2023 beschäftigte sich das Max-Planck-Institut (MPI) für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig damit, wie sich Sprache auf die Verschaltung des Gehirns auswirkt. Verglichen wurden hier insbesondere deutsche und arabische Muttersprachler.
Gerade mit Blick auf die illegale Massenzuwanderung (irreguläre Migration im Kontext der Dublin-Verordnung) so vieler arabisch sprechender Migranten seit 2015 ist das Ergebnis von besonderem Interesse für die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt.
Die Max-Planck-Gesellschaft veröffentlichte eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung. Der führende Autor der Studie, Alfred Anwander, fasste im Ergebnis zusammen, dass die deutschen Muttersprachler eine stärkere Konnektivität im Sprachnetzwerk der linken Hemisphäre besitzen. Dem gegenüber besäßen arabische Muttersprachler eine stärkere Vernetzung zwischen linker und rechter Gehirnhälfte als deutsche.
„Diese Verstärkung wurde auch zwischen semantischen Sprachregionen festgestellt und könnte mit der relativ komplexen semantischen und phonologischen Verarbeitung im Arabischen zusammenhängen.“
Die Ergebnisse für die deutschen Probanden hingen mit der komplexen syntaktischen Verarbeitung im Deutschen zusammen, die durch die freie Wortstellung und den größeren Abstand zwischen den abhängigen Satzelementen bedingt sei.
Aber wie findet man so etwas heraus, wie wird es vermessen?
Dafür wurden die Gehirne der deutschen und arabischen Muttersprachler in einem Magnetresonanztomografen (MRT) gescannt. Der Trick dabei ist die „diffusionsgewichtete Bildgebung“. Zu sehen bekommt man anschließend die „Berechnung der Verdrahtung zwischen den Hirnarealen“, wie es in einer Publikation der Max-Planck-Gesellschaft heißt. Ein erstes Ergebnis dieser Scans:
„Die Daten zeigten, dass sich die axonalen Verbindungen der weißen Substanz des Sprachnetzwerks an die Anforderungen und Schwierigkeiten der Muttersprache anpassen.“
Wer noch nie von dieser „weißen Substanz“ gehört hat: Der Begriff bezieht sich auf die Nervenfasern im Gehirn, die verschiedene Regionen des Sprachnetzwerks miteinander verbinden. Die weiße Substanz besteht hauptsächlich aus myelinisierten Axonen, die Signale zwischen verschiedenen Gehirnregionen übertragen.
Das Ergebnis in einem Satz zusammengefasst: Die Sprache, mit der wir aufwachsen, beeinflusst die Verdrahtung im Gehirn in unterschiedlichen Regionen.
Oder um es noch simpler auszudrücken: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Der Grund dafür ist die neurologische Entwicklung des Gehirns mit einem Überschuss an Synapsen in der Kindheit, der später selektiv abgebaut wird.
Aber auch das stimmt nicht ganz, denn Sprachen können auch von Erwachsenen gelernt werden, aber offenbar niemals so tief im Gehirn vernetzt sein, wie Sprache, die als Muttersprache gelernt wurde. Das weiß aber auch jeder, der eine neue Sprache lernt.
Übrigens: Wer hier gleich „Rassismus“ gegen Max-Plank schreit, der übersieht, dass die Studie nicht von unterschiedlichen Gehirnen ausgeht, sondern lediglich davon, was ihre Funktionsweise prägt. In dem Kontext interessant wäre gewesen, wenn die Studienmacher zusätzlich Gruppe von Probanden gefunden hätten, die jeweils ausschließlich mit der Sprache der anderen Gruppe aufgewachsen sind. Also ein Deutscher der als Kind mit der arabischen Sprache aufgewachsen ist und umgekehrt.
Bisher war klar, dass die Vernetzung des Gehirns in der Kindheit durch das Lernen und die Umwelt beeinflusst wird, was, so Max-Planck, „sich auf die kognitive Verarbeitung, also das Denken, im erwachsenen Gehirn auswirkt“.
