• 11. September 2025

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

„Die spinnen, die Römer“, pflegte der bekannte Obelix aus dem gallischen Dorf der Unbeugsamen zu sagen, wenn er wieder einmal auf Seltsamkeiten der römischen Legionäre stieß. Als er dagegen zusammen mit Asterix das Land der Helvetier bereiste, war er zwar verwundert über so manche Schweizer Eigenheit, aber „Die spinnen, die Schweizer“ hat er trotzdem nicht geäußert.

In unseren Tagen gibt es allerdings Anlass, über den Satz nachzudenken. Die Ursache ist in Bern zu finden, jener Stadt, von der es gelegentlich heißt, Bern sei halb so groß wie der New Yorker Zentralfriedhof, aber doppelt so tot. Wie man in der Zeitung „Blick“ erfährt, hat das in Bern ansässige Bundesamt für Polizei, das „Fedpol“, den örtlichen Kantonspolizeien untersagt, „Hautfarben im nationalen Fahndungssystem zu verwenden“. Sucht man also nach einem Tatverdächtigen, von dem man mit etwas Glück dies und das weiß, so ist es seit dem 5. September in der Schweiz nicht mehr möglich, „die Hautfarbe einer gesuchten Person in das nationale Fahndungssystem Ripol einzutragen“. In der Erklärung des „Fedpol“ war zu lesen, es habe eine offizielle Beschwerde einer ausländischen Behörde gegeben. Sorgfältig habe man die Entscheidung geprüft und festgestellt, dass die Hautfarbe „in der heutigen vielschichtigen Gesellschaft kritisch hinterfragt werden“ müsse. Zudem sei zu bedenken, dass sie ein „unterschiedlich wahrgenommenes und daher nicht eindeutig definierbares Merkmal“ sei.

Auf Äußerungen des Missmuts unter den vor Ort arbeitenden Polizisten erteilte das Fedpol die Auskunft, das sei nicht weiter schlimm, die Angabe der Hautfarbe werde bei Personenbeschreibungen ohnehin kaum genutzt, denn „die Hautfarbe als Bestandteil eines Signalements in der Ausschreibung wurde schon einige Zeit reflektiert“.

Eine bemerkenswerte Neuerung. Man hat also die Hautfarbe als Bestandteil einer Personenbeschreibung schon seit einer Weile „reflektiert“ und stellt jetzt zur allgemeinen Freude fest, dass sie kaum noch genutzt werde. So lange hat man an dem Kriterium der Hautfarbe herumreflektiert und unablässig erklärt, dass sie unbedingt „in der heutigen vielschichtigen Gesellschaft kritisch hinterfragt werden“ müsse, bis es kaum noch jemand wagte, das Merkmal bei einer Täterbeschreibung zu verwenden, weshalb sie jetzt fröhlichen Herzens verkünden können, dass die endgültige Abschaffung keinen nennenswerten Unterschied mehr macht.

Dieser Teil der Begründung kann somit nicht vollständig überzeugen. Der erste Teil auch nicht: Die Hautfarbe soll ein „unterschiedlich wahrgenommenes und daher nicht eindeutig definierbares Merkmal“ sein. Gibt es auch andere? Manche Zeugen beschreiben einen Flüchtigen als groß, andere als eher klein, unterschiedliche Haarfarben der gleichen Person in verschiedenen Beschreibungen sind ein altbekanntes Phänomen und selbst Autofarben variieren irgendwo zwischen weiß und schwarz mit allen möglichen Zwischenstufen an Buntheit. Es gibt keine eindeutig definierbaren Merkmale, solange man auf Zeugenaussagen angewiesen ist, und genaue Vermessungen kommen bei Flüchtigen doch eher selten vor.

Aber lassen wir die Begründungen und werfen einen Blick auf die Folgen. Was geschieht, wenn ich morgen eine Bank überfalle und so dumm bin, dabei mein Gesicht zu zeigen? Da ich aufgrund einiger Tage schönster und strahlender Ostseesonne gerade über eine gewisse Bräune verfüge, könnte man zu Protokoll geben, der Täter sei von gebräunter Haut und mit Sicherheit alles andere als bleich. Das kann helfen, denn zumindest im Verlauf der nächsten Tage wäre dann die Suche nach einem einigermaßen winterbleichen Täter sinnlos und würde nur Ressourcen verschwenden. In der Schweiz ist das aber nicht mehr möglich, denn eine braune Haut darf man nicht mehr zur Täterbeschreibung verwenden, da Braun eine Farbe ist.

