Es gibt Tage, an denen der Irrsinn in den Redaktionsbriefkasten spaziert. Ungefragt. Unaufhaltsam. Und mit der Wucht eines Sonderangebots.
Wir hatten gerade anderes im Kopf – einen größeren Artikel über Gudio Westerwelle (kein Tippfehler, aber auch keine Rückkehr), die Dopamin-Serie, die übliche Routine. Doch dann kam eine Nachricht. Ein Leserbrief. So präzise, so trocken, so gnadenlos gut, dass er alles überstrahlte. Eine jener Zeilen, die einen innehalten lassen. Nicht wegen der Lautstärke, sondern wegen der Logik, die darin explodiert.
Hier ist er – ungekürzt, ungeschönt, einfach zitiert:
Liebes TEAM reitschuster.de,
diese Woche in der wöchentlichen Werbe-Print-Ausgabe des Discounters LIDL: Ein unschlagbares Angebot, falls man es wieder nicht durch die Berliner Messerverbotszonen geschafft hat.
Wie kann es sein, dass sich die Politik von einer Verbotszone hin und her schwingt, den aktuellen Ereignissen in dieser Stadt nur noch re-agierend hinterher stolpern kann und zugleich solche Angebote offeriert werden können?
Das Bild dazu: Drei Klappmesser, eins mit 21 Funktionen, eins mit Holzgriff, eins mit integriertem Feuerstahl. Klingenlänge: 6 bis 10 Zentimeter. Preis: 5,99 Euro. Unter dem Foto: Ein freundliches Sternchen, wie es nur im deutschen Einzelhandel vorkommt. Unten rechts die Marke: Crivit. Klingt harmlos, ist aber scharf.
Und während Lidl seine Klingen feilbietet, diskutiert Berlin über weitere Waffenverbotszonen. Die neueste Idee: Alexanderplatz, Kottbusser Tor, Parkanlagen – alles entwaffnet. Nur: Wer sich nicht an Gesetze hält, wird auch keine Werbezettel lesen.
Warum diese Placebo-Maßnahmen das Problem nicht lösen, sondern nur verwalten, habe ich hier ausführlich analysiert – „Das Placebo mit Klinge“. Es lohnt sich, genau hinzusehen: Denn wo die Politik ins Leere verbietet, bleibt die Realität ungerührt – oder greift zum nächsten Prospekt.
Das ist der Kern des Irrsinns: Die Sicherheitsdebatte ist längst zu einer PR-Schleife geworden. Man stellt Verbotsschilder auf, in der Hoffnung, sie könnten Menschen mit Gewaltabsicht beeindrucken. Man entfernt Messer aus Taschen, nicht aus Köpfen. Und wundert sich dann über die Realität.
Denn wer ein Messer führen will, findet immer eins. Im Supermarkt, im Baumarkt, in der Besteckschublade. Oder eben bei Lidl. Für unter sechs Euro. Mit Clip, Etui und Feuerstahl, falls man unterwegs gleich eine brennende Tonnenromantik entfachen will.
Was hier sichtbar wird, ist kein Einzelfall. Es ist System.
Ein politischer Betrieb, der lieber Aktionismus simuliert als Ursachen bekämpft. Der lieber kontrolliert, wer was in der Tasche trägt, statt zu fragen, warum Gewalt in bestimmten Milieus explodiert. Und der sich dann wundert, dass immer mehr Bürger sich abwenden – nicht von der Demokratie, sondern von ihrer Karikatur.
Natürlich kann man über so ein Prospektangebot lachen. Man kann es auch ignorieren. Oder – wie unser Leser – messerscharf analysieren. Und dabei den Finger genau in die Wunde legen, die der Staat nicht sehen will: Dass das Problem nicht die Klinge ist. Sondern die Kälte, mit der man sie übersieht. Und ein System, das sich daran nicht schneidet.
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