Ein Araber denkt anders als ein Deutscher? Und die Art zu denken ist über die Muttersprache im Gehirn fest verankert? Ein Fazit der Max-Planck-Gesellschaft geht dann so:
„Diese Studie sei eine der ersten, die klare Unterschiede zwischen den Gehirnen von Menschen dokumentiert, die mit verschiedenen Muttersprachen aufgewachsen sind. Damit könnte sie Forschenden einen Weg zum Verständnis kulturübergreifender Verarbeitungsunterschiede im Gehirn bieten.“
2023 kündigte Max-Planck an, dass das Forscherteam in einer weiteren Studie die langfristigen strukturellen Veränderungen in den Gehirnen arabischsprachiger Erwachsener analysieren will, während diese sechs Monate lang Deutsch lernen.
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Die Ergebnisse lagen ein Jahr später vor. Die Studienmacher hatten ein umfangreiches Intensivprogramm zum Erlernen der deutschen Sprache für syrische Flüchtlinge (59 arabische Muttersprachler) organisiert. Auch hier wurden regelmäßig hochauflösende MRT-Aufnahmen der Gehirne der Teilnehmer analysiert.
Im Ergebnis konnte nachgewiesen werden, dass sich die Nervenverbindungen innerhalb des Sprachnetzwerks in der linken Gehirnhälfte verstärken und während des Erwerbs der Zweitsprache zusätzliche Regionen in der rechten Hemisphäre beteiligt wurden.
Ein Einzelergebnis hoben die Studienmacher besonders hervor: So konnten sie feststellen, dass sich während des Lernens der Zweitsprache die Vernetzung zwischen den beiden Gehirnhälften verringert. Die Wissenschaftler vermuten, dass während des Lernens einer neuen Sprache die sprachdominante linke Hemisphäre weniger Kontrolle über die rechte Hemisphäre ausübt.
Oder einfacher ausgedrückt: Die arabisch geprägten Areale wollen der neuen Sprache möglichst wenig im Weg stehen: Dadurch werden Ressourcen in der rechten Gehirnhälfte frei, um die neue Sprache zu integrieren.
Der Studienleiter erklärt abschließend:
„Die dynamischen Veränderungen der Gehirnkonnektivität korrelierten direkt mit dem Lernfortschritt im Sprachtest des Goethe-Instituts. Dies unterstreicht die Bedeutung neuroplastischer Anpassungen des Netzwerks zur Verarbeitung der neu erlernten Sprache und die Nutzung von Regionen in der rechten Gehirnhälfte, die zuvor für die Sprachverarbeitung nicht genutzt wurden. Die vorliegende Studie veranschaulicht, wie sich das erwachsene Gehirn an neue kognitive Anforderungen anpasst, indem es die strukturelle Konnektivität innerhalb und zwischen den Hemisphären moduliert.“
Hier geht es demnach um Anpassungsfähigkeit versus Prägung und um freie Kapazitäten des Gehirns. Eine weitere Studie könnte hier untersuchen, welche Folgen diese Anpassungen wiederum auf andere Regionen haben. Und wie nachhaltig so ein „Umbau“ des Gehirns wirkt.
Und fern ab von dem Vergleich der Auswirkungen arabischer und deutscher Sprache auf die Heranwachsenden – kann man hier sogar unterstellen, dass auch die neue gendergerechte Sprache einen Einfluss auf die Entwicklung der Arbeit des Gehirns hat? Da bekommt der Begriff „Gehirnwäsche“ für Genderkritiker schnell eeine ganz neue Bedeutung.
Und wenn Kinder von Migranten von der Kita bis zur Grundschule von einer neuen Sprache geprägt werden, dann wird hier also laut Studie des Max-Planck-Instituts das Gehirn der Kinder der arabisch aufgewachsenen Eltern nachhaltig – oder irreparabel? – eingedeutscht. Ist das ein Grund, warum Kinder von Migranten seltener eine Kita besuchen? Ist den Eltern instinktiv klar, dass die Entfremdung eine besonders nachhaltige ist? Oder sind hier soziologische Gründe ausschlaggebender?
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Author:
Alexander Wallasch