Mir ist klar, dass unter Ideologen Effektivitätsfragen keine Rolle spielen; Hauptsache ist, man hat alles „schon einige Zeit reflektiert“. Aber werfen wir doch einen Blick auf das, was solche Leute interessiert – nicht etwa das Problem, wie man einen Täter möglichst schnell fassen kann, sondern selbstverständlich nur die politische Korrektheit. Wenn nun aber ein sogenannter Weißer welches Verbrechen auch immer begeht, dann darf nicht mehr thematisiert werden, dass es ein Weißer war. Im Rahmen der Fahndung weiß man es nicht, es darf ja nicht mehr „im nationalen Fahndungssystem“ angegeben werden. Somit müssen alle damit rechnen, Objekt der Fahndung zu werden, ob schwarz oder weiß, gelb oder braun, grün oder rot. Nicht nur, dass das völlig unnötig ist, weil man schließlich über die entsprechende Information verfügt, es führt dann ohne Zweifel wieder zu Beschwerden über „racial profiling“ von den üblichen Berufsbetroffenen, sobald Menschen schwarzer, gelber oder brauner Hautfarbe ins Visier genommen werden, weil sie vielleicht aus anderen Gründen ins Täterprofil passen. Kaum hat man den Täter erwischt, werden die hauptamtlichen Beschwerdeführer erst recht ihre Stimme erheben und mitteilen, man habe durch Verschweigen der Hautfarbe Misstrauen gegen alle Schwarzen, Braunen, Gelben und was es sonst noch geben mag geschürt.

Wie es scheint, wird das Problem der politischen Korrektheit durch die Strategie maximaler Ignoranz nicht völlig gelöst. Und es kommt noch schlimmer. Denn Ziel solcher Maßnahmen ist es stets, keine Bevölkerungsgruppen zu stigmatisieren oder auszugrenzen. Dafür hat man in der Schweiz längst noch nicht genug getan, beim bisherigen Stand kann es nicht bleiben. Man stelle sich nur vor, in der Beschreibung eines Tatverdächtigen wird sein von Zeugen beobachtetes Übergewicht thematisiert: Dick soll er gewesen sein, sogar sehr dick, und auf der Flucht hat er mühevoll gekeucht. Das ist moralisch nicht vertretbar. Durch solche Angaben werden die Menschen von kräftiger Statur stigmatisiert, jeder Dicke wird nun ohne Frage für einen Verbrecher gehalten, weil man unvorsichtigerweise das Merkmal des Körpergewichts nicht aus der Beschreibung entfernt hat. Und hat man vielleicht an die Probleme sehr kleiner oder auch sehr großer Menschen gedacht? Führte man in einer Täterbeschreibung eine außergewöhnliche Körpergröße auf, so wäre die zwingende Folge schon wieder die Stigmatisierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, da man nun die Großen oder die Kleinen unter Generalverdacht stellt.

Beim Schweizer Bundesamt für Polizei hat man nicht weit genug gedacht. Jede Form von Stigmatisierung muss verhindert, jede Art von Generalverdacht unterbunden werden. Und das ist auch leicht zu machen, wenn man in den Täterbeschreibungen ein wenig auf die Sprache achtet. „Der, die oder das Tatverdächtige“, so könnte man formulieren, „ist ein als Mensch gelesenes Wesen, das verschiedene individuelle Merkmale aufweist, die aber für die Fahndung ohne Belang sind. Bei Angaben zum Tathergang oder zu der die Tat begangen habende Person bitten wir, auf jede Form von Stigmatisierung von Bevölkerungsgruppen zu verzichten.“ So geht Fahndung!

„Ideologie ist Ordnung auf Kosten des Weiterdenkens“, sagte der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt.

Die Schweizer Polizei zeigt, wie recht er hatte.

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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Ryan Nash Photography / Shutterstock.com

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