichen Haushalte“. Nur dann könne man von einem Politikwechsel sprechen, „nur dann ist die verabredete hohe Verschuldung überhaupt vertretbar“.
Über die wahrscheinliche Neuauflage einer Regierung von Union und SPD sagte Seehofer, er habe drei solche Koalitionen miterlebt. „Am Anfang war die Euphorie meist groß, und am Schluss waren alle froh, dass es zu Ende war.“
Kritik an CSU-Wahlergebnissen
Seit seinem Ausscheiden aus der Politik hatte sich Seehofer rar gemacht, öffentliche Auftritte oder gar Interviews sind selten. Vor allem sagte Seehofer selbst wiederholt, er wolle die Arbeit seines Nachfolgers nicht bewerten.
Nun allerdings meldete er sich in der „Bild am Sonntag“ auch mit Kritik an den Wahlergebnissen der Union und der CSU der vergangenen Jahre zu Wort: „Markus Söder ist jetzt seit sieben Jahren Parteivorsitzender. In dieser Zeit gab es zwei Landtags- und zwei Bundestagswahlen. Alle vier Wahlen gehören zu den schlechtesten in der Geschichte der CSU“, konstatierte Seehofer.
Seehofers persönliche Attacken lässt Söder an sich abperlen
Auf diese ungewöhnliche und persönliche Kritik ging Söder auch auf Nachfrage bei „Caren Miosga“ nur am Rande ein. Eigentlich hätten er und Seehofer vereinbart, „dass wir nichts über uns sagen“. Nachdem er nun sechs Jahre lang nichts von Seehofer gehört habe, „freue ich mich, dass er offenbar noch ganz munter ist“.
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